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    Brick Mansions
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Brick Mansions
    Von Andreas Staben

    Einst hat er Hollywood mit Werken wie „Léon – Der Profi“ oder „Das fünfte Element“ noch höchstpersönlich gezeigt, was eine Action-Harke ist, seit einer ganzen Weile überlässt der Franzose Luc Besson die Regie bei den von ihm ausgeheckten internationalen Genrespektakeln allerdings lieber vertrauten Helfern. So hat er mit seiner Produktionsfirma EuropaCorp nicht nur Erfolgsfranchises wie „The Transporter“ und „96 Hours“ hervorgebracht, sondern auch die Karrieren von Regisseuren wie Pierre Morel („From Paris With Love“), Olivier Megaton („Colombiana“) und Louis Letterier („Die Unfassbaren – Now You See Me“) lanciert. Beim Action-Thriller „Brick Mansions“ setzt Besson nun erneut auf einen Regie-Debütanten aus seinem Mitarbeiterstab (diesmal „Transporter 3“- und „Lockout“-Cutter Camille Delamarre) und auch sonst greift er auf Bewährtes zurück - schließlich ist der Film ein in die heruntergekommene US-Autometropole Detroit verlegtes Remake von Morels „Ghettogangz – Die Hölle vor Paris“. Zehn Jahre nach dem Original darf Parkour-Pionier David Belle trotz mangelnder Englischkenntnisse seine Hauptrolle behalten und beeindruckt einmal mehr mit atemberaubender Akrobatik. Aber etwas ist trotzdem anders: Die Präsenz des im November 2013 ums Leben gekommenen „Fast and Furious“-Stars Paul Walker in seiner letzten vollständig abgedrehten Hauptrolle gibt dem ansonsten unbeschwert-absurden B-Movie-Hokuspokus eine tragische Note – der Auftritt erinnert an die besten Qualitäten dieses häufig unterschätzten Darstellers.    

    Detroit in naher Zukunft: Gewalt und Kriminalität haben die streng abgeriegelten Brick Mansions fest in der Hand. Polizeireviere, Krankenhäuser und Schulen sind dort längst geschlossen, selbst der Bürgermeister (Bruce Ramsay) hat den Stadtteil und seine Bewohner abgeschrieben, träumt aber von einem Neustart mit Luxus-Immobilien. Einzig der Undercover-Cop Damien Collier (Paul Walker) hat den Kampf gegen die Drogenbosse noch nicht aufgegeben und sich in den inneren Zirkel von George the Greek (Carlo Rota) eingeschlichen. Doch sein eigentliches Ziel ist Tremaine Alexander (RZA), der mächtige Mann im Hintergrund, der Brick Mansions nie verlässt. Als eine gestohlene Neutronenbombe in die Hände des Gangsters gerät, wird Damien in die Höhle des Löwen geschickt – sein ortskundiger Mitstreiter wird ausgerechnet der Polizistenmörder Lino (David Belle), der seit Jahren einen privaten Kleinkrieg gegen Tremaine und seine Leute führt. Während Lino seine entführte Ex-Freundin Lola (Catalina Denis) befreien will und auch Damien auf private Rache sinnt, richtet Tremaine die Bombe gegen das Zentrum von Detroit und stellt ein kaum erfüllbares Ultimatum. Die Uhr tickt…

    Wie so oft hat Action-Zampano Luc Besson „Brick Mansions“ nicht nur produziert, sondern (gemeinsam mit Bibi Nacery) auch das Drehbuch verfasst. Und wie gewohnt liefert die Handlung dabei kaum mehr als einen dünnen Vorwand für ausgefeilte Kampf- und Verfolgungschoreographien. Aber die haben es in sich: Gleich zu Beginn zeigt Bewegungskünstler David Belle sein Können, springt halsbrecherisch über Dächer und Mauern, stürzt sich durch Fenster, hangelt und turnt sich an allen Hindernissen vorbei. Übertroffen wird diese Eingangssequenz später noch, wenn sich Belle und Walker gemeinsam den Weg durch die labyrinthischen Gänge und Straßen der Brick Mansions bahnen,  wobei sie Gegner mit vielsagenden Namen wie K2 (Gouchy Boy) und Yeti (Robert Maillet) überwinden müssen – da ist Einfallsreichtum gefragt. Mit der Dynamik dieser Szenen kann eine Autoverfolgungsjagd im ersten Drittel nicht mithalten, aber die endet dafür direkt im (!) Polizeirevier. Regisseur Camille Delamarre setzt in den Action-Szenen allerdings ein bisschen zu sehr auf eine heftig bewegte Handkamera und schnelle Schnitte, vor allem die fast tänzerische Eleganz der Parkour-Einlagen, die Pierre Morel im Original von 2004 so souverän eingefangen hat, kommt dadurch nicht zur vollen Geltung.

    Die Verlegung des Geschehens von den krisengeschüttelten Pariser Banlieues in die einstige Industriehochburg Detroit, die in den vergangenen Jahren einen extremen Abstieg erlebt hat (gedreht wurde allerdings hauptsächlich in Montréal), ist zwar recht naheliegend, aber bei diesem Transfer geht das Gefühl von treffender sozialer und kultureller Verwurzelung verloren. Wo im französischen „Ghettogangz“ nebenbei ein Hauch von den wirklichen Problemen in den Vorstädten zu spüren war, gibt es in „Brick Mansions“ stattdessen auf die Spitze getriebene Genre-Konventionen fernab irgendeiner Art von Realismus. Dieses Spiel betreiben Besson und Delamarre allerdings mit so viel Freude an absurden Details und Wendungen, dass sie fast schon wieder satirisch-subversive Durchschlagskraft erreichen. Korrupte Politiker und Polizisten agieren mit verblüffender Unverblümtheit, der Obergangster (mit cooler Süffisanz von Wu-Tang-Clan-Chef RZA verkörpert) entpuppt sich als leidenschaftlicher Hobbykoch und mutiert zum Sozial-Revoluzzer. Die spezifische Atmosphäre von Detroit (zuletzt von Jim Jarmusch in seiner Vampir-Romanze „Only Lovers Left Alive“ mit melancholischer Note eingefangen) ist vielleicht nicht zu spüren, ein allgemeines Gefühl von urbanem Verfall, wie wir es aus Science-Fiction-Klassikern wie „Die Klapperschlange“ kennen, liegt aber durchaus in der Luft.

    Kratzbürstig-oberflächliche Frauenfiguren (mit einem erstaunlich brutalen Zweikampf zwischen der von Ayisha Issa gespielten psychopathischen Gangsterbraut Rayzah und der Geisel Lola), eine Massenvernichtungswaffe in den falschen Händen, ein geniales Versteck in einem Waschsalon – oft befinden wir uns hier fast in einer Art überkandidelter 70er-Jahre-James-Bond-Welt. Doch ein Mann sorgt für Bodenhaftung und ist zugleich der emotionale Anker des Geschehens: Paul Walker. Mit seiner unkomplizierten Jedermann-Art verkörpert er scheinbar ohne Anstrengung, aber dennoch glaubwürdig den aufrechten Kämpfer für Gerechtigkeit, bei ihm ist die Figur des einsamen Rächers weder ikonisch überhöht noch reines Klischee. Anders als andere Stars kommt Walker ohne Manierismen aus und gibt Damien gerade dadurch Konturen. Er wirkt sowohl in den Actionszenen (die meisten Stunts machte er selbst) als auch in den ruhigen Momenten mit Großvater Collier (Frank Fontaine) vollkommen natürlich. Wie nur wenige andere im Genrekino verstand es Walker zudem, die moralische Dimension seiner Figuren nachfühlbar zu machen (man denke nur an seine empathische Meisterleistung in „Running Scared“ oder auch an den wenig beachteten „Hours – Wettlauf gegen die Zeit“) und gewinnt deshalb selbst dem recht grob konstruierten inneren Konflikt Damiens noch einen Rest Überzeugungskraft ab.

    Fazit: „Brick Mansions“ ist typisch überdrehte und gut gemachte Action-Kost aus dem Hause Luc Besson, die durch das Mitwirken des inzwischen verstorbenen Stars Paul Walker in einer seiner letzten Rollen eine besondere Note bekommt.

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