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    Professor Marston & The Wonder Women
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Professor Marston & The Wonder Women
    Von David Herger

    Die DC-Comicverfilmung „Wonder Woman“ war ganz anders als vorangegangene Versuche von Superheldinnen-Blockbustern wie „Catwoman“ oder „Elektra“ nicht nur ein echter Kritiker-, sondern auch ein Publikumshit mit weltweiten Einnahmen von 821 Millionen Dollar. Aber obwohl die lassoschwingende Powerfrau nicht allzu weit hinter ihren „Justice League“-Kollegen Batman und Superman zu den bekanntesten Comicfiguren überhaupt gehört, ist die ausgesprochen ungewöhnliche Entstehungsgeschichte von Wonder Woman den meisten Kinogängern und Comiclesern nicht geläufig. Doch nun sorgt Regisseurin Angela Robinson („Herbie Fully Loaded – Ein toller Käfer startet durch“) in ihrem Biopic „Professor Marston & The Wonder Women“ für Abhilfe. Sie erzählt vor allem von den zahlreichen Vorbildern und Ideen, die den Schöpfer der Figur inspiriert haben und profitiert dabei nicht nur von der außergewöhnlichen Geschichte selbst, sondern vor allem auch von ihren hervorragenden Hauptdarstellern: Luke Evans („Der Hobbit“-Trilogie), Rebecca Hall („BFG – Big Friendly Giant“) und Bella Heathcote („The Neon Demon“) spielen beherzt auf, füllen den historischen Stoff mit Leben und machen aus „Professor Marston“ trotz der etwas formelhaften Erzählweise und der zuweilen arg seichten Inszenierung ein sehenswertes Liebesdrama.

    1928: Dr. William Marston (Luke Evans) ist Professor an der Harvard-Universität, wo der Psychologe an der Entwicklung des Lügendetektors arbeitet. Bei seiner von zahlreichen Misserfolgen geplagten Arbeit kann er sich auf die tatkräftige Hilfe zweier Frauen verlassen: Neben seiner hochintelligenten und ehrgeizigen Ehefrau Elizabeth Marston (Rebecca Hall) steht ihm auch die engagierte Studentin Olive Byrne (Bella Heathcote) zur Seite, mit der sowohl er als auch Elizabeth eine heimliche Liebesbeziehung führen. Als Olive schwanger wird und ihre Dreiecksbeziehung auffliegt, verlieren William und Elizabeth ihre Anstellung in Harvard und ziehen gemeinsam mit Olive in einen New Yorker Vorort, wo sie gemeinsam ihre Kinder großziehen. Während Elizabeth ihr Dasein als Sekretärin fristet, findet William die Lösung für die familiäre Geldnot: Die von Elizabeth und Olive verkörperten feministischen Ideale, ihr Äußeres sowie die geteilte Vorliebe für Verkleidungsspielchen inspirieren William im Jahr 1941 zur Erschaffung der Comicfigur Wonder Woman. Die Hefte um die mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattete Amazone erweisen sich als voller Erfolg und verkaufen sich sogar noch besser als die Ausgaben mit dem Kollegen Superman beim gleichen Verlag. Doch zugleich sorgen die von vielen als anzüglich und gewaltverherrlichend wahrgenommenen „Wonder Woman“-Comics für einen Skandal, der schon bald Auswirkungen auf das private und berufliche Leben der drei Liebenden hat…

    Weder den Superman-Schöpfern Jerry Siegel und Joe Shuster noch den Batman-Erfindern Bob Kane und Bill Finger wurde bisher ein nennenswertes Biopic gewidmet – aber angesichts des seinerzeit für Kontroversen sorgenden Lebenswandels von Wonder Womans geistigem Vater William Moulton Marston ist es letztlich wenig verwunderlich, dass der Psychologe und feministische Theoretiker als erster der großen Superhelden-Comicautoren zum Protagonisten eines eigenen Spielfilms wird. Und tatsächlich jagt hier nach dem holprigen Start der Dreiecksbeziehung (Elizabeth droht Olive bei ihrer Anstellung als Assistentin noch damit, sie umzubringen, falls sie ihren Mann verführen werde) ein verrücktes Szenario das nächste: Elizabeth testet an ihrem Mann erstmals erfolgreich den Lügendetektor und muss dabei feststellen, dass er nicht nur sie, sondern auch Olive liebt. Nur wenig später gesteht Olive Elizabeth ihre Liebe zu ihr und ihrem Mann. Das Ganze gipfelt schließlich in einer (zugegebenermaßen reichlich schwülstigen) Sexszene hinter den Kulissen einer Theaterbühne, wo sich Olive ein antikes Gewand überwirft und William in die Uniform eines Soldaten schlüpft. Irrwitzige Sequenzen wie diese machen so viel Spaß, dass man gerne über die offensichtlichen künstlerischen Freiheiten hinwegsieht, die sich Regisseurin und Drehbuchautorin Robinson hier genommen hat (und über die Marstons Enkelin Christie Marston auf Twitter klagte).

    Während das lustvolle Ausschmücken den Unterhaltungswert der sowieso schon schillernden Biografie noch steigert, steht die aalglatte Allerweltsinszenierung des Films in deutlichem Kontrast zu den unkonventionellen Ideen der Figuren. Kameramann Bryce Fortner verpackt das drei Dekaden umspannende Geschehen in gleichmäßig hell ausgeleuchtete, weichgezeichnete Hochglanzbilder, die mitunter an Werbeclips erinnern, während Komponist Tom Howe mit seinen aufdringlich-gefühligen Klavierklängen offenbar auf Nummer sicher gehen will, dass auch wirklich jeder Zuschauer im tragischen Finale zum Taschentuch greift. Wettgemacht werden diese nicht unerheblichen Störfaktoren durch die einnehmenden Darbietungen der drei Hauptdarsteller. Luke Evans verleiht dem Professor genau den richtigen Mix aus Exzentrik und Intelligenz, doch seine beiden Kolleginnen, die ganz unterschiedliche Frauen und dabei jeweils wesentliche Charakterzüge von Wonder Woman verkörpern, stehlen ihm nach und nach die Show. Während Rebecca Hall als Elizabeth für die Stärke und das Durchsetzungsvermögen der Amazone steht, steckt in Bella Heathcotes Olive die Reinheit und Unschuld der idealistischen Superheldin. Selbst als die Studentin in einem zwielichtigen Kostümgeschäft in voller Wonder-Woman-Montur ins Licht tritt und sich anschließend von Elizabeth fesseln lässt, hat das etwas ganz Natürliches und wirkt nie voyeuristisch. Aus der vom erstaunten Marston scheu beobachteten Szene spricht vielmehr die pure Entdeckungs- und Experimentierfreude auf dem Weg zu echter Emanzipation.

    Fazit: Das sehenswerte Drama über die außergewöhnliche Entstehungsgeschichte der berühmten Superheldin Wonder Woman profitiert von den starken Darbietungen seiner drei Hauptdarsteller und einem Hauch feministischer Frauenpower.

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