Mein Konto
    Die Grundschullehrerin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Grundschullehrerin
    Von Lars-Christian Daniels

    Lehrer zu sein ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Diese Erfahrung machte im deutschen Kino zuletzt der toughe Ex-Bankräuber Zeki Müller (Elyas M’Barek) im mittlerweile dritten Teil der megapopulären „Fack ju Göhte“-Reihe, als er zwei Dutzend chaotische Teenager durch die Sekundarstufe II lotsen und nebenbei noch seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen musste. Der titelgebenden Klassenlehrerin Ute Müller (Gabriela Maria Schmeide) erging es in „Frau Müller muss weg“ kaum besser, die von den kritischen Eltern ihrer Viertklässler gehörig unter Druck gesetzt wurde. Die Liste der Schulkomödien ist nicht nur hierzulande lang, meist sind die Schüler darin allerdings schon über die Pubertät hinaus oder stecken noch mittendrin. Umso interessanter gestaltet sich daher die französische Tragikomödie „Die Grundschullehrerin“, die ein paar Jahre früher ansetzt: Regisseurin Hélène Angel („Der rote Tempelritter – Red Knight“) erzählt die Geschichte einer jungen Lehrerin, die sich Tag für Tag für ihre Fünftklässler aufopfert und deren Leben durch einen Störenfried aus der Parallelklasse gehörig durcheinandergewirbelt wird. Das Ergebnis ist ein ebenso unterhaltsamer wie berührender Film, bei dem Pädagogen und Eltern dank der authentischen Einblicke in den Grundschulalltag ganz besonders auf ihre Kosten kommen.

    Lehrerin Florence Mautret (Sara Forestier) gibt in der Grundschule jeden Tag vollen Einsatz: Sie unterrichtet eine fünfte Klasse (Stufe CM2) und probt mit den Kindern parallel zum Unterricht für eine große Bühnenaufführung. Gemeinsam mit ihrem Sohn Denis (Albert Cousi), der ebenfalls in ihrer Klasse sitzt, wohnt die Pädagogin in einer Wohnung im Schulgebäude, ebenso wie Direktor Sabatier (Patrick d'Assumçao) und Hausmeister Rémy (Frédéric Boismoreau). Zwei Wochen vor den Sommerferien wird der junge Sacha Drouet (Ghillas Bendjoudi) aus der Klasse ihrer Kollegin Marlène Peillard (Olivia Côte) zu Florence in den Unterricht gesetzt, weil er sein Schwimmzeug vergessen hat. Florence merkt gleich, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmt: Er riecht unangenehm, wirkt aggressiv und trägt ungewöhnlich viel Geld bei sich. Ein klärendes Gespräch ergibt, dass Sachas Mutter Christina Drouet (Laure Calamy) seit fast zwei Wochen nicht mehr zu Hause war. Als Notfallkontakt hat Sacha den Lieferdienstfahrer Mathieu (Vincent Elbaz) angegeben – einen ihrer vielen Ex-Freunde. Gemeinsam mit Florence, die Sacha in ihrer Wohnung Unterschlupf gewährt, nimmt er sich des Jungen an. Ihrem Sohn Denis passt der neue Mitbewohner allerdings überhaupt nicht in den Kram...

    „Die Grundschullehrerin“ ist so etwas wie eine französische Kreuzung aus Fatih Akins „Tschick“, der „Simpsons“-Episode „Der Feind in meinem Bett“ und Ivan Reitmans „Kindergarten Cop“: Wie in Akins Roadmovie kommt auch hier ein sonderbarer Einzelgänger neu in eine Schulklasse und findet nach kleineren Anlaufschwierigkeiten einen neuen besten Freund zum Pferdestehlen. In der „Simpsons“-Episode hingegen hält es Marge für eine gute Idee, den aufmüpfigen Nelson Muntz sogar im Bett ihres Sohnes schlafen zu lassen, nachdem Barts Erzfeind von seiner umtriebigen Mutter allein zu Hause sitzengelassen wurde – hier ist es der nicht minder aggressive Sacha, der den Alltag von Florence und Denis durcheinanderbringt und schon bei seiner ersten Stippvisite gleichmal dessen Kinderzimmer verwüstet. Und während bei Reitman zwei Dutzend knuffige Dreikäsehochs den überforderten Undercover-Cop (Arnold Schwarzenegger) ins Schwitzen bringen, meistert Florence die köstlichen Kuriositäten im Klassenzimmer im Gegensatz zu Referendarin Laure (Lucie Desclozeaux) mit bemerkenswerter Routine: Die Grundschullehrerin ist eine heimliche Heldin des Alltags und ihre Gefühlswelt erwartungsgemäß der Dreh- und Angelpunkt in diesem Film.

    Sachas trauriges Schicksal und Florence‘ Bemühen, seine Mutter ausfindig zu machen und den Jungen trotz aller Schwierigkeiten in ihr Leben vor und nach Feierabend zu integrieren, bilden das emotionale Epizentrum der kurzweiligen Geschichte. Wie in vielen anderen Schulfilmen ist das große gemeinsame Ziel der erfolgreiche Abschluss des Schuljahres – hier bedeutet das, die Versetzung in die Mittelschule zu schaffen und auch die große Theateraufführung im Beisein der stolzen Eltern gut über die Bühne zu bringen. Während die Proben und Vorbereitungen für das Stück und den Auftritt sowie die Lernschwächen einiger Schüler ein paar wunderbar warmherzige Momente und viele gelungene Gags bieten, aber generell wenig Überraschungen liefern, scheint für Sacha hingegen bis zum Schluss alles möglich – über die Rückkehr seiner Mutter oder den Einzug des vernachlässigten Kindes bei ihrem Ex-Freund bis hin zur Endstation Kinderheim, die alle Beteiligten tunlichst vermeiden wollen. Angesichts dieser doch schwierigen Aussichten, wollten die Filmemacher dem Jungen offenbar wenigstens einen echten Kumpel gönnen, denn Sacha und Denis freunden sich deutlich schneller an, als man es nach ihrer ersten Begegnung vermuten würde.

    Im Vergleich zum feinfühlig und pointiert erzählten Alltag im Klassenzimmer wirkt auch die Liaison von Florence mit dem Sushi-Boten Mathieu etwas überstürzt: Hier reichen schon ein nasses Missgeschick, das gemeinsame Trockenfönen der Klamotten und ein paar stramme Waden, um die beiden Singles einander näherzubringen und damit einen recht einfallslosen romantischen Handlungsschlenker einzuläuten. Deutlich mehr Herzblut investiert Filmemacherin Hélène Angel, die gemeinsam mit Yann Coridian („90 Jahre sind kein Alter“) auch das Drehbuch zum Film schrieb, in die Szenen im Schulgebäude und kann sich neben der einmal mehr glänzend aufgelegten Sara Forestier („Der Name der Leute“) auch auf ein großartiges Ensemble an Jungdarstellern verlassen: Die sympathischen Kinder scheinen sich einfach selbst zu spielen – das chaotische Treiben wirkt dadurch ungemein authentisch. Aus der Schar an jungen Schauspielern ragt neben den perfekt ausgewählten Newcomern Ghillas Bendjoudi und Albert Cousi in den Hauptrollen vor allem Hannah Brunt als Charlie heraus – dem jungen Mädchen ist auch der Schlussakkord in dieser rührenden, aber nie rührseligen Tragikomödie vorbehalten.

    Fazit: Hélène Angels „Die Grundschullehrerin“ ist eine unterhaltsame Tragikomödie mit hohem Wohlfühlfaktor, deren kleine Drehbuchschwächen von den tollen Schauspielern aufgefangen werden.

    Wir haben „Die Grundschullehrerin“ bei den 34. Französischen Filmtagen Tübingen-Stuttgart gesehen, wo der Film in der Sektion „Horizonte“ gezeigt wurde.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top