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    Die Frau des Zoodirektors
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Frau des Zoodirektors
    Von Lars-Christian Daniels

    Das Warschauer Ghetto, das die nationalsozialistischen Besatzer 1940 als Sammellager für polnische und deutsche Juden errichteten, diente schon häufiger als Kulisse für tragische NS-Dramen: Das mit berühmteste Werk ist Roman Polanskis dreifach oscarprämierter Film „Der Pianist“ von 2004, in dem der selbst im Krakauer Ghetto aufgewachsene Regisseur auch seine eigenen Kindheitstraumata verarbeitete. Doch auch Andrzej Wajdas deutsch-polnischer Spielfilm „Korczak“ von 1990 oder Jon Avnets US-Fernsehfilm „Uprising – Der Aufstand“ von 2001 thematisierten den Schrecken, der sich während des Zweiten Weltkriegs innerhalb der von Mauern umringten drei Quadratkilometer abspielte. Diesem historischen Schauplatz der Demütigung, Unmenschlichkeit und Deportation widmet sich nun auch die neuseeländische Filmemacherin Niki Caro („Whale Rider“): Ihr NS-Drama „Die Frau des Zoodirektors“ ging jedoch am Box Office baden und erhält in Deutschland nicht einmal einen Kinostart. Doch eine qualitative Enttäuschung ist der Film keineswegs: Unterstützt von einer starken Hauptdarstellerin erzählt Caro eine beklemmende und nur im Mittelteil etwas langatmige Geschichte von Widerstand und Menschlichkeit in Zeiten von Terror, Unterdrückung und Massenmord.

    Warschau, im Jahr 1939: Antonina Zabinska (Jessica Chastain) und ihr Mann Dr. Jan Zabinski (Johan Heldenbergh) führen in der polnischen Hauptstadt einen Zoo, der sich dank ihrer guten Führung in den Jahren vor dem Kriegsausbruch prächtig entwickelt hat. Als die Wehrmacht von heute auf morgen im Nachbarland einmarschiert, findet die Erfolgsgeschichte jedoch ein jähes Ende: Große Teile des Zoos werden von Fliegerbomben zerstört und die deutschen Besatzer setzen dem Ehepaar den Chefzoologen Lutz Heck (Daniel Brühl) vor die Nase, der eigene Pläne hat und bei weitem nicht jede Tierart mit durch den bevorstehenden Winter nehmen möchte. Als die Nazis schließlich das Warschauer Ghetto errichten und Heck Antonina eindeutige Avancen macht, setzt sich das Paar im Verborgenen gegen das deutsche Terrorregime zur Wehr: Sie treten dem Widerstand bei und schleusen heimlich Arbeiter und Kinder aus dem Ghetto in ihren Zoo. Das geht eine Weile gut, doch schon bald droht das Versteck im Keller, in dem auch ihr Sohn Ryszard (Timothy Radford) ein- und ausgeht, von den Besatzern entdeckt zu werden...

    Dass „Die Frau des Zoodirektors“ in den USA nicht einmal seine Produktionskosten von rund 20 Millionen Dollar einspielte, dürfte auch daran liegen, dass es dem Film an einer klar definierten Zielgruppe mangelt: Wo Titel und Kinoplakat eher an leicht verdaulichen Familienkitsch á la „Wir kaufen einen Zoo“ erinnern, entpuppt sich Niki Caros sechster Langfilm bei genauerer Betrachtung als ziemlich beklemmendes Besatzungs- und Beziehungsdrama, in dem die idyllischen Bilder schon nach Minuten vom täglichen Grauen im und um das Warschauer Ghetto abgelöst werden. Sehen wir die titelgebende Tierfreundin in der Eröffnungssequenz noch bei strahlendem Sonnenschein an Käfigen vorbeiradeln und Tiere und Wärter fröhlich begrüßen, hagelt es kurz darauf Bomben, die den Zoo in Schutt und Asche legen und die Marschrichtung des Films früh vorgeben. Drehbuchautorin Angela Workman („Der Seidenfächer“) erzählt in ihrer Adaption der Romanvorlage von Diane Ackerman zwar auch die Überlebensgeschichte des Zoos, für den in Zeiten des Überlebenskampfes und der Massendeportation ohnehin nur eine Handvoll deutscher Soldaten ein Auge hat – Antriebsfeder der Geschichte aber ist der selbstlose Einsatz der Zabinskis, die unter Einsatz ihres Lebens zahlreiche Juden in den Kellerräumen ihres Verwaltungsgebäudes verstecken.

    Die Beziehung von Antonina und Jan muss darunter fast zwangsläufig leiden. Das Eintreffen des deutschen Zoologen, der ein Auge auf Antonina geworfen hat und sich seine Machtposition gezielt zunutze macht, soll zusätzliche Brisanz ins Geschehen bringen – diese Rechnung geht unter dem Strich aber nicht ganz auf. Nebendarsteller Daniel Brühl („Rush“, „Jeder stirbt für sich allein“), der seit Jahren zu den gefragtesten deutschen Schauspielern in Hollywood zählt, müht sich zwar nach Kräften und liefert eine souveräne Leistung ab, doch bietet seine Figur trotz einer gewissen Ambivalenz nur wenig Raum zur Entfaltung. Für einen echten Nazi-Fiesling wirkt Heck zu brav, für einen Wolf im Schafspelz zu opportunistisch – und so generiert sich die Spannung weniger aus der Frage, wann es zum Knall mit dem eifersüchtigen Jan kommt, als vielmehr daraus, ob der Zoologe wohl entdeckt, was Antonina im Keller vor ihm verbirgt. Ähnlich wie im NS-Drama „Das Tagebuch der Anne Frank“ gilt es für die versteckten Juden brenzlige Situationen zu überstehen: Schon ein Niesen oder eine unbedachte Bewegung könnten den Tod bedeuten.

    Während Brühl trotz guter Ansätze ein Gefangener des Drehbuchs bleibt, reift die stark aufspielende Jessica Chastain („The Help“, „Zero Dark Thirty“) in ihrer Hauptrolle schnell zur Identifikationsfigur: Spätestens, als Antonina sich behutsam einem von Soldaten vergewaltigten Mädchen annähert und dabei ein bemerkenswertes Einfühlungsvermögen an den Tag legt, schließen wir die eloquente, aber verletzliche Widerständlerin ins Herz. Vergleicht man die Art der Gewaltdarstellung mit Roman Polanskis einleitend erwähntem Meisterwerk „Der Pianist“, wird sofort ein Unterschied deutlich: Statt Gräueltaten wie diese in all ihrer Abscheulichkeit einzufangen, werden sie oft nur angedeutet. Die Drohgebärden der deutschen Soldaten und die Misshandlungen der Juden werden häufig am Bildrand, durch das Fenster eines fahrenden Lieferwagens oder sogar aus dem Off eingefangen. Die ganz große Wucht entfaltet die Geschichte durch die bewusste Reduktion expliziter Gewaltszenen nicht – vielmehr durchzieht den Film eine subtile, beklemmende Grundstimmung, die erst im Schlussdrittel durch dramatische Bilder des Aufstandes aufgebrochen wird. Hier schaltet die Regisseurin dann plötzlich zwei Gänge hoch: Das bis dato gemächliche Erzähltempo wird etwas arg ruckhaft verschärft, trotzdem entschädigt das für die eine oder andere Länge im Mittelteil.

    Fazit: Niki Caros „Die Frau des Zoodirektors“ ist ein sehenswertes Historiendrama mit überzeugenden Schauspielern und kleineren Drehbuchschwächen.

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