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    The Outsiders - The Complete Novel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    The Outsiders - The Complete Novel

    Gold bleibt Gold

    Von Karin Jirsak

    Stay gold, Ponyboy.“ Wer diese Worte einmal gelesen oder gehört hat, wird sie vermutlich nicht mehr vergessen. Sie stammen aus S. E. Hintons Jugendbuchklassiker „The Outsiders“ und gehen auf das Gedicht „Nothing Gold Can Stay“ (1923) von Robert Frost zurück. Darin heißt es, dass alles Schöne, Reine und Unschuldige immer nur von kurzer Dauer sein könne. Für den Zauber von „The Outsiders“ trifft das nicht zu. Nicht für den Roman, der seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1967 Generation um Generation von Teenagern zum Schwärmen und Weinen brachte – und auch nicht für die Adaption von Francis Ford Coppola, die im Jahr 1983 im Kino zu erleben war.

    So richtig großartig wurde der Film allerdings erst 2005, als die Kinofassung um 22 (sehr wichtige!) Minuten erweitert und mit einem neuen (viel besseren!) Soundtrack als „The Outsiders – The Complete Novel“ neu veröffentlich wurde. Gut 15 Jahre später kommt der Film nun in einer aufwändig bearbeiteten 4K-Fassung nochmals in die Kinos – und ja, das Ergebnis ist die Kinokarte absolut wert. Denn für solche Sonnenuntergänge wurde sie gemacht, die große Leinwand.

    » In diesen Kinos läuft "The Outsiders – The Complete Novel" am 2. November 2021 in 4K!

    Als er eines Nachmittags vom Kino nach Hause geht, wird der 14-jährige „Greaser“ Ponyboy Curtis (C. Thomas Howell) von einer Horde „Socs“ überfallen und verprügelt. Nichts Ungewöhnliches in seiner Gegend: Ständig kommt es zwischen den beiden Gangs, den wohlhabenden Socs (u. a. Leif Garrett, Darren Dalton) aus dem südlichen Teil und den Greasers aus dem sozial schwachen Norden der Stadt Tulsa zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Doch diesmal setzt der Zusammenstoß eine Kette fataler Ereignisse in Gang, die in der folgenden Nacht in einer Bluttat gipfeln werden...

    Tom Cruise, Patrick Swayze, C. Thomas Howell, Rob Lowe und Emilio Estevez - mehr spätere Superstars waren wohl noch nie in einer Szene zu sehen!

    Susan Eloise Hinton war erst 19 Jahre alt, als ihr erster Roman, „The Outsiders“ veröffentlicht wurde. In den darauffolgenden Jahren wurde sie der lesenden Welt als „S. E. Hinton“ bekannt. Ihr Verleger bestand auf die Abkürzung, weil er der Meinung war, dass potenzielle Käufer einem Mädchen wohl nicht zutrauen würden, die Lebenswelt junger Männer so gut zu verstehen, wie es eben bei Susan der Fall war. Sie verstand die Welt, über die sie in „The Outsiders“ schreibt, so gut, weil sie ein Teil von ihr war. Sie war 15, als sie mit dem Manuskript begann und lebte in Tulsa, Oklahoma, der Stadt, in der auch ihre gleichaltrigen Helden leben.

    Susan war ein Mädchen, das am liebsten mit den Jungs rumhing und Football spielte, ein „Tomboy“, wie sie mal in einem Interview sagte. Ihre Freunde waren „Greasers“, soziale Außenseiter aus prekären Verhältnissen mit viel Pomade im Haar. Als einer von ihnen nach einem Kinobesuch von den rivalisierenden Socs verprügelt wurde, wollte Susan eigentlich keinen Kultroman schreiben, sondern nur ihrer Wut Luft machen. Der Wut über die sinnlose Gewalt, die unüberwindbaren Grenzen zwischen Arm und Reich. Greaser bleibt Greaser, Soc bleibt Soc. Oder könnte es auch anders sein?

    Kinoikone Ponyboy

    Mit der Figur Ponyboy Curtis schuf Hinton einen Grenzgänger, einen Greaser, dem es mit seiner reflektierten und sensiblen Art gelingt, beide Welten kennenzulernen und festzustellen, dass Greasers und Socs eigentlich gar nicht so verschieden sind, wie sie selbst glauben. Und so ist „The Outsiders“ ein Jugendbuch mit einer sehr erwachsenen Botschaft, die sich vor allem an die männlichen Stürmer und Dränger richtet: Klärt eure Probleme nicht mit Gewalt, redet miteinander und versucht euch zu verstehen. Auch aufgrund dieser Moral avancierte die Coming-of-Age-Gangsterballade vor allem in den USA zu einer der im Schulunterricht meistgelesenen Lektüren – was Generationen von Teenagern nicht daran hinderte, sich mit Ponyboy, Sodapop und Co. zu identifizieren und/oder sich in einen oder mehrere dieser American Lost Boys zu verlieben.

    Deren Fanbase vergrößerte sich weiter, als sich Anfang der 80er kein Geringerer als Francis Ford Coppola des Stoffes annahm. Kongenial übersetzte er die emotionsgeladene Geschichte und ihre glasklaren Motive für die große Leinwand und wählte exakt die Worte und Bilder, die es brauchte, um die Welt der Greasers und Socs auf ikonische Weise zum Leben zu erwecken. Die Polarität von Schuld und Unschuld übersetzte Kameralegende Stephen Burum in ein meisterhaftes Spiel aus goldschimmerndem Licht und unheilverheißenden Schatten. Die dunkelsten umfloren stets das zarte Antlitz des gesichtsjüngsten Greasers, Johnny Cade, aus dessen Mund die unvergesslichen Worte stammen: „Stay gold, Ponyboy...“

    Ralph Macchio kann nicht nur Karate, sondern hat auch ein starkes Pokerface.

    Sahnehäubchen war damals (und ist mit dem heutigen Filmwissen erst recht) die Besetzung: Neben Ralph Macchio („Karate Kid“) als Johnny Cade und C. Thomas Howell als Ponyboy Curtis sehen wir spätere Stars wie Patrick Swayze („Dirty Dancing“), Tom Cruise („Top Gun“), Emilio Estevez („The Breakfast Club“), Rob Lowe („St. Elmo’s Fire“), Matt Dillon („Verrückt nach Mary“) und Diane Lane („Untreu“), die Coppola als „Wunderkind“ bezeichnete und wenig später neben Dillon auch in seiner Verfilmung von Hintons drittem Roman „Rumble Fish“ besetzte.

    Die Nostalgie, die beim Anblick dieser schönen, jungen Gesichter aufkommt, vermischt sich hier mit den großen Themen und Gefühlen, verhandelt mit dem heiligen Ernst der Jugend, zu einem langgezogenen inneren Seufzen, das man als gewöhnlicher Kinogänger zum Glück auch einfach genießen darf, anstatt den Machern dieser wunderschönen Sentimentalitätsorgie Kitsch und mangelnden Realismus vorzuwerfen, wie es Kritiker*innen bei diesem Coppola so gern zu tun pflegten. So nannte etwa Vincent Canby den Film damals in der New York Times „ein goldüberglänztes Melodram um Akne und Angst“ – dabei ist im ganzen Film nicht ein einziger Pickel zu sehen!

    Elvis lebt

    Wie auch immer, wir können nur darüber spekulieren, ob die verlängerte Version „The Outsiders – The Complete Novel“ bei Canby und seinesgleichen vielleicht ein wenig mehr Anklang gefunden hätte als die originale Kinoversion von ´83. Denn tatsächlich ist vor allem die Musik der ersten Fassung nicht über den Kitschvorwurf erhaben, wie der Regisseur sogar selbst einräumt – und das, obwohl sie von seinem eigenen Vater komponiert wurde: „Sie war gut, nur fand ich sie etwas zu schnulzig, aber es war mein Vater!“

    Die Entscheidung ist also nachvollziehbar. Aber dann starb Carmine Coppola, der u.a. auch Kompositionen für „Der Pate I-III“ und „Apocalypse Now“ beigesteuert hatte, im Jahr 1991. Und so musste Francis Ford Coppola, der für seine um 22 Minuten längere Version, die er 2005 mit dem Untertitel „The Complete Novel“ ins Kino bringen wollte, natürlich auch neues Soundmaterial. So wurde der ursprüngliche Score größtenteils durch die Musik ersetzt, die im Roman von den Greasers geliebt wird, und das ist vor allem Elvis. Dessen frühe Werke erfrischen den Film mit einer mächtigen Brise Rock’n’Roll-Drive, während die Lyrics die Handlung auf der musikalischen Parallelebene sinnvoll ergänzen. All hail to the King!

    Nochmals gut 15 Jahre später hat „The Complete Novel“ nun einen weiteren großen Auftritt, diesmal in 4K-Auflösung. Bild und Ton wurden für diese finale Version mit Hyperperfektionismus überarbeitet und erstrahlen nun in neuem Glanz, der in Wahrheit ein alter Glanz ist: Mit akribischer Archivarbeit und neuesten Technologien wurde es möglich, alle auf den Originalnegativen aufgezeichneten Informationen wiederherzustellen. Das Ergebnis ist also nicht nur eine technische Modernisierung, sondern vor allem eine perfekte Restaurationsarbeit, die den Nostalgiefaktor auf das Maximum verstärkt. Haaach...

    Fazit: Gold bleibt Gold, und in dieser aufwändig restaurierten Fassung glänzt es umso mehr. Francis Ford Coppola, der große Archivar, ließ den Zauber der Originalaufnahmen vollumfänglich freilegen und bannte ihn in dieser endgültigen Version für die Ewigkeit. Brillant!

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