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    Nomis - Die Nacht des Jägers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Nomis - Die Nacht des Jägers

    Der völlig misslungene "Prisoners"

    Von FILMSTARTS-Team

    Wenn man sich nach einer halben Stunde von „Nomis – Die Nacht des Jägers“ langsam sicher wird, dass der Thriller wirklich nichts taugt, steht statt der Täterfrage plötzlich ein ganz anderes Mysterium im Raum: Warum zum Teufel haben all diese Schauspielstars von DCEU-Superman Henry Cavill („Man Of Steel“, „Mission Impossible: Fallout“) bis hin zu Oscarpreisträger Ben Kingsley („Ghandi“, „Schindlers Liste“) hier bloß mitgemacht? Die zynische Antwort lautet dann ja meist schnell: wegen des Geldes natürlich! Aber in diesem speziellen Fall könnte man sich tatsächlich auch noch ehernere Motive vorstellen, denn das Skript von Regisseur und Autor David Raymond wirkt tatsächlich wie ein Mix aus ambivalent-abgründigen Thrillern wie „Prisoners“ oder „Sieben“ – und wer wäre da als Schauspieler nicht gern dabei? Aber am Ende ist der einst hochgehandelte Film nun doch eine totale Gurke, denn trotz eines tatsächlich überraschenden Twists ist „Nomis“ nie glaubhaft, nie spannend und die ethischen Dilemma der Protagonisten fordern den Zuschauer nicht heraus, sondern gehen einem aufgrund der verhunzten Dramaturgie mal ganz gepflegt am Allerwertesten vorbei.

    Aaron Marshall (Henry Cavill) ist ganz besessen davon, die Bösen einzulochen. Privat ist er deshalb auch eine ziemliche Niete und lebt von seiner Frau und seiner Tochter Faye (Emma Tremblay) getrennt. Aktuell arbeitet Marshall nicht ganz freiwillig mit Michael Cooper (Ben Kingsley), einem Ex-Richter auf Selbstjustiz-Feldzug, zusammen, um einen Serienentführer dingfest zu machen. Und tatsächlich: Sie fassen den vermeintlichen Frauenmörder Simon (Brendan Fletcher), einen zurückgebliebenen Grendel, der keine lauten Geräusche verträgt und in seinem Keller gleich mehrere Opfer in engen Verliesen gefangen hält. Auf der Polizeistation stellt die Psychologin Rachel (Alexandra Daddario) bei Simon eine schizophrene, kindliche Persönlichkeit fest. Aber noch während des Verhörs kommt es dort draußen zu weiteren Verbrechen, die die Handschrift des Serienverbrechers tragen. Und nicht nur das: Schon bald geraten auch Marshalls eigene Kollegen in das Visier des Täters, der doch eigentlich bereits inhaftiert in seiner Zelle hockt…

    Henry Cavill auf Mörderjagd.

    Zumindest in den ersten fünf Minuten, wenn wir den Vigilanten Cooper dabei begleiten, wie er mithilfe eines jungen Lockvogels Pädophile anlockt, um sie dann in schäbigen Hotelzimmern zwangskastrieren zu lassen, gibt es eine dichte Stimmung mitsamt sphärischem Synthesizer-Teppich, der zwar nicht gerade subtil, aber dafür atmosphärisch funktional ist. David Raymond scheint sein Regiedebüt als klassischen skandinavischen Düster-Thriller in einer Welt aus menschlicher und jahreszeitlicher Kälte anzulegen – nur in diesem Fall eben besetzt mit erstaunlich hochkarätigen Hollywood-Stars. Aber schon wenig später fängt man an, sich über die unglaubwürdigen Zufallsreihen und immer seltsamere Figurenentscheidungen zu wundern. Und ab dem Moment geht es dann tatsächlich nur noch in eine Richtung: nämlich rapide bergab…

    Die falschen Lektionen aus den richtigen Vorbildern

    „Nomis – Die Nacht des Jägers“ wäre dabei gern vieles: Elemente aus „Die üblichen Verdächtigen“, „Prisoners“, „Sieben“, „Violet & Daisy“, „Hard Candy“ und sogar eine Prise „Saw“ lassen sich in dem Thriller ausmachen. Dafür wird die Handlung aus etlichen Versatzstücken schamlos zusammengeraubt, um diese dann scheinbar wahllos aneinanderzufügen. Das Ergebnis ist ein konfuser Wulst aus Klischees. Als verbindendes Element fungiert hier nie Logik, sondern immer nur blanke Willkür. Die angestrebte Ambivalenz etwa in Bezug auf die Frage, ob man die Wahrheit aus einem geistig behinderten Täter notfalls auch herausprügeln darf, um auf diese Weise womöglich Menschenleben zu retten, stellt sich so jedenfalls nie ein. Plot und Protagonisten sind lange nicht glaubhaft genug, um sich als Zuschauer mit so einer Frage ernsthaft zu beschäftigen.

    Stattdessen sitzt man eher mit einem Stirnrunzeln da, weil man einfach nicht versteht, wie genau Marshall nun wieder die nächste Rätselnuss geknackt hat (und warum er auch Sekunden später noch immer durch irgendein schattiges Gebäude irrt). Allein durch den Online-Usernamen „Hunter71“ kommen die Ermittler etwa auf die Spur eines Bombenbauers: 1971 muss schließlich das Geburtsjahr sein, während der verwendete militärische Sprengstoff auf einen Soldaten hindeutet – und glücklicherweise gibt es von dieser Kategorie in den ganzen USA offenbar nur eine einzige Person. Von solchen Momenten gibt es in „Nomis“ viel zu viele. Im besten Falle sind solche Momente unfreiwillig komisch, etwa wenn Marshall und Cooper sich ausgerechnet in einer Schulbibliothek lautstark über pädophile Triebtäter unterhalten. Aber die meiste Zeit reibt man sich eher verwundert die Augen – und zwar nicht, weil der Plot auf irgendeine Weise komplex wäre, sondern weil er nicht nur jämmerlich schlecht, sondern auch noch völlig abgehetzt erzählt wird.

    Fazit: Ein stargespickter Thriller mit einer spannenden Prämisse, der an seiner unlogischen Story, seiner gehetzten Erzählung und seinen klischeehaften Figuren in kurzer Zeit völlig zerbricht. Auch die angestrebte Ambivalenz und Abgründigkeit bleiben bloße Behauptung – da kann der zentrale Twist noch so überraschend kommen.

    Eine Filmkritik von Martin Ramm, Jan Felix Wuttig, Dennis Meischen und Christoph Petersen

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