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    Anton Corbijn Inside Out
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Anton Corbijn Inside Out
    Von Robert Cherkowski

    Durst ist nichts, Image ist alles. Bands und Solokünstler wie U2, Depeche Mode,Herbert Grönemeyer und Nick Cave mögen schon alleine durch ihre Musik Kultstatus erreicht haben. Ihr Image, durch das sie erst ihre volle popgeschichtliche Bedeutung erlangen, wurde allerdings auch wesentlich durch den Blick und die Bilder eines anderen geprägt. Der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn war es, der Bono und seine Jungs trotz Weltrettungsambitionen als coole, abgebrühte Rocker und später als erwachsene Ausnahmemusiker inszenierte. Herbert Grönemeyer wurde in Corbijns Präsentation zum melancholischen, fast vergrübelten Künstler. Der Stil des Regisseurs ist seriös, seinen Motiven verleiht er einen erdigen, fast intimen Glamour und eine erhabene Schwere. Das gilt auch für seine Spielfilme – mit „Control", der Kinobiografie des „Joy Division"-Barden Ian Curtis, und der düsteren Killer-Ballade „The American" hinterließ er erwartungsgemäß stilvolle Visitenkarten. Als Mitglied der Berlinale-Jury 2012 warf er sein Auge auf die Arbeiten anderer, in Klaartje Quirijnss' Dokumentation „Anton Corbijn Inside Out" steht er nun auch vor der Kamera im Mittelpunkt. Herausgekommen ist ein milde unterhaltsames, dabei aber auch furchtbar oberflächliches Portrait eines eitlen Mannes.

    Vier Jahre lang begleitete Quirijns den niederländischen Ausnahmefotografen. Der Dreh begann kurz nach der Fertigstellung von „Control" und endete 2011 mit den Pressefotos zu „Lulu", dem gemeinsamen Album von Lou Reed und Metallica. Quirijns ist dabei, wenn Corbijn mit Bono, Grönemeyer und George Clooney rumblödelt oder ein Konzert seiner aktuellen Lieblingsband Arcade Fire besucht. Wir werden Zeugen eines rastlosen Jetset-Lebens, wenn der Künstler von Filmsets zu Fotoshootings hetzt und von einer Preisverleihung zur nächsten. Quirijns Versuche, den introvertierten Ästheten Corbijn aus der Reserve zu locken und ihn zu ergründen, schlagen dabei allerdings weitgehend fehl. Zwar sind weder die Familienmitglieder, noch die Branchenfreunde Corbijns um Antworten auf Quirijns Fragen verlegen. Wie das unbekannte Wesen Anton C. wirklich tickt, bleibt jedoch weiterhin ein Mysterium.

    Kann ein Mann, der den größten Stars des Musikgeschäfts mit zu ihrem Image verholfen hat und der auch in seinen Filmen in kühl-kalkulierten Posen und Stimmungen schwelgt, vor einer fremden Kamera noch natürlich sein? Kann einer, dessen Brotjob und Steckenpferd eben gerade die Image-Inszenierung ist, seinen Stilwillen abstellen – ist dieser Mensch ohne den Kontext seiner Kunst überhaupt denkbar? Tatsächlich wirkt Corbijn hier, als wäre er das Motiv seiner eigenen Fotos: ein verwetterter, stiller Einzelgänger, der sein Fremdbild, also sein Image, genau unter Kontrolle haben will. Die reizvolle Reibung, die sich daraus ergeben könnte, dass ein solches Alpha-Tier vom Subjekt zum Objekt wird, macht Quirijns allerdings nicht zum Thema. Und so scheitert ihr Vorhaben, mehr als nur ein übliches Jubelportrait abzuliefern, auf ganzer Linie.

    „Anton Corbijn Inside Out" ist eine einzige Lobeshymne, kritische Distanz ist ebensowenig zu spüren wie analytische Durchdringung. Und so beginnen sich die zahlreichen Bilder vom smart dreinschauenden Corbijn schnell auf frappante Weise zu ähneln. Gelegentlich scheint es dabei sogar, als wolle Quirijns dem visuellen Stil des bewunderten Vorbilds nacheifern. Diese Versuche – besonders während des Arcade-Fire-Konzertes, das Corbijn als ruhenden Pol im Stroboskoplicht zeigt – wirken arg forciert und sind im Kontext eines Doku-Portraits wenig erhellend, da sie nur das Fehlen eines eigenen Standpunkts (außerhalb der Bewunderung) unterstreichen.

    Auf einem Waldspaziergang geht Corbijn das Interview so nahe, dass er das Gespräch plötzlich abbricht, der Kamera den Rücken kehrt und allein seines Weges geht. Was hier als große Einzelgänger-Geste daherkommt, funktioniert vielleicht bei einem Selbstdarstellungsprofi wie Bono. Bei Corbijn wirkt das Ganze ungelenk und aufgesetzt, während Quirijns die Pose wohl für ein emotionales Highlight gehalten und als Moment stilvoller Verweigerung in ihren Film eingebaut hat. Das eigentliche Problem von „Anton Corbijn Inside Out": Anton Corbijn ist schlichtweg nicht so interessant oder charismatisch wie die Stars vor seinen Linsen – auch wenn es für eingefleischte Fans sicher seinen Reiz hat, ihm über die Schulter zu schauen.

    Fazit: Wer ist Anton Corbijn? Diese Frage bleibt auch nach Klaartje Quirijns' „Anton Corbijn Inside Out" bestehen. Ihr Film erschöpft sich in einseitiger Bewunderung – das ist très chic, ganz sicher aber kein ergiebiges Doku-Kino.

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