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    Klassentreffen 1.0 - Die unglaubliche Reise der Silberrücken
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Klassentreffen 1.0 - Die unglaubliche Reise der Silberrücken
    Von Antje Wessels

    In der NDR-Talkshow „Tietjen und Bommes“ gab der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Til Schweiger („Keinohrhasen“) kürzlich zu Protokoll, nicht nachtragend zu sein. Es sei immer wichtig, positiv in die Zukunft zu schauen, auch wenn mal etwas nicht ganz so gut funktioniert und man dafür entsprechend eine Schelle kassiert hat. Dass er dieses Lebensmotto auch auf seine Arbeit als Filmemacher bezieht, scheint allerdings fraglich. Schließlich versucht sich Schweiger die negative Presse schon seit Jahren vom Leib zu halten, indem er seine Filme lediglich von ihm ausgewählten Journalisten vorab in sogenannten „Family & Friends“-Screenings präsentiert (und wir wissen von mehreren Kollegen persönlich, dass sie, wenn ihnen der Film nicht gefällt, lieber gar nichts schreiben, um beim nächsten Mal nicht ausgeschlossen zu werden, weshalb sich hier alle Seiten nicht gerade mit Ruhm bekleckern). Die Klamauk-Komödie „Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken“ ist da nun keine Ausnahme – und wir sind wieder brav in die Ladies Night gedackelt.

    Neu ist hingegen die geradezu epische Dimension des Projekts: „Klassentreffen 1.0“ soll nämlich lediglich den Auftakt zu einer ganzen Trilogie darstellen. Die Filme zwei und drei sollen im Oktober 2019 und im September 2020 folgen. Im ersten Teil geht es - wie der Titel schon verrät - um ein Klassentreffen, das drei seit der Schulzeit befreundete Männer zum Anlass nehmen, noch mal ordentlich einen draufzumachen. Dabei geht es in „Klassentreffen 1.0“ nicht bloß ums Älterwerden, die damit einhergehenden Wehwehchen und verpasste Chancen. Sondern auch um das Glück, noch immer dieselben Freunde wie zu Schulzeiten zu haben. Dass die drei Hauptdarsteller auch im wahren Leben gute Kumpels sind, glaubt man nach den knapp 130 Filmminuten sofort. Aber die stimmige Chemie zwischen den Schauspielern wird hier konsequent verschwendet an schmerzhaft unlustige Sackhaar- und Schwulenwitze. Und wenn doch mal Gefühle aufkommen, macht der erneut als Co-Cutter fungierende Schweiger mit seinem hektisch-übermotivierten Schnitt und dem ähnlich aufdringlichen Soundtrack sofort wieder alles zunichte.

    Thomas (Til Schweiger), Nils (Samuel Finzi) und Andreas (Milan Peschel) haben sich seit der Schulzeit nicht aus den Augen verloren. Ihre Lebenswege sind dennoch alle sehr unterschiedlich verlaufen: Thomas ist selbst mit Ende vierzig noch der absolute Superstecher und ein berühmter DJ, möchte nun allerdings zum ersten Mal treu sein. Nils könnte mit seinen beiden Kindern und seiner Frau Jette (Katharina Schüttler) eigentlich glücklich sein, doch ihn plagen körperliche Wehwehchen und eine anklingende Midlife-Crisis. Andreas wiederum hat sich erst kürzlich von seiner großen Liebe scheiden lassen, nachdem diese mit ihrem gemeinsamen Therapeuten durchgebrannt ist. Als das 30-jährige Klassentreffen bevorsteht, wollen die drei Freunde das Wochenende nutzen, um zuvor noch ein paar Tage in einem Luxushotel auszuspannen. Dabei geht natürlich so ziemlich alles schief. Nicht zuletzt, weil die Männer auch Thomas‘ neue Stieftochter Lilli (Lilli Schweiger) an der Hacke haben, die ein strenges Auge darauf wirft, dass es das Trio nicht zu doll treibt…

    Nach nicht einmal zehn Minuten hält Nils seinen Teenager-Sohn dazu an, sich die Haare zu „entschwulisieren“, weil er sonst ja nie eine Freundin abbekommen würde. Beim Brötchenholen starren die geifernden Kumpels der blutjungen Verkäuferin auf ihren prallen, in Großaufnahme eingefangenen Hintern. Und beim gemeinsamen Training im Gym lässt sich Andreas zu dem zweifelhaften Anmachspruch hinreißen, ob sie denn lesen könne, denn in seiner Hose würde gerade „etwas stehen“. Wir wollen an dieser Stelle nicht päpstlicher sein als der Papst, aber die Selbstverständlichkeit, mit der hier im Jahr 2018 im Minutentakt pubertär-verächtliche Peinlichkeiten vorgetragen werden, ist dennoch erschreckend.

    Frauen erfüllen in „Klassentreffen 1.0“ lediglich den Zweck des naiven Dummchens, der sexy Bettgespielin oder der frommen Hausfrau. Wenn drei Männer gemeinsam in einer Sauna sitzen und noch ein vierter dazukommt, ist es natürlich unglaublich ulkig, dem Neuankömmling vorzugaukeln, alle im Raum seien schwul, um ihm so Angst einzujagen. Und fettleibige Menschen sind erst dann so richtig witzig, wenn man ihre Körper in Zeitlupe ins Kuchenbuffet krachen lässt. In „Klassentreffen 1.0“ bekommen zwar auch die sich permanent selbst bemitleidenden Protagonisten ihr Fett weg, doch die Drehbuchautoren Til Schweiger und Lo Malinke („Hot Dog“) machen immer wieder unmissverständlich klar, dass das alles ja nur halb so schlimm sei, denn so etwas wie Konsequenzen für ihr Verhalten hat keiner von ihnen zu befürchten. „Boys Will Be Boys“ eben – nur hat das hier nichts mit einem Gegenanschwimmen gegen den Zeitgeist zu tun, sondern ist es einfach nur dummdreist-dämlicher Klamauk.

    Dass sich Til Schweiger schon immer gern als unverwundbarer Frauenheld inszeniert hat, ist nichts Neues. Die Rollen der Tollpatsche, Normalos oder Taugenichtse überlässt er dagegen fast immer den Kollegen. In „Klassentreffen 1.0“ geht der Filmemacher nun sogar noch einen Schritt weiter: Sein immer potenter, nimmermüder Macho-DJ Thomas beschreibt sich nicht bloß selbst permanent als der attraktivste unter den drei Freunden, er hat auch als einziger keine nennenswerten Beziehungsprobleme. Seine Charakterentwicklung vom dauergeilen Rammler zum treuen Monogamisten vollzieht sich noch vor der Abfahrt in Richtung Klassentreffen. Zudem ist er reich und hat auch wirklich in jeder noch so kleinen Szene immer den rettenden Einfall parat, um seinen Freunden zu helfen – und sei es nur am Türsteher der Disco vorbei.

    Den Figuren von Samuel Finzi („Kokowähh 2“) und Milan Peschel („Der Nanny“) hingegen gesteht das Skript wenigstens Fehler zu, auch wenn sich diese vorwiegend auf körperliche Gebrechen und jede Menge Selbstmitleid beschränken. Leider versäumen es die Autoren dabei völlig, aus den angedeuteten Beziehungs- und Lebensproblemen irgendeinen erzählerischen Mehrwert herauszuholen. Die Konflikte existieren allein deshalb, weil die Hauptfiguren sie zwischendurch immer mal wieder erwähnen. Und in den letzten Minuten haben sie sich alle wie von Geisterhand (oder weil sich Nils eine sinneserweiternde Droge reingepfiffen hat) einfach wieder in Luft aufgelöst.

    „Klassentreffen 1.0“ ist letztlich eine einzige Aneinanderreihung von Slapstick-Szenen: Mal rutschen Samuel Finzi – in Großaufnahme - die gerade erst enthaarten Hoden zwischen die Sauna-Sitzbank. Ein anderes Mal mutiert Ralf Möller, einer von wieder zahllosen Gaststars, zum Arnold-Schwarzenegger-Verschnitt und zerlegt mit einem feschen „Hasta La Vista, Baby!“ das Auto von Nils. Zwischen den dreisten Produktplatzierungen für Autohersteller und Elektrohändler versucht sich tatsächlich immer mal wieder ein klein wenig erzählerische Substanz in den Film zu mogeln. Doch all diese emotionalen Ansätze verpuffen im Nichts, etwa wenn die Kumpels ein paar Sätze über bereits verstorbene Freunde austauschen, die dieses Klassentreffen leider nicht mehr miterleben können, nur um dann lieber mit Heliumballons herumzualbern. Dass sich ausgerechnet Til Schweigers Tochter Lilli („Die Pfotenbande“) in ihrer ersten großen Kinohauptrolle als größter Pluspunkt des Films erweist, hat ebenfalls nichts mit ihrer Rolle als unausstehliche Luxusgöre zu tun, sondern ganz einfach damit, dass sie sich als souveräne Schauspielerin erweist.

    Fazit: „Klassentreffen 1.0“ ist eine Ansammlung von platten Witzen über Sackhaare und Hämorrhoiden, herablassenden Gags über Frauen, Schwule und Fettleibige sowie schlecht getimtem Haudrauf-Slapstick – und schon nächstes Jahr kommt dann der zweite Teil.

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