Mein Konto
    Luzifer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Luzifer

    Im Dialog mit dem Teufel

    Von Teresa Vena

    Bisher ist Peter Brunner als mutige Stimme der jungen österreichischen Filmemacher*innen-Generation aufgefallen. In seinen Werken wie „Jeder der fällt hat Flügel“ oder „To The Night“ verarbeitet er körperliche wie seelische Krankheiten, immer wieder auch den Umgang mit dem Tod. Oft geht es um verdrängt geglaubte Traumata, die sich ihren Wege unaufhaltsam zurück ins Leben der Menschen bahnen und für abrupte Ausbrüche sorgen. In seinem mittlerweile vierten Spielfilm „Luzifer“ kommen die genannten Motive erneut zusammen. Zusätzlich nimmt aber diesmal auch die Natur eine wichtige Rolle ein – Glauben und Aberglauben dienen als Rahmen für eine düstere Erzählung, für die sich Brunner von einer wahren Geschichte inspirieren ließ.

    Als Produzent ist diesmal Berufsprovokateur Ulrich Seidl („Hundstage“) mit an Bord – und der hat seit den filmischen Erfolgen seiner Ehefrau Veronika Franz mit „Ich seh, ich seh“ und „The Lodge“ offenbar seine Vorliebe fürs Horrorhafte und Übersinnliche entdeckt. In eine ähnliche Richtung wie jetzt „Luzifer“ ging schließlich auch schon das ebenfalls von Seidl produzierte Elfriede-Jelinek-mit-Zombies-Experiment „Die Kinder der Toten“ von Kelly Copper und Pavol Liska. Doch mit dessen Originalität kann „Luzifer“ nicht mithalten. Vor allem fehlt hier jegliches ironisches Element, das der doch reichlich grotesken Geschichte noch eine zweite, womöglich etwas zugänglichere Ebene verliehen hätte.

    Ein gespanntes Verhältnis: Mutter Maria (Susanne Jensen) und Sohn Johannes (Franz Rogowski).

    Mit seiner Mutter Maria (Susanne Jensen) haust Johannes (Franz Rogowski) in einer bescheidenen Berghütte. Die beiden haben einen Weg gefunden, weitgehend autark zu leben und den Kontakt mit der Zivilisation auf ein Minimum zu reduzieren. Da oben gibt es nur einen entfernten Nachbar und eine Veterinärin (Monika Hinterhuber), die sie regelmäßig besucht. Ansonsten haben die beiden nur sich und ihre Tiere. Johannes' bester Freund ist der Adler Arthur, dem seine Stottern und seine verminderte Intelligenz gleichgültig sind.

    Zu den Ritualen zwischen Mutter und Sohn gehört auch das Beten. Nach einer Vergangenheit mit Alkohol- und Drogenmissbrauch fand Maria durch Johannes' Vater zum Glauben. Seit dem brutalen Tod des Mannes hat ihre religiöse Inbrunst jedoch fanatische Ausmaße angenommen, die sie in einen strengen Verhaltensregelkatalog übersetzt und ungefiltert auch ihrem Sohn auferlegt. Als die beiden per Drohnenpost den Bescheid erhalten, dass der Wald um ihr Haus gerodet werden soll und sie das Gebiet verlassen müssen, macht Maria den Teufel für ihre Lage verantwortlich. Und der lässt sich nur wahren Glauben und Opferbereitschaft wieder vertreiben…

    Der Teufel kommt dich holen

    Die Erzähltradition der Menschheit ist auch abseits von Ödipus voll von Töchtern und Söhnen, die ihre Mutter oder ihren Vater getötet haben. Auch Peter Brunner scheint eine gewisse Faszination für dieses Thema zu hegen, schließlich ist „Luzifer“ nach „Mein blindes Herz“ von 2013 bereits der zweite Film, der in diese Kerbe schlägt. Mehr noch als ihr eigener Sohn wird Maria aber vor allem die Absurdität ihres eigenen Glaubens zum Verhängnis. In gewisser Weise ist es, wie sie immer befürchtet hat, dann doch der Teufel, der sie heimholt.

    Die in der Abgeschiedenheit besonders missbrauchsanfällige Beziehung von Mutter und Sohn ist das Herzstück des Films. Die Beschreibung des religiösen Wahns fällt darüber hinaus allerdings eher flach aus. Das Drehbuch hat Lücken, die mit einer eher konventionellen, effekthascherischen Bildsprache überspielt werden. Die düstere Stimmung erzielt in Teilen ihre suggestive Wirkung, hält aber die Spannung nicht konsequent. In seiner Handkamera-Ästhetik fängt der Film zwar einige verstörend-krude Szenen ein, die allerdings zu isoliert stehen, um als gelungenes Stilmittel zu überzeugen.

    Adler Arthur mausert sich zum heimlichen Star des Films.

    Ein Highlight ist hingegen die Besetzung: Susanne Jensen und Franz Rogowski („Undine“) scheinen mit ihren Rollen regelrecht zu verschmelzen. Jensen ist Künstlerin, Autorin und Pastorin. Sie war als Jugendliche selbst Opfer von sexuellem Missbrauch, den sie in ihren Werken aufzuarbeiten versucht. Eine ähnliche therapeutische Funktion könnte sicherlich auch die Verkörperung der Maria in „Luzifer“ einnehmen. Genauso wie Rogowski als ihr Gegenpart entwickelt sie eine fast gespenstig-intensive körperliche Präsenz. Rogowskis Interpretation des Kaspar-Hauser-Syndroms wirkt weitgehend überzeugend, wenn auch stellenweise etwas übertrieben. Besonders eindrücklich ist aber das Zusammenspiel mit dem Adler erreicht, der so zu einem nahezu gleichwertigen Charakter in der Geschichte wird.

    Etwas plakativ, wenn auch plastisch und einprägsam setzt Berger die Natur in Szene, die der Geschichte nicht nur einen spektakulären Rahmen bietet, sondern diese auch symbolisch auflädt. Gedreht wurde in Tirol, umgeben von Bergen, die nicht nur in den Figuren, sondern auch im Publikum ein Gefühl der Ehrfurcht wecken.

    Fazit: Peter Brunner liefert eine Mischung aus Ökothriller, Familiendrama und Religionswahnstudie mit eine Reihe für sich stehender suggestiver Szenen. Der Gesamteindruck wäre allerdings überzeugender ausgefallen, wenn er das Drehbuch nicht so überfrachtet hätte. Im Gedächtnis bleibt so vor allem die eindringliche Leistung von Susanne Jensen und Franz Rogowski – sowie die Auftritte von Adler Arthur.

    Wir haben „Luzifer“ beim Filmfestival in Locarno gesehen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top