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    The King's Daughter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    The King's Daughter

    Die Meerjungfrau aus dem Hollywood-Giftschrank

    Von Oliver Kube

    1997 veröffentlichte die Amerikanerin Vonda N. McIntyre ihren historisch-romantischen Fantasy-Roman „Das Lied von Mond und Sonne“. Die Kritiken waren hervorragend und das Buch wurde mit dem Nebula Award, dem wohl wichtigsten Preis im Bereich der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur ausgezeichnet – und zwar statt des im selben Jahr ebenfalls nominierten Romans „A Game Of Thrones“ von George R. R. Martin. Kein Wunder also, dass nahezu umgehend Pläne für eine Verfilmung gemacht wurden.

    Bereits 2001 war man kurz davor, in Produktion zu gehen – mit Natalie Portman in der Hauptrolle. Allerdings fiel die erste Klappe dann doch erst 13 Jahre später – mit „Maze Runner“-Star Kaya Scodelario, einem ordentlichen Budget von 40 Millionen Dollar sowie einem Drehbuch, das im Laufe der Jahre x-mal umgeschrieben worden war. Mitte April 2015 sollte der fertige Film in den USA anlaufen. Nur drei Wochen vor dem geplanten Start wurde dieser allerdings plötzlich annulliert. Angeblich mussten weitere Arbeiten an den Spezialeffekten durchgeführt werden. Ein neuer Starttermin wurde nicht bekannt gegeben und „The King‘s Daughter“ verschwand vorerst im sogenannten „Giftschrank“ der produzierenden Paramount Pictures.

    Erst 2020 fand sich mit dem Indie-Verleih Gravitas Ventures jemand, der bereit war, sich des Sorgenkinds anzunehmen. Nach noch einmal beträchtlichen kosmetischen Aufbereitungsarbeiten an den Spezialeffekten (wovon leider kaum etwas zu merken ist) sowie dem Schnitt (was hingegen stark auffällt) startete der Film von „Soul Surfer“-Regisseur Sean McNamara im Januar 2022 dann endlich in 2.170 US-amerikanischen Kinos. Trotz dieser beeindruckenden Präsenz spielte „The King’s Daughter“ am ersten Wochenende aber nicht einmal 750.000 Dollar ein – von einem massiven Flop zu reden, wäre da eine drastische Untertreibung. Nun ist freilich längst nicht jeder Titel, der am Box Office scheitert, automatisch schlecht. In diesem Fall aber gehen der finanzielle und der kreative Flop Hand in Hand.

    Zumindest Pierce Brosnan hat spürbar Laune an seinen Kostümen und der Rolle als größenwahnsinniger Sonnenkönig.

    Frankreichs mächtiger König Ludwig, der XIV. (Pierce Brosnan) will sich unsterblich machen – und zwar nicht nur im übertragenen Sinne. Trotz ernsthafter Bedenken des Priesters Pater La Chaise (William Hurt) beauftragt er seinen Leibarzt und Hofwissenschaftler Dr. Labarthe (Pablo Schreiber) damit, herauszufinden, wie dies zu bewerkstelligen sei. Es dauert nicht lange, da kommt der Doktor mit der Idee, der Herrscher möge während einer Sonnenfinsternis das Fleisch einer Meerjungfrau verzehren, um so ewiges Leben zu erhalten. Der König schickt daraufhin den mutigen Fischermann Yves de la Croix (Benjamin Walker) los, der prompt mit einem der seltenen Exemplare (Bingbing Fan) in seiner Gewalt zurückkehrt.

    Zugleich kommt die in einem abgelegenen Kloster aufgewachsene, mittlerweile volljährige illegitime Tochter Ludwigs, Marie-Josephe (Kaya Scodelario), als neue Hofkomponistin nach Versailles. Dort erfährt sie nicht nur endlich von der wahren Identität ihres Vaters, sondern verliebt sich auch in den schneidigen de la Croix. Als sie aber von der in einer unterirdischen Grotte gefangengehaltenen Meerjungfrau erfährt, setzt sie alles daran, um zu verhindern, dass ihr Vater ihre schnell liebgewonnene Freundin aufisst...

    Zumindest Pierce Brosnan hatte seinen Spaß

    Das größte (und vielleicht einzige) Plus von „The King‘s Daughter“ ist der Umstand, dass die Produktion die extrem selten erteilte Erlaubnis erhielt, satte zwei Wochen lang in und um den echten Palast von Versailles drehen zu dürfen. Die prunkvollen Säle und die gigantischen Gärten sehen in den sommerlichen Aufnahmen von Kameramann Conrad W. Hall („Panic Room“) geradezu glorreich aus. Wenn dann Pierce Brosnan mit seinen meist bis zum Bauchnabel geöffneten Rüschenhemden und den wehenden, langen Haaren durch die monumentalen Korridore oder über die riesige Terrasse schreitet, schaut er wie ein gealterter Rockstar aus. Offensichtlich genoss der Ex-James-Bond-Darsteller („GoldenEye“) seinen Auftritt als Sonnenkönig. Der Spaß an der Arroganz und der Allmacht der Figur kommt rüber – und in diesen leider viel zu seltenen Momenten fällt es leicht, das Ganze zu mögen.

    Ansonsten kommt der Film – die restlichen Aufnahmen wurden in Australien abgewickelt – visuell meist arg gekünstelt rüber. Dazu ist er sprunghaft und dennoch mit zähem Tempo erzählt. Die Unterwasserszenen mit Bingbing Fan („The 355“), die aufgrund von übertrieben verwendetem Weichzeichner und anderen amateurhaft eingesetzten digitalen Spielereien kaum zu erkennen ist, sind einfach nur mies und sehen furchtbar billig sowie gnadenlos kitschig aus. In dieselbe Kerbe schlägt der überzuckerte Score von Komponist Joseph Metcalfe („The Legend Of Sleeping Beauty - Dornröschen“), der dazu noch mit aufdringlichen Tralala-Popsongs von Vancouver Sleep Clinic, Sia und Gabrielle Aplin ergänzt wird. Da ist es nur konsequent, dem sich aufgrund des kolossalen Cringe-Faktors ohnehin schon in den Sesseln windenden Publikum obendrein noch ein grotesk schmalziges, mit schlechten CGI-Effekten vollgepacktes Finale vorzusetzen.

    "The King‘s Daughter" wurde tatsächlich an Originalschauplätzen im und vor dem realen Palast von Versailles gedreht.

    Kaya Scodelario wirkt als die schwach charakterisierte Titelheldin emotional oft geradezu verloren. Das Verhältnis zum Vater wird nie unterhalb der Oberfläche untersucht und in den attraktiven Seefahrer scheint sie sich nur zu vergucken, weil er der erste Mann ihres Alters ist, der ihr überhaupt ein wenig Beachtung schenkt. Ähnlich verhält es sich mit ihrer Zofe (Crystal Clarke), die sofort zu ihrer besten Freundin avanciert. Die in der Buchvorlage nicht vorhandene Rolle des Priesters, der offensichtlich so etwas wie der gute Engel auf der Schulter des Königs sein soll, wird von Oscar-Gewinner William Hurt („Der Kuss der Spinnenfrau“) adäquat ausgefüllt. Allerdings bleibt die Figur dabei ebenso eindimensional wie ihr von Pablo Schreiber („Criminal Squad“) verkörpertes „böses“ Pendant.

    Immer wieder hat man den Eindruck, dass da im Ablauf der Story irgendetwas fehlen müsse oder einzelne Szenen heraus- beziehungsweise abgeschnitten wurden. Was im Rahmen der „Rettungsarbeiten“ der neuen Rechteinhaber wohl auch der Fall gewesen sein dürfte. Die Jahre nach Drehschluss eingefügte, herzlich überflüssige Umrahmung der Handlung mit einer Erzählerinnenstimme (im englischsprachigen Original: Julie Andrews), die den Märchencharakter der Geschichte noch einmal unterstreichen soll (als ob die bloße Anwesenheit einer Meerjungfrau nicht ausreichen würde), hilft ebenfalls nicht dabei, den Handlungsablauf homogener zu gestalten.

    So ist „The King‘s Daughter“ ein einziges Wirrwarr mit willkürlich wirkenden Sprüngen, sowohl in der Geschichte als auch bei der Tonalität und der Thematik – irgendwo zwischen Vater-/Tochter-Drama, holpriger Liebesgeschichte, einem eher platten Fantasy- und Historien-Abenteuer sowie ein paar halbherzig eingestreuten, nicht zündenden Comedy-Einlagen. Es wäre wahrlich kein Verlust gewesen, wenn dieser – bis auf die visuelle Umsetzung der Szenen in und um Versailles – völlig verunglückte Versuch einer Adaption weiter in den Archiven Staub angesetzt hätte.

    Fazit: Ein in nahezu allen Belangen frontal an die Wand gefahrenes Historien- und Fantasy-Spektakel. Da können auch die sich zwar spürbar Mühe gebenden, letztlich aber aufgrund zahlreicher, eklatanter filmischer und erzählerischer Schwächen hilflosen Stars nichts retten.

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