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    "Doctor Strange 2" beweist: Marvel hat längst nicht mehr den Mega-MCU-Masterplan
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Björn Becher ersinnt mit seinen Kolleg*innen auch mal wilde MCU-Theorien und ist zudem für das berühmteste Kevin-Feige-Meme verantwortlich.

    Zu Beginn wurde immer davon geschwärmt, was Marvel und MCU-Boss Kevin Feige für einen ausgefeilten, über Jahre sorgfältig aufgebauten Plan haben. Doch „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ beweist endgültig, dass vieles spontan passiert.

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    Achtung: Es folgen SPOILER zu „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ im Artikel!

    Der Mythos vom großen Marvel-Masterplan lebt seit der Abspannszene von „Iron Man“. Der Auftritt von Samuel L. Jacksons Nick Fury und der Hinweis auf seine Avengers-Initiative machten klar, dass uns noch mehr erwartet. Seit diesem Moment wird jeder Hinweis, jedes Easter-Egg von Fans untersucht, um herauszufinden, was es über zukünftige Pläne verraten könnte.

    Marvel befeuerte die Masterplan-Erzählung selbst. Die Filme wurden in Phasen eingeteilt, an deren Ende immer ein großes Event steht. MCU-Boss Kevin Feige ließ sich in einem Magazin porträtieren, wobei der Reporter mit großem Stauen davon erzählte, dass es in Feiges Büro ein großes Whiteboard gebe, an dem die Zukunft des MCU für viele Jahre im Voraus skizziert sei.

    Doch selbst wenn es diesen genauen Masterplan einst gab (was in diesem Artikel auch später noch bezweifelt wird), dann gibt es ihn längst nicht mehr – zumindest nicht so, wie ihn sich viele Fans vorstellen.

    Das beweist vor allem der aktuelle Film „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ perfekt: Denn wer glaubt, dass es seit Jahren geplant war, Wanda (Elizabeth Olsen) zu einer großen Antagonistin aufzubauen, die quer durchs Multiversum tötet, ist genauso schief gewickelt, wie alle, die finden, dass „Doctor Strange 2“ jetzt perfekt auf „Spider-Man: No Way Home“ aufbaut.

    "Doctor Strange 2" spielt nach "Spider-Man: No Way Home": Nur ein Zufall

    Dass die beiden Filme in dieser Reihenfolge erscheinen, war eigentlich nämlich gar nicht geplant. Ursprünglich sollte zuerst „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ in die Kinos kommen – zwei Monate vor „Spider-Man: No Way Home“. Selbst als Regisseur Scott Derrickson ausstieg und Sam Raimi als Ersatz verpflichtet wurde, lehnte Marvel dessen Bitte um eine Verschiebung für mehr Vorbereitungszeit zunächst noch ab.

    Erst als die Corona-Pandemie zu einer völlig Neuplanung der Kinostarts führte, gab Marvel Raimis Drängen nach, was vor allem die „Spider-Man: No Way Home“-Macher in große Aufregung versetzte.

    Marvel Studios

    America Chavez war für "Spider-Man: No Way Home" geplant

    Denn im nun erst später erscheinenden „Doctor Strange 2“ blieb man weitestgehend beim alten Konzept (zu einer großen Änderung kam es später) und ließ den von Benedict Cumberbatch gespielten Titelhelden das Multiversum neu erkunden. Auf seine erste Berührung damit durch Spider-Mans Abenteuer verweist nun nur noch ein kurzer Witz. Viele Fans hofften vorher auf Spider-Men-Cameos in „Doctor Strange 2“ – von Tom HollandAndrew Garfield oder von Tobey Maguire. Aber die standen nie zur Debatte, denn eigentlich ging man ja davon aus, vor „No Way Home“ zu spielen.

    Bei „No Way Home“ musste dagegen kurzfristig das Drehbuch noch mal kräftiger überarbeitet werden. Man hatte plötzlich keinen Doctor Strange mehr, der sich schon besser mit dem Multiversum auskennt. Und man stand vor der Frage, wie man überhaupt die Figuren aus den verschiedenen Universen zusammenbringt.

    Ursprünglich sollte die in „Doctor Strange 2“ von Xochitl Gomez gespielte America Chavez in „Spider-Man: No Way Home“ eine wichtige Rolle spielen. Ihre Fähigkeit, das Multiversum zu bereisen, hätte Spidey geholfen. Konfrontiert mit Bösewichten aus anderen Universen wäre die Idee entstanden, einfach die Spideys aus diesen Parallelwelten um Rat zu fragen. Durch die Verschiebung stand die Jungheldin aber nicht mehr zur Verfügung. Denn sie wird ja nun erst im Film danach eingeführt.

    Als Notlösung entstand so unter anderem die Idee, dass Ned (Jacob Batalon) nun Magie kann. Und auch die Neuerung, als „No Way Home“-Abspannszene einfach den „Doctor Strange 2“-Trailer zu bringen, war wohl eher eine Notlösung.

    Wanda sollte erst nicht die "Doctor Strange 2"-Bösewichtin sein

    Doch auch in „Doctor Strange 2“ gab es Änderungen. Fans sind sich nicht ohne Grund uneins, ob „WandaVision“ die perfekte Herleitung zu Wandas Rolle in „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ ist oder im Widerspruch dazu steht. Zum einen wissen wir durch die Disney+-Serie, wie mächtig sie nun als Scarlet Witch ist. Wir lernen auch ihre Kinder kennen und es wird so nachvollziehbarer, warum sie tötet, um wieder mit ihnen zusammen zu sein.

    Gleichzeitig hat sie am Ende von „WandaVision“ aber scheinbar auch Frieden mit ihrem Post-„Endgame“-Schmerz geschlossen und scheint einen neuen Blick aufs Leben zu haben. Ihre Wandelung zur großen Antagonistin mag da ein wenig plötzlich wirken – weil es auch nicht der ursprüngliche Plan war...

    » "WandaVision" auf Disney+*

    Erst als Sam Raimi neu an Bord kam und durch die Corona-Verschiebung Zeit zur Vorbereitung gewann, setzte er sich mit „Loki“-Autor Michael Waldron zusammen und sie beschlossen, das Skript noch einmal kräftig zu überarbeiten. Ursprünglich blieben sie sogar erst einmal dabei, dass Wanda ein Teil des Teams um Doctor Strange und America Chavez ist – und sich erst am Ende zum Widersacherin wandelt, wenn sie ihre Kinder im Multiversum entdeckt und diese mitnehmen will.

    Doch das Duo hinter der Kamera erkannte nach und nach, dass Wanda in dieser Geschichte eine Randfigur ist, dass eine weitere Bedrohung zu viel von ihr wegnimmt. So kam man überhaupt erst auf die Idee, sie zum Haupt-Bösewicht der Geschichte zu machen.

    Dass Wanda von Anfang an hinter allem steckt und durch das Multiversum wieder ihre Jungs bekommen will, war also nicht von langer Hand geplant, sondern ein spontaner Einfall.

    Marvels große Leistung ist nicht die Planung, sondern die Reaktion

    Im Interview verriet uns Benedict Cumberbatch, dass er immer wieder begeistert sei, wenn er im Internet Fan-Theorien und Überlegungen lese. Dabei denke er oft, dass man vielleicht diese Leute hätte anheuern soll, denn das sei ja noch besser als der eigentlich geplante Film. Aber gar nicht so unähnlich arbeitet Marvel, denn das Studio ist großartig darin, auf die Fans zu reagieren.

    Denn damit wir uns nicht falsch verstehen: Dieser Artikel über den fehlenden Masterplan soll gar keine Kritik an Marvel und Kevin Feige sein. Er soll nur das Licht darauf lenken, was man in Wirklichkeit macht: Auf die Umstände so zu reagieren, dass es am Ende ausschaut, als gäbe es einen Masterplan.

    Auch das beweist „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ und noch mehr „Spider-Man: No Way Home“. Fast alle sind sich einig, dass Wanda eine tolle Widersacherin in „Doctor Strange 2“ ist. Da ist es doch egal, dass Marvel das so erst gar nicht geplant hat. Sie haben einfach erkannt, dass es der beste nächste Schritt für die Figur ist.

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    Noch deutlicher wird diese bei der Betrachtung von „Spider-Man: No Way Home“. Ohne America Chavez ans Spideys Seite war da plötzlich Platz für andere Figuren. Und als es kompliziert wurde, die anderen Spider-Men im Multiversum aufzusuchen und um Rat zu fragen, gab es plötzlich die Idee, diese stattdessen einfach herzuholen und helfen zu lassen.

    Dass das Netz schon bei den ersten Gerüchten zu Auftritten von Andrew Garfield und Tobey Maguire ausflippte, könnte auch eine Rolle gespielt haben, die Auftritte eher größer werden zu lassen. So wurden spontan und eben nicht von langer Hand vorbereitet aus eigentlich vorgesehenen kurzen Spidey-Cameos echte Nebenrollen, von denen zahlreiche MCU-Fans begeistert sind.

    Und es darf natürlich die Frage gestellt werden, ob „No Way Home“ auch ein so großer Erfolg gewesen wäre, wenn die Rollen der alten Spideys nur dem Umfang des Mini-Auftauchens von Matt Murdock (Charlie Cox) oder den Eine-Sequenz-Lang-Wichtig-Und-Dann-Weg-Auftritten der Illuminati in „Doctor Strange 2“ entsprochen hätte.

    Spontanität statt Masterplan: Neues Phänomen oder schon immer Marvels Kunst?

    Der große Masterplan dürfte bei Marvel auch durch den gestiegenen Output gar nicht mehr möglich sein. Kamen früher maximal zwei Filme in die Kinos, sollen es nach derzeitiger Planung in Zukunft mindestens (!) drei pro Jahr sein – und dazu kommen unzählige Serien. Längst hat man deswegen auch offiziell die Einteilung in Phasen beiseite gewischt, auch wenn viele Fans noch immer so denken und sie auch Verantwortliche teilweise so nennen.

    Einst hat Kevin Feige noch zu Protokoll gegeben, dass seine Marvel-Filme die Netflix-Marvel-Serien gar nicht wirklich berücksichtigen können, weil Produktions- und Veröffentlichungszyklen für Serien und Filme so unterschiedlich seien, dass man das nicht vernünftig koordinieren und abstimmen, also planen könne.

    Doch nun soll er es mit drei Filmen und allein 2022 voraussichtlich 5 (!) Serien trotzdem können? Nein, das geht nur mit mehr Reaktion statt vorheriger Planung. Querverweise werden daher noch vager, noch offener für die spätere Auslegung werden – was sie übrigens schon immer ein Stück weit sind.

    Als großes Beispiel für Marvels Masterplan wird ja immer Thanos und sein Handschuh für die Infinity-Steine genannt. Doch auch da gibt es Einschränkungen. Der am Ende von „The Avengers“ das erste Mal geteaserte und dann in „Guardians Of The Galaxy“ präsentierte Thanos ist noch ein Monster, das wenig mit jener von einem Plan für eine ihrer Meinung nach bessere Zukunft getriebenen Figur in „Avengers: Infinity War“ zu tun.

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    Und über Thanos' Rolle in „The Avengers“ wissen wir ja nun nachträglich, dass er sogar einen Infinity-Stein abgegeben hat, damit Loki (Tom Hiddleston) die Erde erobern und ihm einen anderen Infinity-Stein bringen kann. Das passt nicht so richtig zu jemandem, der alle Infinity-Steine sammeln will, um die Hälfte der (Über-)Bevölkerung auszulöschen.

    Kevin Feige gab so auch später zu, dass der Thanos-Teaser in „The Avengers“ eine Idee von Joss Whedon war, der ein großer Fan der Figur in den Comics ist, und dass man zu dem Zeitpunkt gar nicht wusste, ob man Thanos jemals wieder nutzen wird. Die später enthüllte Motivation der Figur wurde so auch erst viel später überhaupt entwickelt.

    Und die ganze Diskussion um seinen Handschuh ist ja schon legendär. In „Thor“ sehen wir ihn das erste Mal in der Sammlung von Odin (Anthony Hopkins) – ein simples Easter-Egg für Comic-Fans ohne jede Bedeutung. Als später bei „Avengers: Age Of Ultron“ dann wirklich der finale Thanos-Plan bestand und wir ihn in der Abspannszene das erste Mal mit seinem legendären Handschuh sehen, führte das zu gleich zwei Fragen: Woher hat er diesen Handschuh nun, wenn er doch in Odins Sammlung ist? Und warum ist er plötzlich für die andere Hand?

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    Marvel reagierte: In „Thor 3: Tag der Entscheidung“ wird der Handschuh in Odins Sammlung als Fake entlarvt. Eigentlich war damit das Problem gelöst, doch dann erfahren wir in „Avengers: Infinity War“, dass der Handschuh extra für Thanos angefertigt wurde und niemals jemand in der Geschichte der Universen alle Steine getragen hat, es also keinen vorherigen Handschuh gab. Wie kann es dann aber eine Fake-Version existieren, wenn gar kein legendäres Artefakt als Vorlage existiert?

    Wahrscheinlich wird Marvel auch das irgendwann erklären (und es gibt schon genug Fan-Theorien dazu), denn das ist die eine Stärke des Studios: Im Nachhinein genug Wege zu finden, um alles doch plausibel aussehen zu lassen – und als wäre es Teil eines großen Plans.

    Die allergrößte Stärke ist aber, dass Filme wie „Spider-Man: No Way Home“ oder „Avengers: Infinity War“ vom Gros der Fans so begeistert aufgenommen werden, dass es auch egal ist, ob es da an der einen oder anderen Stelle einen Widerspruch gibt.

    Fazit: Grobe Richtung statt Masterplan

    Den großen Masterplan gibt es also ganz sicher nicht (mehr). Aber natürlich agiert Marvel nicht planlos. Es gibt sicher eine grobe Richtung, die man im Blick hat, es gibt Punkte, die man erreichen will. Deswegen macht es auch so viel Spaß, all die Hinweise zu analysieren, denn sie könnten etwas bedeuten.

    Und deswegen kann man nach „Doctor Strange 2“ auch ganz wunderbar spekulieren, ob „Secret Wars“ (die 2015/2016-Comic-Story, nicht zu verwechseln mit „Secret Invasion“)  das nächste große MCU-Mega-Event ist, auf welches alles hinsteuert (mehr dazu in Kürze bei uns). Denn solche Ziele dürfte es auch weiter geben.

    Doch oft steht halt nur die grobe Richtung fest und viele Hinweise sind einfach nur Easter Eggs. Daher seid nicht enttäuscht, wenn etwas angeteasert wird, was dann doch nie mehr eine Rolle spielt...

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