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    Hobo with a Shotgun
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Hobo with a Shotgun
    Von Jan-Thilo Caesar

    Als die kanadischen Filmemacher Jason Eisener, John Davies und Rob Cotterill im Jahr 2006 mit „Hobo with a Shotgun" ihren Beitrag zu einem von Robert Rodriguez ausgerufenen Fake-Trailer-Wettbewerb lieferten, ahnte wohl keiner von ihnen, dass ihre Idee von einem Obdachlosen, der für sein letztes Geld eine Schrotflinte kauft und damit gegen das Unrecht vorrückt, dermaßen gut ankommen und sogar den Weg für einen abendfüllenden Spielfilm ebnen würde. Dabei schaffte es der Trailer nur in Kanada und in wenigen US-amerikanischen Kinos in die Vorschau von Rodriguez‘ und Quentin Tarantinos „Grindhouse"-Doppel. Das Konzept des eine Minute und 58 Sekunden langen Vorfilms mag für eine Adaption in Spielfilmlänge etwas zu knapp scheinen und tatsächlich ist mit dem Titel „Hobo With A Shotgun" eigentlich schon alles Wesentliche über die Handlung gesagt. Doch angesichts des originellen Looks, massig Gore und vor allem dank des charismatischen Hauptdarstellers Rutger Hauer wird die schnell zur Nebensache.

    Der namenlose Hobo („obdachloser Wanderarbeiter", Rutger Hauer) kommt in die treffend benannte Stadt Scum Town, in der das Verbrechen Hochkonjunktur hat und die Moral auf Dauerurlaub ist. Mit dem Sammeln von Pfandgut möchte er genug Geld zusammen bekommen, um sich einen Rasenmäher kaufen zu können und ein eigenes Geschäft aufzubauen. Doch sein Vorhaben wird jäh gestört, als der Gangsterboss The Drake (Brian Downey) mit seinen psychopatischen Söhne Slick (Gregory Smith) und Ivan (Nick Bateman) auftaucht und seinen in Ungnade gefallenen Bruder Logan (Robb Wells) enthauptet. Schnell stellt er fest, dass Gewalt die einzige Sprache ist, die in dieser Stadt verstanden wird. Er beschließt, dass sein Rasenmäher warten kann und kauft stattdessen ein Schrotgewehr. Mit Hilfe der barmherzigen Prostituierten Abby (Molly Dunsworth) und seiner treuen Flinte startet er einen blutigen Feldzug, um die Straßen von Scum City von Abschaum wie pädophilen Weihnachtsmännern und Drogendealern zu befreien...

    „Hobo with a Shotgun" präsentiert sich von Beginn an in übersättigter Technicolor–Pracht und liefert dazu passend einen Score, der sofort in die 70er Jahre zurück katapultiert. Einzig der sichtlich gealterte Rutger Hauer entlarvt die ansonsten perfekte Illusion der Eröffnungssequenz. Die Schauspiellegende, die mit der Verkörperung eines künstlichen Menschen in Ridley Scotts düsterer Zukunftsvision „Blade Runner" berühmt wurde, ist trotz unzähliger, missglückter B-Movies immer noch ein Star und schaffte in den 2000ern mit kleineren Auftritten in „Sin City" und „Batman Begins" sogar ein Kino-Comeback. Hauers Darstellung des verrückten Obdachlosen, der mit seiner Schrotflinte die Welt zu einem besseren Ort machen möchte, ist durchweg mit der Intensität gespielt, die den Niederländer zu einem der außergewöhnlichsten Schauspieler seiner Generation machte. Der restliche Cast verkörpert die genregemäß überzeichneten und eindimensionalen Figuren solide, kann aber dabei nicht mit so originellen Entwürfen spielen, wie sie die Darsteller in Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez' Grindhouse-Würfen vorgelegt bekommen – etwa wie Cheech Marin als schießwütiger Priester aus „Machete".

    Der Vergleich zu Rodriguez' jüngstem Exploitationspaß liegt nahe, für sein Kinodebüt hat man Eisener allerdings nur ein vergleichsweise kleines Budget von drei Millionen Dollar zugesichert und so musste auf Computereffekte und spektakuläre Explosionen verzichtet werden. Das schadet „Hobo with a Shotgun" jedoch nicht, im Gegenteil: Insbesondere die heftigen Gewaltszenen wirken dadurch noch ekeliger, als sie billig wirken, ganz im Einklang mit dem Retro-Trash-Anspruch des Films. An brutalen Gemeinheiten wurde nicht gespart, Gorehounds kommen voll auf ihre Kosten: offene Knochenbrüche, Stacheldraht-Enthauptungen, platzende Köpfe – und freilich hat auch Hobos heißersehnter Rasenmäher noch seinen blutigen Auftritt. Auch die Jüngsten bleiben nicht verschont: Babys werden mit Schusswaffen bedroht und ein ganzer Schulbus wird in ein flammendes Inferno verwandelt. „Hobo with a Shotgun" ist definitiv nichts für schwache Nerven.

    „You can't solve the whole world's problems with a shotgun!" – „It's all I know." Wie es sich gehört, bietet der Film amüsante, zitierfähige Dialogzeilen en masse, die immer wieder für Auflockerung und Zwerchfellstimulanz sorgen. Zudem hat „Hobo with a Shotgun" durch das fatalistische Weltbild des namenlosen Obdachlosen auch gesellschaftskritische Zwischentöne. Insbesondere wenn Hobo im Krankenhaus den Neugeborenen die Aussichtslosigkeit ihrer Zukunft in einer so verkommenen Welt eröffnet, rechnet er gnadenlos mit dem amerikanischen Traum ab, den die Filmemacher ironischerweise mit „Hobo with a Shotgun" ein Stück weit für sich verwirklichen konnten. Fans des von Rodriguez und Quentin Tarantino wiederbelebten Exploitationkinos sollten sich diesen Film keinesfalls entgehen lassen, denn der mittlerweile 67-jährige Schrotflinten-Hauer ist absolut kultverdächtig und lässt Danny Trejos Machete am Ende sogar etwas alt aussehen.

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