Flight Risk
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,0
solide
Flight Risk

Mel Gibson meldet sich auf dem Regiestuhl zurück!

Von Oliver Kube

Nachdem er zwischenzeitlich wegen rassistischen, antisemitischen und misogynen Ausfällen nur noch schwer im Hollywoodgeschäft Fuß fassen konnte, ist es dem zweifachen Oscargewinner Mel Gibson inzwischen gelungen, sich die Gunst von Publikum und Investoren ein Stück weit zurückzuerobern. Bei der Frage nach seiner sechsten Kino-Regiearbeit nach „Der Mann ohne Gesicht“, „Braveheart“, „Die Passion Christi“, „Apocalypto“ und „Hacksaw Ridge“ wurden dabei in den letzten Jahren vor allem zwei Titel diskutiert: „Lethal Weapon 5“ und „Die Passion Christi 2“. Statt eines Blockbuster-Sequels ist es nun aber erst mal ein bescheideneres Projekt geworden, was man schon daran erkennt, dass Mel Gibson während der US-Pressetour zu „Flight Risk“ vor allem zum Stand seiner anderen Projekte befragt wurde.

Tatsächlich hat Gibson die Arbeit an seinem mit erfreulich viel schwarzem Humor angereicherten Action-Thriller innerhalb weniger Wochen mit geringem Personal vor und hinter der Kamera erledigt, weshalb leicht der Eindruck entstehen könnte, es handele sich um eine spontan eingeschobene Fingerübung in einer Filmografie, die ansonsten überwiegend aus Mammut-Werken besteht. Aber selbst wenn diese Sichtweise sicherlich nicht komplett von der Hand zu weisen ist, wird „Flight Risk“ trotz Schwächen nie langweilig und macht durchaus Laune. Besonders Fans von Mark Wahlberg dürften ihren Spaß haben, immerhin zeigt sich der Superstar hier nicht nur erstmals mit Halbglatze, sondern spielt darüber hinaus auch eine für ihn sehr ungewöhnliche Rolle.

So wie in „Flight Risk“ haben wir Mark Wahlberg noch nie gesehen – und das gilt auch für seine Frisur, sobald er sein Cap absetzt. Tobis Film
So wie in „Flight Risk“ haben wir Mark Wahlberg noch nie gesehen – und das gilt auch für seine Frisur, sobald er sein Cap absetzt.

U.S. Marshal Madelyn Harris (Michelle Dockery) ist in den nahezu menschenleeren Weiten Alaskas unterwegs, um den flüchtigen Mafia-Buchhalter Winston (Topher Grace) einzusammeln und zurück nach New York City zu bringen. Dort soll er als Kronzeuge gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber aussagen. Der furchtbar nervöse Winston war in dem eiskalten Bundesstaat untergetaucht, da er befürchtete, von den Schergen des Dons ermordet zu werden.

Nachdem die eigentlich vorgesehene Pilotin kurzfristig ausgefallen ist, bietet sich ein Mann namens Daryl Booth (Mark Wahlberg) an, mit seinem propellergetriebenen Frachtflugzeug vom Typ Cessna 208B einzuspringen. Weil der Gerichtstermin unerbittlich näher rückt und ihre Vorgesetzten Druck machen, stimmt Harris widerwillig zu. Das Trio ist noch nicht lange in der Luft, da bereut sie diese Entscheidung jedoch bitter: Denn Daryl ist nicht nur eine ebenso unermüdliche Quasselstrippe wie Winston, er ist auch nicht der, für den er sich ausgegeben hat …

Auf engstem Raum

Mehr als 90 Prozent der Laufzeit befinden sich die drei Hauptfiguren in der Luft in einem engen, klapprigen Flugzeug. Sie können nirgendwohin und jede unbedachte oder falsche Aktion würde ihren sicheren Tod bedeuten. Das Publikum ist dabei durchgehend mit ihnen an Bord. Denn alles, was parallel am Zielort des Fluges sowie in New York City passiert, bekommen auch wir nur indirekt durch die Gespräche mit, die Marshal Harris mit einem nicht gerade zuverlässig funktionierenden Satellitentelefon führt.

Der Spaß an der sehr komprimierten Produktion ist allen drei Stars jederzeit anzumerken: Speziell Gibson-Kumpel Wahlberg, der in der Slapstick-Comedy „Daddy‘s Home 2“ noch den Sohn des Regisseurs verkörperte, genießt es sichtlich, mal eine moralisch deutlich ambivalentere Rolle zu spielen. Einen echten Bösewicht durfte er doch bisher nur in „Fear - Wenn Liebe Angst macht“ geben, und das war ganz am Anfang seiner Schauspielkarriere, nämlich 1996, als er noch vornehmlich als Unterhosenmodel, Tänzer und Rapper bekannt war.

Madelyn Harris (Michelle Dockery) bereut es bitterlich, ausgerechnet zu diesem Piloten ins Flugzeug gestiegen zu sein. Tobis Film
Madelyn Harris (Michelle Dockery) bereut es bitterlich, ausgerechnet zu diesem Piloten ins Flugzeug gestiegen zu sein.

Dank des launigen Auftretens von Mark Wahlberg und Topher Grace („Die wilden Siebziger“) bleibt das Ganze bis zum Ende kurzweilig. Nur „Downton Abbey“-Star Michelle Dockery hat mit ihrer Figur etwas Pech. Ihr U.S. Marshal mag zwar als Identifikationsfigur für die Zuschauer*innen dienen, bleibt aber größtenteils passiv. Die Gesetzeshüterin kann und muss immer nur auf die Probleme reagieren, die ihr die beiden Herren neben beziehungsweise hinter ihr im Flieger einbrocken. Das ist ein wenig undankbar, denn so bleibt ihre Figur im Vergleich ziemlich blass.

Visuell ist „Flight Risk“, dessen doppeldeutiger Wortspiel-Titel sich als „Flugrisiko“ und als „Fluchtrisiko“ übersetzen lässt, ebenfalls überzeugend. Ähnlich wie der im vergangenen Jahr nahezu ausschließlich in einem Taxi spielende „Daddio“ wurde auch „Flight Risk“ fast komplett in einem mit gigantischen LED-Bildschirmen ausgestatteten Studio gedreht. So spart man sich die Greenscreens und kann die gewünschten Hintergründe live projizieren. Das Ergebnis ist tatsächlich täuschend echt, sodass man tatsächlich den Eindruck gewinnt, die ganze Zeit die wunderschöne, aber eben auch sehr raue und gefährliche Alaskakette zu überfliegen.

Eher ein Twist zu viel als zu wenig

Kurz vor dem Ende gibt es dann doch noch ein großes Action-Setpiece. Trotz kompetenter Umsetzung wirkt dies nach den klaustrophobischen 80 Minuten zuvor aber irgendwie fehl am Platze und wie aus einem anderen Film entlehnt. Ansonsten haben Gibson, sein Drehbuchautor Jared Rosenberg („Money For Nothing: Inside The Federal Reserve“) und Cutter Steven Rosenblum („Braveheart“) insgesamt aber eine gute Balance zwischen Action und Drama, Spannung und rabenschwarzer Komödie gefunden.

Vielleicht hätten sie sogar noch auf ein paar der streckenweise an den Haaren herbeigezogen wirkenden Wendungen verzichten sollen. Den finalen Twist etwa hätte es definitiv nicht gebraucht. Und das nicht nur, weil er ziemlich plump von langer Hand angekündigt wird, sondern auch, weil die Story an diesem Punkt eigentlich längst auserzählt ist. Immerhin wird der finale Punch auf eine pulpige Art unterhaltsam und mit Tempo präsentiert – so wie der gesamte Film.

Fazit: Ein paar übertriebene Twists weniger und dieser ansonsten gelungene Mix aus Thrill und Spaß wäre richtig gut geworden. Vor allem dank des mit Wonne gegen sein Good-Guy-Image anspielenden Mark Wahlbergs ist der Film aber trotzdem durchweg kurzweilig.

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