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    Memory - Sein letzter Auftrag
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Memory - Sein letzter Auftrag

    Liam Neesons "Memento"

    Von Lutz Granert

    Liam Neeson hat kürzlich seinen 70. Geburtstag gefeiert. Ein Alter, in dem nur die wenigsten noch in der Gegend herumballern und kräftig mit den Fäusten austeilen (dürfen). Nicht so jedoch der Nordire, der seit der „96 Hours“-Filmreihe im Spätherbst seiner Karriere inzwischen auf ein spezifisches Rollenschema festgenagelt ist: Als wehrhafter Vigilant oder Verbrecher mit Herz (wie zuletzt in „Honest Thief“) forderte er seit nunmehr fast eineinhalb Jahrzehnten in mal mehr, mal weniger generischen, aber stets ganz auf ihn zugeschnittenen Action-Vehikeln auch abseits des Gesetzes brachial und tödlich Recht und Ordnung ein.

    Neesons Part in „Memory – Sein letzter Auftrag“ reiht sich zwar nahtlos in die Reihe dieser Filme ein, doch sind an dem Remake des belgischen Thrillers „Totgemacht – The Alzheimer Case“ um einen Profikiller mit Gedächtnislücken auch noch eine Reihe weiterer prominenter Namen beteiligt. So zeichnet Bond-Regisseur Martin Campbell („GoldenEye“ & „Casino Royale“) für die Inszenierung verantwortlich, während Neeson mit Guy Pearce („Bloodshot“) ein schauspielerisches Schwergewicht als Konterpart gegenübergestellt wird und Monica Belucci („James Bond 007: Spectre“) zudem als verführerische Kriminelle auftritt. Umso enttäuschender das Ergebnis: Über die wenigen Actionszenen hinaus, von denen nahezu alle schon im deutschen Trailer verbraten wurden, hat das in Bulgarien gedrehte Actiondrama nämlich kaum nennenswerte Schauwerte zu bieten.

    Wie man ein Maschinengewehr einsetzt, hat Alex Lewis (Liam Neeson) zum Glück noch nicht vergessen.

    Wie sein pflegebedürftiger Bruder hat inzwischen auch der gealterte Killer Alex Lewis (Liam Neeson) mit einer fortschreitenden Alzheimererkrankung zu kämpfen. Deswegen nimmt er von seinem Geschäftspartner Mauricio (Lee Boardman) einen letzten Auftrag für einen Doppelmord in seiner Heimatstadt El Paso, Texas an. Wo sich der Raubmord an einem Geschäftsmann noch als Routine erweist, zeigt Alex bei seinem zweiten Opfer Skrupel – und lässt seine Auftraggeber wissen, dass er die 13-jährige Beatriz (Mia Sanchez), die sich ohne Papiere in den USA aufhält, nicht töten könne.

    Kurze Zeit später wird die Teenagerin dennoch ermordet aufgefunden und der FBI-Agent Vincent Serra (Guy Pearce) und seine Taskforce gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern heften sich an Alex' Fersen. Schnell stellt sich dabei heraus, dass Lewis nur als Bauernopfer herhalten soll, damit die schmutzigen Geschäfte eines Kartells nicht auffliegen, bei dem die mächtige Immobilienmaklerin Davana Sealman (Monica Bellucci) eine wesentliche Rolle spielt...

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    Im Stile einer 007-Eröffnungssequenz spielt Martin Campbell in den ersten zehn Minuten von „Memory – Sein letzter Auftrag“ seine ganze Routine bei der Inszenierung von Actionszenen aus. Dabei werden die beiden ebenbürtigen und in der knallharten Konsequenz ihres Tuns auch ähnlichen Hauptcharaktere eingeführt. Alex Lewis erwürgt als unscheinbarer Pfleger im Krankenhauszimmer brutal einen dubiosen Besucher – um bei seiner Flucht damit zu hadern, wo er den Autoschlüssel deponiert hat. Und bei Vincent Serra geht ein Undercover-Einsatz gründlich schief, an dessen Ende der Tod von Beatriz' Vater zu beklagen ist. Beide Actionszenen leben von ihrem gelungenen, gänzlich unterschiedlichen Spannungsbogen: Alex schlägt unverhofft wie aus dem Nichts zu, bei Vincent schaukelt sich eine zunächst kontrollierte Situation durch eine Wendung bis zur totalen Eskalation immer weiter hoch. Beide Teile der Exposition erweisen sich als dramaturgisch gelungen.

    Doch dann schaltet Campbell mehr als nur einen Gang runter: Drehbuchautor Dario Scardapane („Marvel's The Punisher“) verlagert sich zunehmend auf den zähen Aufbau eines überkonstruierten Plots um Mittels- und Hintermänner, der vage ans Nachrichtengeschehen der letzten Jahre um spurlos verschwundene junge Mädchen in Mexiko andockt. „Memory – Sein letzter Auftrag“ verliert dadurch spürbar an Tempo. Weitere Actionsequenzen sind spärlich gesät – und einige von ihnen fallen (wie der im Trailer zu sehende Kopfschuss auf dem Laufband im Fitnessstudio) mit wenigen Sekunden Länge fast schon lächerlich kurz, dafür aber zumindest recht blutig aus.

    Die Haare-Schnurrbart-Kombination muss zur Charakterzeichnung von Spezialagent Vincent Serra (Guy Pearce) ausreichen.

    Wirklich hart gerät dabei eine Szene, wie sich Alex im Keller einer Bäckerei eine Schusswunde im Bauch ausbrennt – was in ihrer schmerzhaft-zeigefreudigen Vehemenz entfernt an die Hoden-Folterszene in „Casino Royale“ erinnert. Aus der beliebig bleibenden psychischen Konstitution der Hauptfigur machen Campbell und Scardapane abgesehen von wiederholten Filzstiftnotizen auf dem Unterarm aber zu wenig: Christopher Nolans Amnesie-Thriller „Memento“ (mit Guy Pearce in der Hauptrolle) war hier mit seiner Rückwärts-Häppchen-Erzählweise dramaturgisch wesentlich mutiger.

    Während sich der Auftritt von Monica Belucci darauf beschränkt, ohne nennenswerte Akzente im Swimmingpool einer luxuriösen Villa zu baden oder in exquisit eingerichteten Büros herumzusitzen, bemühen sich Liam Neeson und Guy Pearce trotz flacher Charakterzeichnung darum, gegen den Leerlauf im Skript anzuspielen. Darf Liam Neeson – auch zur Ehrenrettung einer schönen Unbekannten im Hotel – zunächst nur die Fäuste und den Finger am Abzug spielen lassen, verkörpert er im letzten Drittel mit Wortfindungsstörungen und zuckenden Mundwinkeln durchaus glaubhaft und mimisch überzeugend die zunehmende geistige Verwirrung seiner Figur. Guy Pearce hat einen noch undankbareren Part: Als stets rastloser Ermittler bleibt schlicht keine Zeit, seinem funktionalen Stereotypen Tiefgang zu verleihen. Daran kann auch seine optische Abgefucktheit (dünnes, fettiges Haar und Schnurrbart gepaart mit einer makellosen Kollektion karierter Hemden unter der Lederjacke) nichts ändern.

    Fazit: „Memory – Sein letzter Auftrag“ macht zu wenig aus seiner interessanten Plot-Prämisse, während Liam Neeson und Guy Pearce trotz Spielfreude einfach nicht gegen ihre flachen Charaktere ankommen. Ein insgesamt unnötiges US-Remake.

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