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    Der Marsianer - Rettet Mark Watney
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Marsianer - Rettet Mark Watney
    Von Carsten Baumgardt

    Hollywood und Marsfilme - das ist seit mehreren Dekaden ein großes Missverständnis. Mit Ausnahme von Paul Verhoevens kultigem Mars-Reißer „Total Recall“ (1990) mit Arnold Schwarzenegger zu seiner Blütezeit als Box-Office-Hitlieferant floppte Projekt auf Projekt („Red Planet“, „Mission To Mars“, „John Carter“) an den Kinokassen. Der genreerfahrene Regie-Veteran Ridley Scott („Alien“, „Prometheus“) wagt sich nun trotzdem auf den roten Planeten, was sicher auch mit dem Erfolg von Alfonso Cuarons „Gravity“ und dem zurückkehrenden Interesse der Zuschauer an der Raumfahrt zusammenhängt. Scotts Verfilmung von Andy Weirs gleichnamigem Bestseller „Der Marsianer“ ist ein überraschend launiger Science-Fiction-Überlebensthriller, der von unglaublichen Spannungsmomenten lebt, aber immer mit einem für das Genre des Raumfahrtfilms ungewöhnlichen Augenzwinkern daher kommt.

    In der nahen Zukunft: Das Astronauten-Team der Ares-3-Mission um Kommandantin Lewis (Jessica Chastain) gerät gegen Ende ihres Forschungsauftrags auf dem Mars urplötzlich in einen verheerenden Sandsturm, der Pilot Martinez (Michael Pena) zum sofortigen Notstart veranlasst. Missionsbotaniker Mark Watney (Matt Damon) wird bei der völlig überstürzten Abreise in dem Chaos von einer umherfliegenden Antenne getroffen und durch die Luft geschleudert. Während seine Kollegen ihn für tot halten und zu ihrer mehr als einjährigen Rückreise zur Erde aufbrechen, überlebt Watney mit viel Glück. Nun ist er - abgeschnitten von jeglicher Kommunikation mit der Heimat - allein auf dem 15 Millionen Meilen entfernten Planeten. Erst in vier Jahren, mit der Ares-4-Mission, könnte man ihn wieder abholen. Doch seine Vorräte reichen nicht einmal annähernd. Watney muss improvisieren… Auf der Erde bekommt die NASA erst Wochen nach dem katastrophalen Mars-Vorfall überhaupt mit, dass Watney noch lebt. NASA-Direktor Teddy Sanders (Jeff Daniels) und Missionschef Venkat Kapoor (Chiwetel Ejofor) arbeiten fieberhaft an einem Rettungsplan – doch die Aussichten, Watney lebend vom Mars zu holen, sind verschwindend gering.

    Meisterregisseur Christopher Nolan machte jüngst in seinem Science-Fiction-Thriller „Interstellar“ (2014) einen weiten Bogen um den Kassengift-Planeten Mars und überzeugte mit seinem mitreißenden, philosophisch unterfütterten interstellaren Raumfahrt-Trip die Kinobesucher. Auch wenn Ridley Scott einen ganz anderen, weniger Fantasy-lastigen Ansatz verfolgt, sind die Ähnlichkeiten der beiden Weltraum-Großprojekte nicht von der Hand zu weisen, zumal mit Matt Damon („Bourne“-Reihe) und Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) gleich noch zwei Darsteller in beiden Filmen auftreten. Trotz vieler Gemeinsamkeiten stechen aber vor allem die Unterschiede ins Auge, was nicht nur an der Optik der Raumanzüge liegt, denen die Ausstatter eine auffällige Orangenote verpasst haben.

    Vor allem tonal grenzt sich Scott sehr stark ab. Geht es zunächst - dem Ernst der Lage angemessen – sehr seriös zu, ändert sich dies nach und nach, je mehr der gestrandete Mars-Kolonist Mark Watney als moderner Robinson Crusoe in den Mittelpunkt rückt. Denn dieser Botaniker ist ein echter Weltraum-MacGyver, der ganz schwer den Schalk im Nacken hat. Er ist ein Spaßvogel, der sich die Laune nur unwesentlich davon vermiesen lässt, dass er wahrscheinlich elendig auf dem Mars verrecken wird. Dieser Aspekt ist bereits in Andy Weirs Roman als zentraler Punkt angelegt, Scott behält ihn bei. Diese Leichtigkeit mag für das Genre des Raumfahrtfilms heutzutage ungewöhnlich sein, aber sie funktioniert, weil der Zuschauer direkt in Mark Watneys aussichtlos erscheinenden, aber abwechslungs- und einfallsreichen Überlebenskampf gesogen wird.

    Mehr Raum als noch in der Vorlage bekommt die Parallelgeschichte auf der Erde, die zwar nach den üblichen Genremustern aufgebaut ist, mit den knackigen Dialogen von „The Cabin In The Woods“-Regisseur Drew Goddard dabei aber auf die wesentlichen Punkte konzentriert bleibt. Jeff Daniels („The Newsroom“) spielt als skrupelloser NASA-Direktor souverän eine Art dezenten Bösewicht, der das Konto seiner Organisation über das Wohl eines einzelnen Menschen stellt, während Chiwetel Ejofor („12 Years A Slave“) als unermüdlicher Kämpfer für seine Astronauten die Guten anführt, zu denen sich auch Sean Bean („Der Herr der Ringe – Die Gefährten“) als Chefberater aufschwingt. Die sich auf der Rückreise befindliche Mars-Crew wird im weiteren Verlauf ebenfalls wieder bedeutend für die Handlung. Jessica Chastain führt diese Gruppe schauspielerisch an, Kate Mara („The Captive“) erhält noch einige Szenen als Computerexpertin auf dem Schiff, aber generell verläuft hier das meiste in bekannten Genregrenzen – bis hin zum super-nerdigen Computer-Geek Donald Glover („Community“), der auf der Erde an den richtigen Schrauben dreht.

    Weil bei „Der Marsianer“ sehr oft auf konventionelle Erzählmuster zurückgegriffen wird, kommt nie wirklich das Gefühl auf, dass etwas kolossal schiefgehen könnte. Trotzdem schafft es Ridley Scott durch seine dynamische Inszenierung, sein Publikum vor Spannung in die Kinositze zu drücken, so viele brenzlige Situationen zwischen Leben und Tod gibt es zu überstehen. Ohne Matt Damon wäre der ganze Film jedoch nutz- und wertlos. Der Schauspieler transportiert perfekt den (Galgen-)Humor, den Scott im Kern der Figur gefunden hat. Dazu hat der Regisseur die Anteile des Ein-Personen-Stücks im Vergleich zum Roman deutlich verkürzt und erspart dem Publikum seitenlange wissenschaftliche Kalkulationen und pedantische Abhandlungen über den Anbau von Kartoffeln. Ein Video-Tagebuch dient zudem als zusätzlicher Kniff, um das auf dem Papier trockene, in der Umsetzung aber sehr lebendige Ein-Personen-Szenario aufzubrechen. So bekommt Matt Damon die Möglichkeit, seine Monologe effektiv zu adressieren, ohne mit sich selbst reden zu müssen.

    Ridley Scott setzt bei seiner Bebilderung auf schwelgerisch-atmosphärische Mars-Panoramen, die die gesamte Unwirtlichkeit des roten Planeten einfangen und die Isolation Mark Watneys glaubhaft werden lassen. Die Inszenierung ist sorgfältig-solide, ohne jedoch an dem visionären Gestus eines Christopher Nolan in „Interstellar“ zu kratzen. Stilistisch legt Ridley Scott sein Werk vielmehr wie einen kernigen Katastrophenfilm der 70er Jahre an, was auch seine Vorteile hat. Auch wenn „Der Marsianer“ die große Vision von „Interstellar“ fehlt, so fühlt sich das Szenario durch den geerdeten Ansatz unglaublich realistisch an. Herausragend ist das Set-Design auf dem Mars, angefangen von dem High-Tech-Habitat bis zu dem Mars-Rover und der Ausstattung des Raumschiffs Hermes.

    Fazit: Ridley Scott gelingt mit seinem spaßigen Weltraum-Survivaldrama „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ ein höchst unterhaltsamer Science-Fiction-Film, der zwar durch seine Feel-Good-Leichtigkeit überrascht, aber trotzdem hochspannend ist.

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