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    The Kitchen: Queens Of Crime
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Kitchen: Queens Of Crime

    Desperate Housewives werden zu Mafia-Bossen

    Von Carsten Baumgardt

    Eine hervorragende Besetzung mit Melissa McCarthy, Elisabeth Moss und Tiffany Haddish! Eine Regisseurin, die für ihr Drehbuch zum elektrisierenden Gangster-Drama „Straight Outta Compton“ mit einer Oscarnominierung ausgezeichnet wurde! Dazu ein zwar eher unbekannter, aber von der Kritik gefeierter DC-Comic als Vorlage! Was soll da noch schiefgehen? Die enttäuschende Antwort: Eine ganze Menge! Denn Andrea Berloffs Regiedebüt „The Kitchen: Queens Of Crime“ ist eine erzählerisch und inszenatorisch ärgerlich vermurkste Kino-Adaption des Vertigo-Comics „The Kitchen“ von Ollie Masters und Ming Doyle. Trotz einer formidablen Siebziger-Ausstattung passt hier am Ende einfach nur wenig zusammen, weil Berloff ihr Crime-Drama als wenig glaubwürdigen Frauenpower-Wohlfühlfilm zu verkaufen versucht, obwohl ihre blutigen Bilder im selben Moment eine komplett andere Sprache sprechen.

    New York, 1978. Im irisch geprägten Stadtteil Hell’s Kitchen stehen Kathy Brennan (Melissa McCarthy), Ruby O’Carroll (Tiffany Haddish) und Claire Walsh (Elizabeth Moss) mit ihren Kindern vor dem Nichts, als ihre Gangster-Ehemänner nach einem missglückten Schnapsladen-Überfall für drei Jahre in den Knast einwandern. Die befreundeten Hausfrauen sind zwar nicht gänzlich auf sich allein gestellt, doch der monatliche Unterhalt, den der lokale Gangsterboss Little Jackie (Myk Watford) bereitstellt, reicht nicht zum Leben. Trotzdem will Rubys einflussreiche Mobster-Schwiegermutter Helen (Margo Martindale) nicht helfen, obwohl sie im Hintergrund als Matriarchin die Fäden zieht. Sie hasst ihre schwarze Schwiegertochter nämlich. Kurzerhand entschließen sich Kathy, Ruby und Claire deshalb, selbst in die Schutzgelderpressung einzusteigen. Ihr Einfluss im Viertel wird so immer größer – bis Alfonso Coretti (Bill Camp), der Pate von Brooklyn, auf sie aufmerksam wird…

    Mischen in "The Kitchen: Queens Of Crime" die Männerwelt auf: Ruby O’Carroll (Tiffany Haddish), Kathy Brennan (Melissa McCarthy) und Claire Walsh (Elizabeth Moss).

    Das Kuriose: Alle Zutaten zu einem guten bis herausragenden Mafia-Thriller in der Tradition der Martin-Scorsese-Meisterwerke „GoodFellas“ oder „Casino“ sind da! Aber Regie-Newcomerin Andrea Berloff (schreibt aktuell an der Schwarzenegger-Fortsetzung „The Legend Of Conan“), die auch das Drehbuch selbst verfasst hat, verzettelt sich schnell heillos. Zwar erreicht „The Kitchen: Queens Of Crime“ nicht ganz die filmische Unfall-Dimension des jüngst ebenfalls völlig verunglückten Mafia-Thrillers „Gotti“ mit John Travolta, aber die Verschwendung von Talent ist dennoch immens – aller atmosphärischen New-York-in-den-späten-Siebzigern-Bilder zum Trotz. Das beginnt schon mit der fragwürdigen Fehlannahme, dass es offenbar supercool sei, wenn Frauen Schutzgeld erpressen. Nur, weil die drei Hausfrauen in der Kommunikation deutlich netter sind als ihre raubeinigen männlichen Rivalen, macht das den Sachverhalt nicht automatisch charmanter.

    Schutzgelderpressung mit einem charmanten Lächeln

    Man soll offensichtlich mit den drei gebeutelten und von ihren Männern unterdrückten Außenseiterinnen mitfiebern, wenn sie gangstertechnisch durchstarten. Und so ergibt sich bis etwa zur Hälfte der Spielzeit ein grotesk verzerrtes Bild von Wahrnehmung und Wirklichkeit. Man sieht auf der Leinwand einen Feel-Good-Film, die engagierten Frauen bekommen fürchterlich gute Laune und viel Selbstbewusstsein. In Collagen wedeln sie lächelnd mit Geldbündeln. So weit, so gut. In „The Wolf Of Wall Street“ gibt es eine ähnliche Schere. Aber Berloff geht noch einen Schritt weiter und versucht dem Zuschauer, diese Drangsalierung von rechtschaffenden Menschen nicht als kriminellen Akt, sondern als feine Geste der Gnade zu verkaufen: Die Opfer der Erpressungen grinsen sogar noch beim „Geschäftemachen“. Das ist Blödsinn. Nur weil ihre Männer und die anderen Mafia-Gangster Kotzbrocken sind, legitimiert das ihre Handlungen nicht, die hier Heiligenstatus genießen. In einer Szene lassen die fröhlichen Gangster-Frauen einen Juden per Kopfschuss töten, weil dessen Gemeinde ihren Einstieg in ein an sich legales Bauprojekt nicht zulassen will. Und auch hier transportiert „The Kitchen: Queens Of Crime“ immer noch fidel seine Wohlfühl-Attitüde.

    Realistisch muss ein solcher Film natürlich theoretisch nicht unbedingt sein, aber selbst die innere Logik der Erzählung stimmt hier fast nie: Warum plötzlich die gesamte irische Mafia vor drei unbedarften Desperate Housewives kuscht und sogar richtig Angst bekommt, ist nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Zumal das schon von Beginn an so ist und nicht erst, nachdem Kathy, Ruby und Claire beginnen, ihre Widersacher brutal zu töten. Denn irgendwann ist es dann doch mal mit dem Spaß vorbei, wenn sich die Leichenberge türmen und sich endlich der entsprechende Ernst auch in Berloffs Inszenierung wiederfindet. Doch dann ist es längst zu spät für den erzählerischen Tonwechsel und die abgründigen Taten erzeugen trotzdem keinerlei dramatische Wirkung mehr. Dazu sind die drei Hauptfiguren viel zu unterentwickelt – und ihrer Glaubwürdigkeit hilft es natürlich auch nicht, dass im dritten Akt plötzlich noch ein völlig unnötiger Twist um die Ecke kommt, der einfach nur für Kopfschütteln sorgt, weil er zumindest eine der Figuren komplett ad absurdum führt.

    Bleiben als gehörnte Ehemänner im Knast zurück: Kevin O'Carroll (James Badge Dale) , Rob Walsh (Jeremy Bobb) und Jimmy Brennan (Brian d'Arcy James)

    Von dem Schauspielerinnen-Trio kommt Elizabeth Moss („Mad Man“, „The Handmaiden’s Tale“) noch am besten weg. Sie verliebt sich in den psychopathischen Killer Gabriel O’Malley, der von Domhnall Gleeson („Ex-Machina“) herrlich durchgeknallt gespielt wird. Ihr Leidensdruck ist durch ihren brutalen Ehemann Rob (Jeremy Bobb) am größten und so trifft ihr persönlicher Handlungsstrang, in dem sie von Gabriel zur ebenso psychopathischen Killerin ausgebildet wird und klaglos Menschen in der Badewanne zerstückelt, noch am ehesten den Ton der zwar auch feministischen, aber dabei düster-dreckigen Comic-Vorlage. Comedy-Superstar Melissa McCarthy („Brautalarm“), die sich zuletzt in „Can You Ever Forgive Me?” ihre verdiente zweite Oscarnominierung erspielte, erhält dagegen nicht viel Gelegenheiten, sich auszuzeichnen. Ihre Rolle ist dafür schlicht zu eindimensional. Shootingstar Tiffany Haddish („Girls Trip“) ergeht es nicht besser. Ihre Ruby bekommt zwar etwas mehr zu tun, doch die Charakterzeichnung ihrer Figur wird mit zunehmender Dauer immer wirrer.

    Fazit: Andrea Berloff setzt ihr auf dem Papier vielversprechendes Regiedebüt in den Sand, weil sie ihre abgründige Geschichte völlig unnötigerweise als Wohlfühlkino zu verkaufen versucht. Wer trotzdem New Yorks Hell’s Kitchen im Jahre 1978 entdecken will, sollte sich deshalb lieber die HBO-Drama-Serie „The Deuce“ von „The Wire“-Mastermind David Simon ansehen.

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