Quasi noch mal derselbe Film – aber (trotzdem) super!
Von Julius VietzenWie sehr sollte sich ein (Realfilm-)Remake am Original orientieren? Diese immer wieder aufkommende Frage wird auch aktuell wieder viel diskutiert, nachdem das gerade angelaufene Realfilm-Remake von „Lilo & Stitch“ in Sachen Gewalt und Konflikte im Vergleich zur animierten Vorlage spürbar entschärft wurde – und die zum Teil harsche Kritik an „Schneewittchen“ wurde auch damit begründet, dass sich die Neuauflage (vermeintlich) zu sehr vom Original von 1937 entfernte. Dem Realfilm-Remake von „Drachenzähmen leicht gemacht“ wird das hingegen wohl niemand vorwerfen (können).
Schließlich erzählt Dean DeBlois, einer der beiden Regisseure des Originals, die Handlung aus dem Jahr 2010 mit nur minimalen Änderungen einfach Figur für Figur, Dialog für Dialog und Szene für Szene nach – nur halt eben mit Schauspieler*innen aus Fleisch und Blut. Fast schon könnte man da von einem grafisch aufpolierten Remaster sprechen. Aber was für eins! Schließlich ist schon der animierte „Drachenzähmen leicht gemacht“ ein verdammt guter Film, den DeBlois nun mit viel Liebe, den modernsten Mitteln der Technik sowie einem gut aufgelegten Schauspielensemble aufpoliert.
Willkommen in Berk! Hier lebt schon seit Generationen ein kriegerischer Stamm, der gegen die Drachen kämpft, die irgendwo in der Nähe ihr Nest haben und das Wikinger-Dorf regelmäßig überfallen. Kein Wunder also, dass die Bewohner*innen von Berk ebenso zäh wie rau sind – mit einer Ausnahme: Hicks (Mason Thames), der Sohn des Häuptlings Haudrauf der Stoische (Gerard Butler), passt so gar nicht in die Gemeinschaft: Schließlich tüftelt er nicht nur am liebsten an allerlei Apparaturen in der Schmiede von Grobian (Nick Frost), ihm fehlt auch komplett das Talent zum Kämpfen.
Trotzdem ist es ausgerechnet Hicks, der mit einer selbstgebauten Balliste einen Nachtschatten – einen sagenumwobenen und vermeintlich brandgefährlichen Drachen – vom Himmel holt. Allerdings glaubt ihm das in Berk niemand so richtig – und als sich Hicks selbst auf die Suche nach dem abgestürzten Nachtschatten macht, stellt er schnell fest: Drachen sind gar keine tödlichen Bestien, sondern hochintelligente Tiere. Schon bald entsteht zwischen ihm und dem auf den Namen Ohnezahn getauften Nachtschatten eine tiefe Freundschaft. Doch wie werden Hicks Vater und die anderen Wikinger*innen in Berk darauf reagieren?
Der originale „Drachenzähmen leicht gemacht“ hat in der FILMSTARTS-Kritik starke 4 von 5 Sternen bekommen, doch er kann optisch kaum verheimlichen, dass er mittlerweile stolze 15 Jahre auf dem Buckel hat. Für einen computeranimierten 3D-Film ist das eine verdammt lange Zeit, zumal sich die technischen Möglichkeiten inzwischen rapide weiterentwickelt haben – selbst wenn die Beteiligung von Kameralegende Roger Deakins (Oscars für „Blade Runner 2049“ und „1917“) als visueller Berater für einige nach wie vor wirklich atemberaubende Bilder sorgt. Die Zeit ist also reif für ein Update – und genau das liefert Dean DeBlois mit seinem Realfilm-Remake.
Zwar wurde nicht absolut jede Szene Einstellung für Einstellung neu gedreht (so wie etwa bei Gus Van Sants „Psycho“-Remake aus dem Jahr 1998). Doch wer das Original gut kennt, weiß auch bei der Neuauflage ganz genau, was in jeder einzelnen Sequenz passieren wird – selbst wenn hier und da mal eine kleine Szene gestrichen oder eine Figur wie etwa der Dorfälteste Gothi (Naomi Wirthner) im Realfilm etwas mehr Raum bekommt. Dessen sollte man sich also vor „Drachenzähmen leicht gemacht“ bewusst sein. Doch die zeitlos schöne und clever konstruierte Geschichte von der Freundschaft zwischen Junge und Drache funktioniert auch im Realfilm – mit nur ganz wenigen Abzügen in der B-Note – wieder ganz wunderbar.
Das ist zu einem großen Teil der Besetzung zu verdanken: Mason Thames („The Black Phone“) gibt einen liebenswert-trampeligen Hicks, der im Zusammenspiel mit Nico Parker („The Last Of Us“) als Astrid wunderbar harmoniert. Ihre Figur wurde im Vergleich zum Original sinnvoll ausgearbeitet und abgerundet, so wie die kleinen Ergänzungen auch sonst dafür sorgen, dass sich der Realfilm insgesamt einen Tick runder und reifer anfühlt. Deshalb ist es auch ganz passend, dass der neue Film von der Freiwilligen Selbstkontrolle mit einer FSK ab 12 Jahren belegt wurde, während das Original bereits ab 6 Jahren freigegeben ist. Neben den beiden Jungstars drängen sich vor allem noch zwei andere Schauspieler in den Vordergrund:
Gerard Butler („300“) hat sichtlich Spaß daran, Haudrauf nun auch in echt zu spielen, nachdem er der Figur bereits in der Originalfassung seine markante Stimme geliehen hatte. Und Comedy-Ass Nick Frost („Shaun Of The Dead“) ist als Schmied und Drachenkampf-Trainer Grobian immer wieder für gelungene Gags gut. Die Figuren (und Drachen) im neuen „Drachenzähmen leicht gemacht“ agieren dabei größtenteils deutlich weniger Cartoon-artig als im Animationsfilm. Das sorgt allerdings hin und wieder auch dafür, dass direkt übernommene Witze in der Live-Action-Version etwas unpassend wirken. So etwa, wenn Haudrauf seinem Sohn einen aus der halben Brustplatte seiner verstorbenen Mutter gefertigten Helm überreicht – die bewusst übertriebenen Proportionen passen im Realfilm einfach nicht.
Auch wenn – oder womöglich eher: gerade weil – sich Dean DeBlois so eng an das Original hält, zaubert er mit kräftiger Unterstützung von John Powells fantastischer Filmmusik immer wieder absolut magische Momente auf die Leinwand – so etwa das amüsant-verspielte Kennenlernen von Hicks und Ohnezahn oder den in glühendes Sonnenuntergangs-Orange getauchten Flug mit Astrid. Die ersten gemeinsamen Flugversuche von Hicks und Ohnezahn, die schließlich in die bereits im Original absolut ikonische und auch diesmal wieder wahrhaft berauschende „Test Drive“-Szene münden, sorgen trotz des bekannten Ausgangs für Gänsehaut – ebenso wie das packende und berührende Finale.
In vielen solchen Momenten übertrifft die Wirkung des neuen „Drachenzähmen leicht gemacht“ sogar die des Originals, weil die Szenen mit echten Schauspieler*innen einfach noch spektakulärer anmuten. Es ist zwar nicht offiziell bekannt, wie viel Budget für die Realfilm-Neuauflage zur Verfügung stand, aber es spricht viel dafür, dass Dean DeBlois wirklich das Maximum aus jedem einzelnen Dollar herausgeholt hat. Nicht nur wurden Berk und Umgebung in Nordirland mit vielen handgemachten Sets, Kostümen und Waffen zum Leben erweckt. Auch die Szenen, bei denen visuelle Effekte zum Einsatz kommen, sind so gut wie makellos – und das gilt insbesondere auch für die Drachen.
Vor allem die Szenen, in denen Menschen und Drachen aufeinandertreffen, wirken dabei verblüffend echt – nicht zuletzt, weil am Set lebensgroße Drachen(kopf)puppen zum Einsatz kamen, mit denen die Stars interagieren konnten. Am „unrealistischst“ wirkt da fast schon Ohnezahn, weil sich dessen Aussehen sehr eng am animierten Original orientiert, während die anderen feuerspeienden Flugechsen auch in „Game Of Thrones“ nicht fehl am Platz gewesen wären.
Fazit: „Drachenzähmen leicht gemacht“ erzählt einfach nochmal dieselbe Geschichte, steht dem Animationsfilm aus dem Jahr 2010 deshalb aber in nichts nach. Regisseur Dean DeBlois liefert nicht nur ein visuelles Upgrade für den mittlerweile etwas angestaubten Film von 2010, sondern zaubert seinem Publikum ein konstantes Lächeln ins Gesicht, während die erneut herausragende Action-Choreografie immer wieder für Gänsehautmomente sorgt.