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    Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings

    Die bisher beste Action im MCU

    Von Björn Becher

    Dass in der kleinen 1-Zimmer-Wohnung der Hauptfigur des neuen MCU-Origin-Story-Blockbusters „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ die Poster von „Die Warriors“ und „Kung Fu Hustle“ an der Wand hängen, mag angesichts der scheinbaren Unterschiedlichkeit der Filme verwundern. Aber die Auswahl passt doch erstaunlich gut, denn Walter Hills düstere Anti-Utopie und Stephen Chows bunte Action-Komödie eint mehr, als man denkt: Neben mordenden Gangs und einer gewissen Entrücktheit haben die beiden Regisseure auf so viel handgemachte Action wie möglich gesetzt - und da schließt sich dann auch der Kreis zum Kinodebüt von Marvel-Held Shang-Chi.

    Regisseur Destin Daniel Cretton wirft uns zwar in die bislang außergewöhnlichste Fantasiewelt des MCU, die nicht nur voller Superhelden, sondern auch voller Drachen und sonstiger magischer Wesen ist. Aber während wir uns speziell aufgrund seines Meisterwerks „Short Term 12“ schon ziemlich sicher waren, dass seine Figuren und ihre Gefühle (auch dank einem erstklassigem Cast) ganz nah und erlebbar sein werden, punktet er besonders mit Action. Im CGI-Gewitter findet Cretton immer wieder Raum für reale Stunts – und die sind die besten, die wir bei Marvel bislang gesehen haben.

    Die beste Actionszene gibt es gleich zu Beginn: Shaun (Simu Liu) und Katy (Awkwafina) fahren Bus...

    Shaun (Simu Liu) und Katy (Awkwafina) sind allerbeste Freunde, die trotz Uni-Abschluss lieber als Park-Valets in San Francisco arbeiten und die Nächte in Karaoke-Kabinen durchfeiern. Doch dann wird Shaun im Bus plötzlich von Attentätern angegriffen – und weil er sich dabei mit beeindruckenden Martial-Arts-Fähigkeiten verteidigt, ist es Zeit, reinen Tisch mit Katy zu machen.

    Shaun heißt eigentlich Shang-Chi und sein Vater Wenwu (Tony Leung Chiu Wai) ist ein gefürchteter und mächtiger Mann, der seit 1.000 Jahren mit der Kraft zehn übernatürlicher Ringe Angst und Schrecken verbreitet. Shang-Chi, den sein Vater zum Killer und seinem Nachfolger ausbildete, konnte vor zehn Jahren fliehen. Weil er nun auch seine Schwester Xialing (Meng'er Zhang) in Gefahr wähnt, reist Shang-Chi mit Katy nach Macau, womit er aber zugleich seinem Vater in die Hände spielt. Der will die Familie nämlich mit einem ganz bestimmten Ziel wiedervereinen...

    Familiendrama im Fantasy-Blockbuster

    Selbst wenn es bei Marvel hin und wieder auch mal eine Nummer kleiner geht, ist in „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ am Ende doch wieder die ganze Welt in Gefahr. Allerdings gibt es erfreulicherweise mal keinen einfach nur größenwahnsinnigen, nach Allmacht strebenden Bösewicht. Zwar wird auch Wenwu im Prolog (mit leider nicht durchweg überzeugender Optik) als seit einem Jahrtausend nach immer mehr Macht strebender Kriegsfürst vorgestellt, aber dann offenbart sich sehr schnell, dass seine Figur doch viel komplexer ist und Destin Daniel Cretton hier mitten im Marvel-Blockbuster mit den meisten Fantasy-Elementen ein vielschichtiges Familiendrama erzählt.

    Wenwu verkraftet nicht, dass er trotz all seiner Macht seine große Liebe nicht retten konnte - und nun glaubt er, dass er die Mutter (Fala Chen) von Shang-Chi und Xialing zurückbringen kann, wenn er dafür nur deren in einem magischen Wald verstecktes Heimatdorf zerstört. Wenwu ist einer der bislang besten Bösewichte im MCU, weil er trotz aller Macht und seines Alters eine nahbare Figur aus Fleisch und Blut ist – woran auch der herausragende Tony Leung Chiu Wai einen maßgeblichen Anteil hat. Die Hongkong-Schauspiellegende, die u. a. aus den Klassikern von John Woo („Hard Boiled“) und Wong Kar-Wai („In The Mood For Love“) bekannt ist, beeindruckt nicht nur in Actionszenen, sondern vor allem dann, wenn der ganze Schmerz dieses 1.000 Jahre alten Mannes in seinem Gesicht zu lesen ist.

    Shang-Chis Schwester Xialing (Meng'er Zhang) entpuppt sich als supercoole Käfig-Kämpferin.

    Ohnehin begeistert „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ mit einem hochkarätigen Cast. Newcomerin Meng'er Zhang ist in ihrer wirklich allerersten Filmrolle derart cool als taffe, selbst nach Macht strebende Schwester, dass man ihr direkt ihr eigenes Spin-off wünscht – und darüber hinaus bilden Simu Liu und Awkwafina im Zentrum der Geschichte eines der bisher besten Marvel-Paare. Die Chemie zwischen den beiden zahlt sich nicht nur bei den schlagfertigen Screwball-Dialogen, sondern vor allem auch in vielen kleinen Charaktermomenten aus. Ihr Blick, wenn sie ihn das erste Mal ohne T-Shirt sieht, sowie die immer wieder eingebauten zufälligen Berührungen erzählen so viel über die wahren Gefühle der beiden „besten Freunde“ füreinander – obwohl die große Liebesgeschichte (noch?) ausbleibt.

    Während Awkwafinas herausragendes komödiantisches Timing sich inzwischen längst herumgesprochen hat, wird auch der bislang wohl nur Fans der Sitcom „Kim's Convenience“ bekannte Liu sicherlich seinen Durchbruch feiern – wobei hier vor allem seine Action-Skills im Gedächtnis bleiben. Seine Vergangenheit als Stuntman zahlt sich nicht nur im herausragend choreographierten Kampf in einem ohne Bremsen über die steilen Straßen von San Francisco rasenden und langsam in der Mitte auseinanderbrechenden Bus aus. Während die brenzlige Situation selbst als „Speed“-Hommage schon für genügend Nervenkitzel sorgt, beeindruckt er mit einer erstaunlichen Akrobatik: Vom Kip-up bis zum zwei Gegner gleichzeitig treffenden Spagat-Kick erinnern viele Bewegungen trotz des sehr verschiedenen Körpertypus wohl nicht zufällig an Jackie Chan.

    Vom Besten gelernt

    Chans langjähriger Schüler Bradley James Allan koordinierte nämlich die Stunt-Arbeit. Der kurz vor dem Kinostart von „Shang Chi“ verstorbene Australier hat schon in der Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt, wie man verschiedenste Action-Ansätze kombinieren kann – ob gemeinsam mit seinem Lehrmeister im Martial-Arts-Western „Shang-High Noon“ oder für Jackie-Chan-Superfan Edgar Wright in „Scott Pilgrim Vs. The World“. Und so gibt es auch in „Shang-Chi“ abwechslungsreiche Action - von der Hommage an „Tiger & Dragon“, in der Tony Leung Chiu Wai und Fala Chen schwerelos durch die Luft wirbeln, über einen beinharten Käfig-Fight, bei dem Simu Liu und Meng'er Zhang hart auf den Boden krachen, bis hin zur außergewöhnlichen Akrobatik auf einem Bambus-Baustellengerüst an einem Wolkenkratzer, wo maskierte Ninjas in luftiger Höhe über mehrere Ebenen hinweg ausgeschaltet werden müssen.

    Die akrobatischen Einlagen dominieren vor allem die erste Hälfte, bevor man nach und nach immer tiefer in die mystische Welt von „Shang-Chi“ abtaucht (immerhin kam auch schon im Trailer ein klassisch-chinesischer Drache vor). Das große Finale ist dann eine gigantische CGI-Orgie, die zwar auch ihre Momente hat, aber neben dem bereits erwähnten Prolog der schwächste Teil des Films ist. Denn obwohl hier plötzlich gewaltige Fabelwesen kämpfen, fehlt die sichtbar angestrebte Überwältigung – und das hat gar nichts damit zu tun, dass vielleicht Kämpfe magischer Kreaturen von Natur aus weniger mitreißend wären, sondern liegt vielmehr daran, dass Marvel einmal mehr eine große Actionszene visuell mit grauer Eintönigkeit umsetzt.

    Einer der bisher besten und komplexesten Bösewichte im MCU: Hongkong-Schauspiellegende Tony Leung Chiu Wai als Wenwu.

    Da stecken wir schon mitten in einer bunten Fantasiewelt voller Fabelwesen und haben mit Bill Pope auch noch den Kameramann, der nicht nur „Matrix“ zum Meisterwerk gemacht, sondern mit „Spider-Man 2“ auch noch das nach wie vor visuell aufregendste Superhelden-Action-Abenteuer gefilmt hat. Und statt seine eigentlich exzellente Kameraarbeit mit kräftigen Farben vor schwarzen Hintergründen zu unterstreichen, Hingucker wie den roten Anzug des Titelhelden noch stärker herausstechen zu lassen, ist das alles seltsam entsättigt, sind Farben im Vordergrund und im Hintergrund blasser und gedämpfter. So sind die CGI-Actionmomente im Prolog und besonders im Finale zu oft ein Grau-in-Grau-Mischmasch.

    Das ist vor allem schade, weil „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ ansonsten die besten Actionszenen im MCU zu bieten hat. Sowieso bereichern der neue Held und vor allem die neue Dimension, die er mitbringt, das Marvel-Kinouniversum ungemein: „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ macht das MCU noch verrückter, noch außergewöhnlicher und damit für die Zukunft auch interessanter – übrigens ohne sich von der bisherigen Erzählung zu distanzieren, ganz im Gegenteil! Vor allem all jene Fans, die den Twist von „Iron Man 3“ hassen und vorab die Ankunft des „echten Mandarin“ feierten, sollten sich auf eine echte Überraschung einstellen. Denn so wie Marvel hier der Vielfalt des Action-Kinos huldigt, umarmt man den „Iron Man 3“-Twist auch und treibt ihn sogar noch wilder weiter. Das sorgt unter anderem für eine richtig großartige One-Man-Comedy-Show mitten in der Action.

    Fazit: Herausragende Stunts und ein starker Cast! Marvel liefert mit „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ mal wieder ab und zeigt, dass das MCU noch lange nicht am Ende ist, sondern nur immer größer, vielfältiger und verrückter wird.

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