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    Narziss und Goldmund
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Narziss und Goldmund

    Doch keine Barbarei

    Von Karin Jirsak

    Hermann Hesse selbst wollte nicht, dass seine Erzählungen verfilmt werden. Er nannte Literaturverfilmungen gar im Allgemeinen eine „Degradierung und Barbarei“. Nichtsdestotrotz gab es einige mal mehr, mal weniger erfolgreiche Versuche, die komplexen Erzählwelten des Literaturnobelpreisträgers mit filmischen Mitteln zu erfassen: So versuchte sich etwa der Amerikaner Fred Haines im Jahre 1974 an Hesses zurecht als unverfilmbar geltendem Kultwerk „Der Steppenwolf“. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sein Landsmann Conrad Rooks mit seiner „Siddharta“-Adaption bei den Filmfestspielen von Venedig immerhin den Silbernen Löwen gewonnen.

    Davon abgesehen haben sich Filmschaffende in den vergangenen Jahrzehnten allerdings – dem Wunsch des Autors entsprechend – respektvoll zurückgehalten. Doch damit ist nun Schluss, denn nun soll direkt der ganz große Wurf gelingen: Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky („Anatomie“), dessen Film „Die Fälscher“ 2008 mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, geht nun das Wagnis ein, mit „Narziss und Goldmund“ ausgerechnet den zu Lebzeiten erfolgreichsten und im deutschen Schulunterricht am häufigsten verhandelten Roman Hesses auf die große Leinwand zu bringen. Eine Mammutaufgabe, die ihm entgegen aller Wahrscheinlichkeit zum größten Teil tatsächlich glückt.

    Völlig verschiedenen und doch die besten Freunde: Narziss (Sabin Tambrea) und Goldmund (Jannis Niewöhner).

    Im Kloster Mariabronn lernen sich der stille, ernsthafte Novize Narziss (Oskar von Schönfels) und der etwas jüngere, lebhafte Klosterschüler Goldmund (Jeremy Miliker) kennen. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere entsteht zwischen den beiden Jungen eine tiefe Freundschaft. Während Narziss weiß, dass er selbst für immer im Kloster bleiben wird, muss er bald erkennen, dass der Weg seines Freundes in die Welt hinaus führen wird. Nach Jahren treffen sich die beiden wieder, Narziss (als Erwachsener: Sabin Tambrea) ist inzwischen Abt, Goldmund (Jannis Niewöhner) Bildhauer geworden. Auf Narziss' Wunsch hin soll sein Freund einen neuen Altar für das Kloster gestalten. Doch die anderen Mönche betrachten Goldmunds Rückkehr und die Freundschaft zwischen dem gestrauchelten Bruder und ihrem jungen Abt zunehmend mit Argwohn...

    Es geht um die Freundschaft, die Liebe, die Suche nach Ursprung und Bestimmung und nicht zuletzt um die Kunst in Hermann Hesses Erzählung selbst; es geht um den Weg des Künstlers, der immer auch eine Gratwanderung ist, und die in ihm vereinte Dualität von Vergeistigung und Leben. Personifiziert wird diese Gegensätzlichkeit durch den Novizen Narziss, der die weltabgewandte Seite des Schaffenden verkörpert, und dem sinnlichen, lebenshungrigen Goldmund. Wenn diese beiden Pole – wie eben in der ungewöhnlichen Freundschaft der scheinbar so gegensätzlichen jungen Männer – zueinanderfinden, dann können ganz große Werke entstehen, wie eben diese auch autobiografisch gefärbte Erzählung: Als Junge hatte Hesse selbst die evangelische Klosterschule in Maulbronn besucht – eine Zeit, die der Autor sehr kritisch in der Erzählung „Unterm Rad“ (1906) und später auch, diesmal dann deutlich nachsichtiger, in „Narziss und Goldmund“ literarisch verarbeitete.

    Perfekt besetzt

    Regisseur Stefan Ruzowitzky hat mit der Burg Hardegg im Thayatal in Niederösterreich einen adäquaten Schauplatz gefunden. Zusammen mit den atmosphärischen Aufnahmen der umliegenden Landschaft erschafft er eine dem Ton der Erzählung angemessene Stimmung. Mit Sabin Tambrea („Ludwig II.“) und Jannis Niewöhner („Rubinrot“) sind zudem zwei hochkarätige Hauptdarsteller mit an Bord, die sowohl die Gegensätzlichkeit als auch die Anziehung zwischen Narziss und Goldmund überzeugend verkörpern. Sabin Tambrea zeigt glaubhaft das Kontemplative, aber auch den inneren Kampf von Narziss, der seinen einzigen Freund gehen lassen muss, um diesem den Weg zu sich selbst frei zu machen. Jannis Niewöhner unterdessen wirkt als glühender Schwärmer zwischen unbeschwerter Zügellosigkeit und verzweifelter Suche nach dem mütterlichen Prinzip vollkommen authentisch.

    Der Tiefe und Vielschichtigkeit der Erzählung gerecht zu werden, ist im Falle Hesses, wie er womöglich selbst erkannte, im Medium Film schwerlich möglich. Den Kern der gleichnisartigen Erzählung arbeitet Ruzowitzky aber auf erstaunlich unterhaltsame Weise heraus. Zugunsten von Dramatik und Tempo nimmt er dabei auch einige inhaltliche Veränderungen vor; insbesondere das Ende unterscheidet sich drastisch von der Vorlage. Das mögen an den Roman gewöhnte Zuschauer befremdlich finden, erzählerisch und im Sinne des Mediums ist es aber weder frevelhaft noch unnötig – und wenn man möchte, kann man darin auch ein durchaus eigenständiges Statement des Regisseurs und Drehbuchautors Ruzowitzky erkennen, das die kirchenkritische Position, die Hesse in „Unterm Rad“ auch selbst noch sehr viel deutlicher einnahm, in gewisser Weise wieder aufgreift und verstärkt.

    Goldmund macht außerhalb der Klostermauern längst nicht nur positive Erfahrungen.

    Hesse-Puristen dürfen sich hingegen über die nah am Originaltext gehaltenen und immer noch erstaunlich zeitgemäßen Dialoge freuen, worüber die Hermann Hesse Gesellschaft in diesem Fall ein wachsames Auge hatte. Zu sehen gibt es in der aufwändig inszenierten mittelalterlichen Kulisse dann aber doch hin und wieder Modernes – ob es zu Zeiten der Pest etwa schon Eyeliner und Hipster-Undercuts gab, so wie der ältere Goldmund hier einen trägt, darüber mögen die Gelehrten streiten. Mehr als diese kleinen, womöglich gar augenzwinkernden Anachronismen stört allerdings die seifige Musik, die dem Gesamterlebnis dieser modern erzählten Umsetzung manchmal etwas TV-haftes verleiht – ein Eindruck, den die starken Kinobilder ansonsten zum Glück gar nicht hergeben.

    Fazit: Eine auf jeden Fall sehenswerte Adaption eines zeitlosen Stoffes, die allerdings Hermann Hesse insofern recht gibt, als es vielleicht keine Barbarei, aber doch auch für Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky eine nicht lösbare Aufgabe ist, den Geist und Zauber von Hesses literarischen Welten vollumfänglich filmisch zu erfassen.

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