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    Overdrive
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Overdrive
    Von Andreas Staben

    Als nicht besonders auffälliger Reihenneuzugang stand Scott Eastwood als Agent mit dem bezeichnenden Beinamen Little Nobody in „Fast & Furious 8“ deutlich im Schatten von Genre-Schwergewichten wie Vin DieselDwayne Johnson und Jason Statham. Nun versucht sich der als Model bekannt gewordene Jungstar als Zugpferd eines eigenen Auto-Action-Thrillers und macht bei dieser filmischen Trittbrettfahrerei eine überraschend gute Figur: Er ist nämlich der einzige aus der Besetzung von Antonio Negrets ebenso launiger wie läppischer PS-Protzerei „Overdrive“, dem sich so etwas wie Starappeal attestieren lässt (was sicherlich auch damit zu tun hat, dass Scott seinem legendären Vater Clint Eastwood wie aus dem Gesicht geschnitten ist). Letztendlich lässt sich „Overdrive“ ganz gut als „Fast & Furious“-Klon mit einem Touch von „The Transporter“ zusammenfassen - nur ist hier eben alles mindestens eine Nummer kleiner und kostengünstiger, was natürlich auch seine Vorzüge hat (es gibt schließlich genug „F&F“-Fans, die sich zu den bescheideneren Wurzeln des Franchises zurücksehnen). Nur werden diese in der von „96 Hours“-Regisseur Pierre Morel produzierten Gangster-Charade leider nicht konsequent genug ausgespielt.

    Die Halbbrüder Andrew (Scott Eastwood) und Garrett (Freddie Thorp) sind totale Autofreaks und dazu auch noch versierte Diebe. Aber als sie für einen Kunden einen Bugatti stehlen, legen sie sich dabei mit dem Falschen an, denn der wertvolle Wagen gehört niemand Geringerem als dem Gangster Jacomo Morier (Simon Abkarian). Der ebenso brutale wie ungeduldige Mann gibt ihnen exakt eine Woche Zeit, um ihren Fehler wiedergutzumachen, indem sie seinem deutschen Rivalen Max Klemp (Clemens Schick) einen legendären Ferrari klauen. Notgedrungen heuern die Brüder eine Crew für dieses Himmelfahrtskommando an, doch damit werden die Dinge erst wirklich kompliziert: Zunächst taucht Jacomos Cousin Laurent (Abraham Belaga) auf und mischt sich in alles ein, ehe sich zu allem Überfluss plötzlich auch noch Interpol für Aktivitäten der Brüder zu interessieren beginnt…

    Das dick aufgetragene Familienthema, das fast schon erotische Verhältnis zum fahrbaren Untersatz, die Vollgas-Action, die schönen Menschen, die schmierigen Schurken und die hanebüchene Handlung: Wer auch nur einen „Fast & Furious“-Film gesehen hat, dem dürfte das alles ziemlich bekannt vorkommen. Da verwundert es gar nicht weiter, dass die „Overdrive“-Autoren Michael Brandt und Derek Haas auch das Drehbuch zu „2 Fast 2 Furious“ verfasst haben. Während der furiosen Pre-Credit-Sequenz, in der Andrew und Garrett einen wertvollen Bugatti aus einem im grenzwertigen Tempo über die Autobahn bretternden Truck entwenden, legt Regisseur Antonio Negret („Transit“) dann auch direkt los, als wollte er die Blockbuster-Konkurrenz tatsächlich mal eben rechts überholen, aber dieses eröffnende Over-the-Top-Husarenstück bleibt bis zum Ende der unerreichte Action-Höhepunkt des Films. Stattdessen geht es in der Folge etwas bodenständiger zur Sache, wobei das natürlich relativ ist, wenn sich später etwa noch ein Auto und ein Flugzeug einen (eher ernüchternden) Showdown liefern und im großen Finale ein imposanter Brückenstunt absolviert wird (bei dem sich der ebenso epische erzählerische Vorlauf allerdings nur bedingt auszahlt).

    Ansonsten gilt hier die von Andrew beim Oldtimer-Klauen an seine Helfer ausgegebene Devise: „Fahrt die Schmuckstücke nicht zu Schrott!“ Wenn die in der Sonne glitzernden Corvettes, Alfa Romeos, Jaguars und Ferraris wie an der Schnur gezogen über die malerischen Küstenstraßen Südfrankreichs sausen, dann lassen sie Freunden klassischer Autos das Herz höher schlagen. Aber so ganz mag sich Regisseur Negret dem automobilen Fetischismus dann doch nicht hingeben: Zwar zelebriert er die von den rivalisierenden Oberschurken in schwer befestigten Riesengaragen drapierten Statussymbole mit bewundernden Zooms und verführerischem Licht, aber mal schwelgerisch etwas länger auf einer der Karosserien verweilen darf die Kamera trotzdem nicht. Und wie die Brüder angesichts all der Schätze (eines dieser Autos soll 38 Millionen Dollar wert sein) ungläubig einen Modellnamen nach dem anderen aufsagen und dann auch noch jeweils eine Erläuterung nachschieben, klingt auch eher einfallslos und trägt so nicht unbedingt dazu bei, dass man in ihre Begeisterung einstimmt. Die Schönheit dieser Vehikel könnte für sich sprechen, aber so bleiben sie am Ende doch nur Blechbüchsen, bei denen es unverständlich ist, warum alle für sie den Hals riskieren. Immerhin darf Ana de Armas als emanzipierte Draufgängerin Stephanie in dem Punkt genauso unvernünftig sein wie ihr Liebster Scott Eastwood - und bei den Bösewichten nimmt die Obsession sogar fast schon pathologische Züge an.

    Mit den Kontrahenten-Porträts des starrköpfigen Franzosen Jacomo Morier („Marseille gehört mir!“) und des manischen Deutschen Max Klemp („Ich kann Schwäche nicht ausstehen!“), die sich zwanghaft gegenseitig die Dinge wegnehmen wollen, die dem anderen besonders viel bedeuten, werden in voller Breitseite Gangsterklischees abgefeuert. In den Darstellungen von Simon Abkarian („Casino Royale“) und Clemens Schick („Das finstere Tal“) fehlt allerdings der Funken Klaus-Kinski-Verrücktheit, der ihren zwischendurch recht amüsanten, aber zuweilen auch etwas ermüdenden Macho-Tiraden das gewisse Etwas geben würde. Auch Newcomer Freddie Thorp kann seinen Worthülsen-Kaskaden als unvernünftiger und dauerplappernder Part des brüderlichen Duos zwar kein echtes Leben einhauchen, spielt darüber aber zumindest beherzt hinweg. Und bei einer Nebenfigur wie dem Handlanger-Cousin Laurent darf gleich ein entschlossen nach vorne geschobenes Kinn als darstellerisches Mittel ausreichen. Das zum Erzählprinzip erhobene Doppelspiel, bei dem man nie so genau weiß, wer eigentlich gerade wen in die Pfanne haut, wurde an anderer Stelle ebenfalls schon deutlich eleganter eingefädelt. Und so bleibt „Overdrive“ alles in allem eine ziemlich mittelmäßige, wenn auch konsequent kurzweilige Angelegenheit mit nur wenigen echten Höhepunkten.

    Fazit: „Fast & Furious“ light – wer nach der Materialschlacht in „Fast & Furious 8“ noch immer Bock auf kostspielige Karossen und krachende Karambolagen hat, der kann sich „Overdrive“ ruhigen Gewissens als durchaus vergnügliche Dreingabe ansehen. Aber darüber hinaus entwickelt der Auto-Actioner kaum ein eigenes Profil.

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