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    Knock At The Cabin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Knock At The Cabin

    Bloß vorher nicht den neuesten Trailer schauen!

    Von Stefan Geisler

    M. Night Shyamalan ist nicht nur ein gefeierter Regisseur, sondern hat darüber hinaus auch noch ein ganz besonderes Marketingtalent: Die Prämissen seiner Filme passen zwar – mit wenigen Ausnahmen – auf einen Bierdeckel, versprechen aber bereits in einer Zwei-Satz-Zusammenfassung dermaßen viel Spannung und Mystery, dass sich selbst diejenigen, die schon öfter von seinen Filmen enttäuscht wurden, kaum der Anziehungskraft seiner Leinwand-Rätsel entziehen können. Das Weltuntergangs-Kammerspiel „Knock At The Cabin“ basiert diesmal zwar nicht auf einer Originalidee des Twist-Masterminds, sondern auf dem Roman „The Cabin At The End Of The World“ von 2018 …

    … und doch erfüllt die Kurz-Zusammenfassung alle Ansprüche an einen Shyamalan-Plot: Eine vierköpfige Gruppe klopft an eine Hütte im Wald – und erklärt den Bewohner*innen, dass sich einer von ihnen in den nächsten 24 Stunden opfern muss, um den Weltuntergang zu verhindern. Wer will nicht sehen, wie das ausgeht – und so hat man sich bereits das Ticket zum neuen Shyamalan gesichert, immer in der Hoffnung, hier einen weiteren „The Sixth Sense“ oder „Split“ und nicht unbedingt einen „The Happening“ oder „Glass“ zu erwischen.

    Eric (Ben Aldrige), Andrew (Jonathan Groff) und Wen (Kristen Cui) staunen nicht schlecht …

    Es sollte ein Ausbruch aus dem stressigen Alltag für Eric (Ben Aldridge), Andrew (Jonathan Groff) und ihre Tochter Wen (Kristen Cui) werden: In einer einsamen Waldhütte, fernab vom Gesellschaftslärm der modernen Zivilisation, wollte die Familie endlich zur Ruhe kommen. Doch daraus wird nichts, denn beim Spielen in Wald trifft die kleine Wen auf den sanftmütigen Riesen Leonard (Dave Bautista), der ihr schon bald verkündet, dass ihrer Familie eine schwere Entscheidung bevorstehen wird. Das Familienidyll nimmt endgültig ein jähes Ende, als noch drei weitere, mit grob geschlagenen Mordwaffen ausgestattete Fremde (Rupert GrintNikki Amuka-Bird und Abby Quinn) auftauchen und sich gewaltsam Zutritt zur Hütte verschaffen.

    Das Quartett nimmt die verängstigte Familie als Geisel und verkündet ihnen, dass der Weltuntergang bevorstehen würde. Die einzige Möglichkeit, die nahende Apokalypse zu stoppen, wäre ein Menschenopfer aus ihrer Mitte – jedoch muss dieses freiwillig geschehen. Was ist dran an den kruden Behauptungen der Gewalttäter*innen? Ist ihre Familie tatsächlich auserwählt, die Welt zu retten oder handelt es sich bei Leonard und seinen Begleiter*innen um eine wahnsinnige Sekte oder bloße Spinner*innen?

    Dave Bautista ist der MVP!

    Schon der erste Trailer zu „Knock At The Cabin“ war eine Wucht. Allein die vier bunt zusammengewürfelten Eindringlinge, die aussehen, als hätten sie sich gemeinsam im Kirchenchor radikalisiert und sich aus allem, was sie gerade finden konnten, möglichst brachiale Mordwerkzeuge gebaut, übten auf Anhieb eine verstörende Faszination aus. Insbesondere Ex-Wrestler Dave Bautista stach bereits hier als Anführer der Truppe hervor – und tatsächlich ist der „Guardians Of The Galaxy“-Darsteller das absolute Highlight des Films, wenn er als lammfrommer Leonard gnadenlos jede Szene dominiert, in der er zu sehen ist – und das mit einem großartig zurückgenommenen Spiel!

    Es hat seinen ganz speziellen Reiz, wenn dieser mit Tätowierungen übersäte Berg von einem Mann, dessen weißes Hemd nur mit Mühe die Muskelmassen verdecken kann, fast schüchtern und übertrieben höflich agiert, während er allein durch seine schiere körperliche Präsenz stets die Gefahr vermittelt, dass jede Szene gleich eskalieren könnte. Wer „Knock At The Cabin“ gesehen hat, der versteht, warum Dave Bautista in Interviews immer wieder betont, dass er in Zukunft nicht mehr als der grobschlächtige Drax aus den MCU-Filmen betrachtet (und besetzt) werden möchte. Das Zeug zum Charakter-Darsteller hat der Hüne allemal. Wer hätte das vor zehn Jahren für möglich gehalten?

    … als ihnen ihre vier ungebetenen Gäste den baldigen Weltuntergang ankündigen!

    Handwerklich ist M. Night Shyamalans Ausflug in das Home-Invasion-Genre wenig vorzuwerfen. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert im Mystery-Thriller-Fach hat er all die kleinen Tricks raus, um die Spannungsschraube anzuziehen – und die frühen Vergleiche als „der neue Hitchcock“ und „der neue Spielberg“ sind ohnehin hinfällig, schließlich ist er längst zu seiner ganz eigenen Marke geworden. Die klaustrophobische Atmosphäre in der kleinen Hütte, die nur aus einem Zimmer zu bestehen scheint und durch die ungewollten Besucher*innen plötzlich aus allen Nähten zu platzen droht, wird durch eine Vielzahl intensiver Close-Up-Einstellungen noch weiter befeuert. Weder für die Zuschauer*innen noch die gefesselten Opfer gibt es ein Entkommen vor Leonard, der mit seinen unglaublichen Geschichten vom bevorstehenden Weltuntergang die ganze Leinwand einzunehmen scheint.

    Inhaltlich hingegen ist M. Night Shyamalans schon immer angeeckt. Seit den meisterhaften Twist-Enden von „The Sixths Sense“ und „Unbreakable“ ist er regelrecht darauf festgelegt, am Ende noch ein allen den Boden unter den Füßen wegziehendes Kaninchen aus dem Hut zu zaubern – was mal mehr, aber immer wieder auch weniger gut funktioniert. Auch „Knock At The Cabin“ hat ein Dritter-Akt-Problem – nur hat dieses hier nichts mit einem späten Twist zu tun, ganz im Gegenteil: Wer den zweiten, viel zu viel spoilernden Trailer gesehen hat, für den gibt es praktisch keine Überraschungen mehr. Stattdessen erweist sich der Film nach einem starken Auftakt als erstaunlich spannungsarm. Bereits ab der Hälfte lässt sich die Auflösung des Films selbst von jenen vorhersehen, die den Trailern aus dem Weg gegangen sind.

    Der Film wäre besser in der Hütte geblieben

    Der Film spult dann nur noch die erwartbare Handlung ab – inklusive Fluchtversuch und emotionalen Flashbacks, die uns die Entscheidungsschwierigkeiten des homosexuellen Protagonisten-Paars samt adoptierter Tochter noch einmal näherbringen sollen. Doch diese Rückblenden fügen den Protagonisten keine Tiefe hinzu, sondern handeln nur im Schnelldurchlauf die gesellschaftlichen Probleme eines gleichgeschlechtlichen Paares ab – inklusive homophober Gewalt-Verbrechen und der Ablehnung des Partners durch die eigenen Eltern. Dabei werden alle diese Themen auch schon in den Dialogen zwischen den Figuren in der Hütte aufgegriffen – und so stören die Rückblenden vor allem die klaustrophobische Anspannung, die doch eigentlich die zentrale Stärke dieses Home-Invasion-Mystery-Thrillers ist.

    Achtung – der folgende Absatz enthält Spoiler (aber auch nicht mehr als der zweite Trailer): Wie schon in der finalen Vorschau zu „Knock At The Cabin“ gesehen, wird die Welt tatsächlich von plötzlichen Flugzeugabstürzen und gewaltigen Flutwellen überrollt. Während uns Shyamalan schon in „Signs – Zeichen“ buchstäblich Aluhutträger*innen präsentiert hat, wenn auch auf verspielte Weise, gibt es in „Knock At The Cabin“ nun die sympathischen Religions-Schwurbler*innen von nebenan, die nach ihrer Radikalisierung nicht nur Menschen kidnappen und terrorisieren, sondern damit auch noch „das Richtige tun“. Das ist zumindest provokant an der Grenze zum Fragwürdigen.

    Fazit: M. Night Shyamalans atmosphärisches Kammerspiel „Knock At The Cabin“ lebt von seiner beklemmenden Stimmung und der Über-Präsenz von Dave Bautista, der hier mal wieder zeigt, dass er längst auch größere schauspielerische Herausforderungen zu stemmen vermag. Leider beraubt sich der Home-Invasion-Mystery-Thriller zu früh der eigenen Spannungselemente – und auch der angedeutete Schulterschluss mit der religiösen Schwurbler*innen-Front könnte für einen Teil des Publikums ähnlich verstörend wirken wie die düsteren Visionen der Apokalypse.

     

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