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    Wir sind die Neuen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wir sind die Neuen
    Von Thomas Vorwerk

    Mit Gerhard-Polt-Mitstreiterin Gisela Schneeberger und Heiner Lauterbach in den Hauptrollen versucht Regisseur Ralf Westhoff an seinen quirligen Überraschungs-Hit „Shoppen“ von 2007 anzuknüpfen. Die Generations-Komödie „Wir sind die Neuen“ über Menschen im Rentenalter, die sich entgegen den gesellschaftlichen Erwartungen verhalten, stützt sich wie vergleichbare WG-Sitcoms (so zum Beispiel „The Big Bang Theory“) vor allem auf einen ausgefeilten und sehr gelungenen Dialogwitz, lässt aber wirkliches Kino-Feeling meist vermissen.

    Die etwa 60 Jahre alte Eulen-Expertin Anne (Gisela Schneeberger) kommt - auch aus finanziellen Beweggründen - auf die Idee, eine WG mit ihren Mitbewohnern aus der Studentenzeit zu gründen. Zumindest der Überzeugungs-Single Eddi (Heiner Lauterbach) und der erfolglose Jurist Johannes (Michael Wittenborn) lassen sich überreden. Im neuen Mietshaus treffen sie auf ein jüngeres WG-Trio aus der Wohnung darüber, das sie mit einer komplett anderen Lebensauffassung konfrontiert: Die Jura-Studierenden Katharina (Claudia Eisinger) und Thorsten (Patrick Güldenberg) wollen in der Examensphase nicht beim Lernen gestört werden und Barbara (Karoline Schuch) plant langfristig bereits ihr Glück mit dem Verlobten. Von politischen Überzeugungen, freier Liebe und anderen 68er-Idealen könnten die karrierefixierten Spielverderber kaum weiter entfernt sein, und so entspinnt sich ein Generationenkrieg mit umgedrehten Vorzeichen: Die Jungen beschweren sich, weil die Alten zu lange feiern oder zu laute Musik hören.

    Schon vor seiner zweiten Regiearbeit „Der letzte schöne Herbsttag“ arbeitete Autor und Regisseur Westhoff am Drehbuch zu seinem neuesten Film, und man merkt diese lange Entwicklungszeit dem Ergebnis - sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht - an. Die Dialoge und das Timing sitzen, die Dramaturgie entspricht dagegen den Regeln des Genres – vergleichbar mit einem ausgefeilten, immer wieder überarbeiteten Gesetzestext. Spontanität hat in dieser Perfektion keinen Platz, der „Versuchsaufbau“ ist minutiös geplant.

    Die „Alten“ werden mit jugendlichen Attributen versehen, sie tanzen, trinken oder spielen Frisbee, während die „Jungen“ sich für „traditionelle Werte“ einsetzen, ewig nicht mehr auf einer Demo waren und unter Rückenproblemen leiden. Ganz wie in einer Sitcom hat man ein fest umrissenes Ensemble, die üblichen WG-Konflikte („Wer hat meinen Joghurt gegessen?“) und ein schnell vertraut wirkendes Vokabular, das auf die besonderen Merkmale abgestimmt ist („Hört endlich auf mit diesem Pflegefall-Gesülze!“).

    Am stärksten setzt sich der Film von diesem Schema ab, wenn es um die Rauminszenierung geht. Statt der über Jahre hinweg kaum veränderten Bühnenbauten bei „The Big Bang Theory“ gibt man sich Mühe, über Regie und Kamera Treppenhäuser und Hinterhöfe zu erkunden, die Gespräche finden immer wieder an anderen Orten oder aus anderen Blickwinkeln statt. Weitere visuelle Elemente sind die Kostüme und die Ausstattung, deren beste Ideen aber leider noch im Gespräch erklärt werden müssen („Die fotografieren ihre Schuhe und kleben die Fotos auf die Schuhkartons....“). Die guten Schauspieler arbeiten sich an spaßigen Konfliktsituationen ab, dürfen aber zu selten glänzen (Lauterbachs „charmanter Blick“ oder Güldenbergs Rückenschmerzen). Nach und nach werden ihre Figuren in Alt/Jung-Pärchen aufgeteilt, bei denen man sich als Zuschauer bereits positiv überrascht zeigen muss, wenn Sexualprotz Eddi bei der liebeskranken Barbara nicht einfach nur seine Potenz beweist.

    Die Figuren bleiben dabei meist schematisch, sie lassen sich eigentlich allesamt mit zwei bis drei Worten zusammenfassen. Selbst die über den etwas altbackenen Voice-Over-Kommentar ins Zentrum gestellte Gisela Schneeberger wird durch ihre klausulierten Gedankengänge nicht fassbarer, sondern demonstriert nur die Ambitionen des Autors, „literarische“ Tiefe und quasi-philosophische Weisheit einzufangen. Doch Sätze wie „Bin ich langsamer geworden oder alles um mich herum schneller?“ wirken so statisch wie die ständig wiederholte Konflikt-Prämisse (wie viele Worte für „alt“ stehen wohl im Synonym-Lexikon?), die sich am Ende dann doch in Wohlgefallen und Harmonie auflöst, denn letztendlich unterscheiden sich die ergrauten Versager aus der „Armen-WG“ gar nicht so sehr von den „Hosenscheißern, die den Erfolg des Lebens in Euro messen“.

    Fazit: „Wir sind die Neuen“ ist ordentlich gemachte, etwas zu dialoglastige Unterhaltung, aber der Generationskonflikt wird hier nur als Stichwortgeber und Pointenlieferant genutzt. Wer ein tiefergehendes Interesse an dem Thema hat, sitzt im falschen Film.

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