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    Sleep Tight
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sleep Tight
    Von Constantin von Harsdorf

    Dank talentierter Regisseure wie Juan Carlos Fresnadillo („28 Weeks Later") oder Juan Antonio Bayona („Das Waisenhaus") sind spanische Filmemacher im Horror-Genre inzwischen kein bloßer Geheimtipp mehr. Vielmehr halten sie mit ihren Werken Kinosäle auf der ganzen Welt in Atem. In diese illustre Riege gehört auch das Regie-Duo Jaume Balagueró und Paco Plaza, das 2008 mit seinem im Reportage-Stil gehaltenen Independent-Schocker „[REC]" ein echtes Ausrufezeichen setzte - die beiden Spanier holten das Maximum aus ihrem vergleichsweise mickrigen Budget heraus und verpassten dem Zombiekino mit wackeliger Handkamera und gelegentlichen Tonaussetzern einen frischen Anstrich. Nach dem fast schon obligatorischen Nachfolger „[REC] 2" sind inzwischen bereits zwei weitere Fortsetzungen im Anflug, deren Regie die beiden Spanier dieses Mal untereinander aufgeteilt haben. Während Plaza fleißig an „[REC]³ Génesis" schraubt, hatte Balagueró Zeit für den Horror-Thriller „Sleep Tight", der sich wie „[REC]" fast ausschließlich in einem einzigen Haus abspielt. Das bleibt jedoch die einzige Gemeinsamkeit. Statt blutrünstige Zombies und schonungslose Schockeffekte aufzubieten, schlägt der iberische Filmemacher hier deutlich subtilere, dadurch aber nicht weniger wirkungsvolle Töne an, die auch gelegentliche Drehbuchschwächen sanft übertönen.

    César (Luis Tosar) arbeitet als Concierge eines Apartmentkomplexes in Barcelona. Auch wenn ihn die Bewohner nur flüchtig wahrnehmen, kennt er sie ganz genau und weiß fast jedes noch so intime Detail aus ihrem Alltag. Besonders interessiert er sich für die hübsche Clara (Marta Etura), die mit ihrem frohen Gemüt das genaue Gegenteil vom freudlosen Concierge ist. Ihr ständiges Lächeln verursacht bei César ein schier unerträgliches Unbehagen, das ihn von Tag zu Tag nur noch tiefer in den Wahnsinn treibt. Er weiß: Ehe er ihr das Grinsen aus dem Gesicht gewischt hat, wird er keinen friedlichen Tag mehr verbringen. Zunehmend besessen von diesem Vorhaben beginnt er sich nachts in ihre Wohnung zu schleichen und greift zu immer härteren Maßnahmen, um Clara das Leben zur Hölle zu machen...

    In einer intensiven Szene gleich zu Beginn des Films bringt Regisseur Balagueró die Tragik seines Protagonisten César auf den Punkt. Einsam am Rande eines Hausdaches stehend blickt der Concierge auf die belebten Straßen Barcelonas, während seine getragene Stimme aus dem Off von seiner Unfähigkeit zur Glückseligkeit berichtet – und von der, das Glück anderer zu ertragen. Das Unglück anderer hingegen ist Césars Lebenselixier. Auf dieser Basis entwickelt Balagueró seine zutiefst boshafte Geschichte und spielt passend zu Césars immer drastischerem Vorgehen auch auf immer perfidere Art mit den Emotionen des Publikums. Der Regisseur zieht die Spannungsschraube langsam aber effektvoll an und lässt durch die Perspektive seines Protagonisten genüsslich eine nur oberflächlich heile Welt Stück für Stück in sich zusammenfallen, bis am Ende nur noch ein entstelltes Zerrbild übrig bleibt.

    Dabei drängt Balagueró sein Publikum in einen unangenehmen Gewissenskonflikt: Wenn César eines Nachts durch die Anwesenheit von Claras Freund überrascht und zur Flucht gezwungen wird oder sich unangenehmen Fragen der Polizei stellen muss, fiebert man unweigerlich mit ihm mit, nur um im nächsten Moment durch eine seiner skrupellosen Taten komplett vor den Kopf gestoßen zu werden. Dieses Konzept steht und fällt freilich mit Balaguerós Hauptdarsteller – und Luis Tosar („Und dann der Regen", „Miami Vice") ist schlichtweg grandios. Tosar verleiht der Figur des getriebenen Psychopathen eine bemerkenswerte Tiefe und lässt ihn nie zu einem plumpen Irren verkommen; zu präzise arbeitet er Césars Nuancen heraus. Selbst in den Momenten vollkommener Besessenheit schwingen Verletzlichkeit und Menschlichkeit in Tosars Mine mit.

    Die anderen Schauspieler haben es schwer, sich neben einem so starken Hauptdarsteller zu behaupten. Dennoch machen sie ihre Sache durchweg ordentlich – und das, obgleich besonders Marta Eturas („Dunkelblau Fastschwarz") Clara recht eindimensional angelegt ist: Sie fungiert über weite Strecken lediglich als dauerfröhlicher Gegenpol zu César und gewinnt erst gegen Ende an Profil. Auch die Kinderdarstellerin Iris Almeida überzeugt, obwohl ihre Rolle als durchtriebene Ursula, die César mit ihrem Wissen über seine nächtlichen Ausflüge erpresst, einen der wenigen Schwachpunkte des Films darstellt. Balagueró verfolgt den eigentlich vielversprechenden Handlungsstrang leider viel zu inkonsequent und lässt so einiges an Potential unausgeschöpft. Im etwas zähen Mittelteil hätte Almeidas Figur der Handlung mehr Druck verleihen können – ähnlich unentschlossen wird mit der Rolle der Polizei umgegangen, die sich durch ein paar simple Tricks viel zu einfach auf die falsche Fährte locken lässt.

    Fazit: Jaume Balagueró serviert mit „Sleep Tight" einen bitterbösen Horror-Thriller und spielt geschickt mit den Emotionen des Publikums. Getragen wird der Film von einem grandios aufspielenden Hauptdarsteller, der auch die ein oder andere Drehbuchschwäche ausgleicht.

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