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    The Social Network
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    The Social Network
    Von Christoph Petersen

    Dass wir unser Dasein in schnelllebigen Zeiten fristen, ist spätestens jetzt klar, wo sich Kult-Regisseur David Fincher eines brandaktuellen Themas wie Facebook angenommen hat und doch ein Geschichtsfilm dabei herausgekommen ist. Am Ende von „The Social Network" feiert Facebook seinen millionsten User, dabei hat das größte und mächtigste unter den sozialen Netzwerken inzwischen längst die 170-Millionen-Nutzer-Marke übertroffen. Obwohl alles, was auf der Leinwand geschieht, erst wenige Jahre her ist, gibt es trotzdem die für das Genre typischen Texttafeln, die einem direkt vor dem Abspann mitteilen, wie es mit den Charakteren nach der Filmstory weitergegangen ist. Aber das soll jetzt keinesfalls heißen, dass Fincher gescheitert wäre, er hat bloß einen anderen Ansatz gewählt. „The Social Network" ist weniger Zeitgeistfilm als waschechtes Biopic. Im Mittelpunkt steht Facebook-Gründer und Multi-Milliardär Mark Zuckerberg, dem Fincher in zwei extrem kurzweiligen Stunden immer wieder ganz nahe kommt, nur um am Schluss einzugestehen, dass sich das Phänomen Zuckerberg wohl doch nicht vollständig entschlüsseln lässt.

    Frisch von seiner Freundin (Rooney Mara) verlassen, setzt sich Harvard-Student Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) im Herbst 2003 an seinen Computer und programmiert voller Zorn eine Website, auf der sich Studenten anhand von Fotos zwischen jeweils zwei Kommilitoninnen für die heißere entscheiden sollen. Die Seite erfährt gigantisches Interesse und bringt schlussendlich sogar das Uni-Netzwerk zum Absturz. Zuckerberg erhält von der Universität eine Bewährungsstrafe und wird in der Folge von Frauen noch mehr geschnitten. Doch seine nächste Idee schlägt ein wie eine Bombe. Mit seinem Mitbewohner Eduardo Saverin (Andrew Garfield) als Geldgeber und CFO entwickelt Zuckerberg das zunächst uniinterne soziale Netzwerk TheFacebook. Als die Idee bald auch auf andere Unis überschwappt und so langsam auch potentere Finanziers auf das Projekt aufmerksam werden, stellt der gigantische Erfolg Zuckerberg schnell vor immense menschliche und juristische Probleme...

    Auf den ersten Blick ist „The Social Network" ein übliches Biopic, aber was für eins. Es gibt nur wenige historische Persönlichkeiten, denen ein ähnlich unterhaltsames Leinwanddenkmal vergönnt war wie nun Mark Zuckerberg (und das nicht nur zu Lebzeiten, sondern bereits mit geradezu lächerlich jungen 26 Jahren). Regisseur Fincher („Sieben", „Fight Club") legt ein enormes Tempo vor und führt zwar rasant, aber stets stilsicher durch die Gründerzeit von Facebook. Dabei begeistern vor allem die bis zur Perfektion geschliffenen Dialoge, die alle Jargons wunderbar treffen: den hochgestochenen Aristokratenslang Harvards, das Technikgeschwafel der Nerds, das Proletenhafte der Verbindungspartys und das prophetisch-einvernehmende Businessgebrabbel von Napster-Mit-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake). Diese Qualität dürfte in erster Linie auf das Konto von Autor Aaron Sorkin („Eine Frage der Ehre", „Der Krieg des Charlie Wilson") gehen, der schon mit seiner vielfach ausgezeichneten Weiße-Haus-Serie „The West Wing" bewiesen hat, wie gut er sich in die Sprachwelt einzelner Milieus hineinzuarbeiten versteht. Auf der Liste der Oscar-Favoriten für das Beste Adaptierte Drehbuch (basierend auf dem Roman „Milliardär per Zufall: Die Gründung von Facebook – eine Geschichte über Sex, Geld, Freundschaft und Betrug" von Ben Mezrich) steht er damit ganz oben.

    Doch wie schon in „Der seltsame Fall des Benjamin Button", in dem Fincher historische Ereignisse mit dem Kniff eines rückwärts alternden Brad Pitts anging, mangelt es auch hier nicht an doppelten Böden. So lässt sich der Regisseur nie zu einer klaren Aussage über seinen Protagonisten hinreißen, auch wenn sich die Einschätzung einer Anwältin gen Ende auch als vorsichtiger Kommentar von Fincher selbst verstehen ließe. Diese Mehrdeutigkeit ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass „The Social Network" aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, wobei der Zuschauer nie sicher weiß, wessen Perspektive er eigentlich gerade folgt. Der Film beginnt mit einer etwa zehnminütigen Unterhaltung in einer Kneipe, in deren Verlauf Zuckermans Freundin mit ihm Schluss macht. Der zukünftige Facebook-Gründer wirkt dabei wie eine Mischung aus egozentrischem Nerd und arrogantem Arschloch. Wenig später erfährt der Zuschauer jedoch, dass die ganze Szene einer gerichtlichen Aussage seiner Ex-Freundin entspricht und Zuckerman selbst aufs Schärfste behauptet, es wäre alles ganz anders gewesen. Damit ist der Grundstein gelegt: „The Social Network" ist ein intelligentes Spiel mit filmischen Realitäten, womit Fincher in letzter Konsequenz sogar das Biopic-Genre an sich ein stückweit in Frage stellt.

    Im Gegensatz dazu lässt Fincher zu Facebook selbst keine zwei Meinungen zu. Der Vorläufer war eine Website, auf der Studentinnen nach ihrem Aussehen bewertet werden sollten. Erfunden wurde Facebook, um in der Harvard-internen Hierarchie aufzusteigen und so leichter an Frauen ranzukommen. Und die wichtigste Funktion ist sowieso der Beziehungsstatus (im Film inszeniert als krimiartiger Geistesblitz, wie ihn auch TV-Kommissare immer haben, kurz bevor sie den Mörder dingfest machen), denn so ist jeder stets darüber im Bilde, mit wem es die Ex-Freundin oder die Sitznachbarin aus der Physikvorlesung gerade treibt. Der Antrieb von allem ist Sex. Das ist ganz sicher keine neue Erkenntnis, aber in „The Social Network" wird sie trotzdem noch einmal amüsant-ironisch auf den Punkt gebracht.

    Vielleicht ist die Rolle insgesamt zu unauffällig, immerhin bleiben die großen Gefühlsausbrüche fast vollständig aus, aber zumindest eine Nominierung für den Oscar hätte Jesse Eisenberg („Adventureland", „Zombieland") schon verdient. Irgendwo zwischen autistisch, arrogant und genial tut Zuckerberg immer wieder Dinge, die man beim besten Willen nicht gutheißen kann. Er ist ein verklemmter Nerd, der nur auf seine Ziele fokussiert ist und dabei keinen Blick für wahre Freundschaft übrighat. Trotzdem drückt der Zuschauer ihm und seinem Facebook-Projekt die Daumen – und das ist allein der Verdienst von Eisenberg, der seine Figur so geschickt zwischen Underdog und Arschloch anlegt, dass er das Publikum trotz all seiner Missetaten auf seine Seite zieht. Der zukünftige „Spider-Man" Andrew Garfield („Red Riding"-Trilogie) erledigt seinen Job als ausgebooteter Kompagnon sehr solide, setzt von den drei Hauptdarstellern allerdings die wenigsten Akzente. Ganz anders Justin Timberlake („Alpha Dog", „Black Snake Moan"), der als überdreht-paranoider Web-2.0-Guru den mephistophelischen Verführer mimt und Zuckerberg so geschickt in ein Netz aus Begeisterung und Größenwahn einwickelt.

    Fazit: „The Social Network" ist eine ebenso doppelbödige wie kurzweilige Leinwand-Biographie, die ihrem durch und durch ambivalenten Protagonisten gerade deshalb gerecht wird, weil sie sich nicht leichtfertig zu einem abschließenden Urteil hinreißen lässt.

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