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    Terminal - Rache war nie schöner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Terminal - Rache war nie schöner
    Von Antje Wessels

    Vaughn Steins „Terminal“ mag denselben Titel tragen wie ein mit Tom Hanks und Catherine Zeta-Jones starbesetzter Wohlfühlfilm von Steven Spielberg, aber einen Film zum Wohlfühlen hat der Langfilmdebütant mit seinem bis zum bitteren Ende konsequenten Cyberpunk-Thriller nun wirklich nicht abgeliefert. In den USA wurde der Film als betont nihilistischer Tarantino-Abklatsch überwiegend verrissen, aber Stein will mit seiner Geschichte mehr, als einfach nur platt zu schockieren. Die vermeintlich nur zum Auslösen von Kontroversen vorhandenen Elemente sind nämlich alle fest in dem superdüsteren, von „Alice im Wunderland“ inspirierten Moralstück verankert. Vor einer neonfarbenen, theaterhaften Kulisse, die sofort an Nicholas Winding Refns „The Neon Demon“ erinnert, erhebt sich Margot Robbie zur Marionettenspielerin in einem immer weiter in den Wahnsinn abdriftenden Katz-und-Maus-Spiel voller schräger Figuren und verstörender Wendungen, das man gesehen haben muss, um es glauben zu können. Und als Bonus gibt es noch eine gepfefferte Portion In-Your-Face-Emanzipation obendrauf.

    Als die Auftragskiller Vince (Dexter Fletcher) und Alfred (Max Irons) eines Nachts in einem versifften Bahnhofs-Diner auf Annie (Margot Robbie) treffen, verdreht die kecke Kellnerin Alfred sofort den Kopf. Die beiden können schließlich nicht ahnen, dass die Frau mit dem auffällig grellen Make-Up mehr mit ihrem Job zu tun hat, als ihnen lieb sein kann… In einer anderen Nacht bedient Annie den todkranken Englischlehrer Bill (herrlich planlos: Simon Pegg), der sich vielleicht umbringen will, was wiederrum Annie so faszinierend findet, dass sie ihm allerlei Vorschläge für mögliche Selbstmordmethoden unterbreitet. Und immer in der Nähe ist der schmierige Hausmeister Clinton (Mike Myers), der das abgründige Treiben scheinbar vollkommen unbeteiligt aus der Ferne zu beobachtet…

    Margot Robbie verkörpert hier praktisch eine Kombination ihrer bekanntesten Rollen der vergangenen Jahre. Ihre Annie vereint die Durchsetzungsfähigkeit von Tonya Harding (aus „I, Tonya“), den Wahnsinn von Harley Quinn (aus „Suicide Squad“), den Sexappeal von Naomi Lapaglia (aus „Wolf Of Wall Street“) und den unschuldigen Augenaufschlag der sympathischen Kopfverdreherin Charlotte (aus „Alles eine Frage der Zeit“). So facettenreich spielt die Australierin den Rest des Ensembles (also die Männer) mit einer absoluten Selbstverständlichkeit an die Wand. Dabei überdreht sie ihre Figur immer wieder bewusst ins Karikatureske, überschreitet – die Schwarze Ära des US-amerikanischen Film-noir zitierend – immer wieder die Grenze zum Overacting. Aber das alles gehört zu ihrer (mindestens) doppelbödigen Figur, genauso wie der bisweilen affektiert anmutende Gestus und der zunächst irritierende auffällige Lippeneinsatz, wenn sie jedes einzelne Wort ganz besonders deutlich ausspricht.

    Wenn Annie die Männer konsequent nur mit reduzierenden Spitznamen wie Handsome anredet, sich ihr forscher Sexappeal im Finale als Teil eines gar nicht ladyliken Plans erweist, während sich zugleich alle männlichen Mitspieler als Idioten entpuppen, dann treibt Stein das Motiv der verführerischen Strippenzieherin so weit auf sie pervertierte Spitze, dass er die Erwartungen an eine klassische Noir-Femme-Fatale fast schon wieder unterläuft. Vor allem im Finale löst er sich endgültig vom bekannten Böse=Sexy-Schema (am besten noch ganz lasziv mit Zigarette im Mund) der Schwarzen Ära und driftet stattdessen ins geradeheraus Groteske und Hässliche – ein konsequent perfider Zerrspiegel unserer sexistischen Gesellschaft.

    Und wo wir gerade bei Spiegeln sind: Vaughn streut in „Terminal“ tatsächlich jede Menge Motive aus Lewis Carrolls Kinderbuch „Alice im Wunderland“ ein. Passend dazu erinnert die (Unter-)Welt von „Terminal“ in ihrem künstlich anmutenden Design vor allem an solche überstilisierten Genrefilme wie „Atomic Blonde“ oder „John Wick“. Kameramann Christopher Ross („Vom Ende einer Geschichte“) nutzt vor allem knallige Leuchtreklameschilder als Lichtquelle, die dem Setting einen surrealistischen Touch verleihen. Als Kulisse dienen abgewrackte Kneipen, endlose Korridore, speckige Nachtclubs und geheime Kabuffs, in denen im faden Licht geheime Telefonate geführt oder Kehlen durchgeschnitten werden.

    „Terminal“ ist von vorn bis hinten durchgestylt und so vor allem visuell überzeugend. Die Geschichte selbst bleibt bis zur überraschenden Auflösung hingegen so vage, dass sich erzählerisch durchaus der eine oder andere Hänger einschleicht. Aber wie Annie dann die von Dexter Fletcher („Bube Dame König grAS“) und Max Irons („Seelen“) verkörperten Auftragskiller manipuliert, sich für den totkranken Englischlehrer Bill herrlich trocken Tötungsszenarien zusammenfantasiert und am Ende alle scheinbar unabhängigen Erzählstränge wenn schon nicht schlüssig, dann doch zumindest nachvollziehbar zusammenlaufen, macht auf eine kranke Art durchaus eine ganze Menge Laune – zumindest all jenen, die ihre Pointen am liebsten pechschwarz und möglichst nihilistisch serviert bekommen.

    Fazit: In dem verstörenden, durch und durch dreckigen Neo-Noir-Thriller „Terminal“ verkörpert Margot Robbie die Femme-Fatale-Variante von Lewis Carrolls Alice, die sich in einem abgründig-verzerrten Wunderland als Racheengel mit sadistischem Vergnügen an all den Männern um sich herum abarbeitet.

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