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    Die FILMSTARTS-Meinung: Darum ist Tom Cruise in "Barry Seal - Only In America" so gut wie lange nicht mehr

    In „Barry Seal – Made in America“ kehrt Tom Cruise mit breitem Grinsen zu alter Form zurück. Wir nehmen den deutschen Kinostart der Abenteuer-Komödie am 6. September zum Anlass, den umstrittenen Superstar angemessen zu würdigen.

    Universal Pictures Germany

    Er wurde bisher drei Mal für den Oscar nominiert und hat drei Golden Globes gewonnen (jeweils für „Geboren am 4. Juli“, „Jerry Maguire“ und „Magnolia“). Aber für Tom Cruise müssten eigentlich ganz andere Auszeichnungen erfunden werden. Denn obwohl seine schauspielerischen Fähigkeiten aller Ehren wert sind, hat der bekanntlich nur 1,70 Meter große, im Staate New York geborene US-Amerikaner Qualitäten, die ihn von allen anderen Stars abheben. Die zeigt er nach einer kleinen Schwächephase jetzt wieder in Doug Limans „Barry Seal - Only In America“ - und fügt seiner glanzvollen Karriere so noch einen weiteren Höhepunkt hinzu.

    Tom Cruise ist kein Schauspielchamäleon wie etwa Daniel Day-Lewis oder der junge Robert De Niro, die sich bis zur Nicht-Wiedererkennbarkeit in ihre unterschiedlichen Rollen versenken. Stattdessen hat er wie die größten Stars des klassischen Hollywoodkinos eine unverwechselbare Aura. So wie John Wayne immer John Wayne war (selbst wenn er Dschingis Khan gespielt hat), ist Tom Cruise immer Tom Cruise. Und so werden wir uns wohl auch die reale Person Barry Seal fortan immer als Tom Cruise vorstellen.

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    Dieses gewisse Etwas ist schon in den Auftritten des Schauspielneulings Anfang der 80er zu spüren, noch zaghaft in Francis Ford Coppolas „Die Outsiders“, aber dann in „Lockere Geschäfte“ (1983) bereits ganz deutlich. Die etwas unbedarfte Sorglosigkeit, die er dort als Teenager an den Tag legt und die er wenige Jahre später auch an der Seite von Größen wie Paul Newman („Die Farbe des Geldes“) und Dustin Hoffman („Rain Man“) erfolgreich zeigt, haben die meisten Tom-Cruise-Figuren bis heute gemeinsam – und so befördert der abenteuerlustige Flieger Barry Seal Maschinengewehre und Kokain als wären es Obst und Gemüse. Das Besondere ist, dass er damit durchkommt – und dass wir ihm nicht wirklich böse sein können.

    Das vielleicht berühmteste Grinsen der Welt

    Der Leinwand-Tom-Cruise hat etwas von einem ewigen Pfadfinder, ein All-American-Boy, dem man allzu gerne einiges durchgehen lässt (bei der Privatperson und dem Scientology-Aushängeschild Tom Cruise sieht das ganz anders aus, aber das hat der Karriere nie nachhaltig geschadet). Diese bereitwillige Nachsicht des Publikums ist sicher zu einem beträchtlichen Teil auf das entwaffnend-unwiderstehliche Lächeln des Stars zurückzuführen, in dem oft auch ein Hauch Unverschämtheit liegt, das aber trotzdem völlig arglos und offen wirkt.

    Und das ist bis heute so: Wenn Tom Cruise sich als Barry Seal mit eben diesem Grinsen und seiner ebenfalls patentverdächtigen Sonnenbrillen-Lässigkeit in das Cockpit seines Flugzeugs setzt, dann denkt der langjährige Kinofan natürlich zuweilen an den Kampfpiloten Maverick aus „Top Gun“, der dem Jungschauspieler mehr als drei Jahrzehnte zuvor den großen Durchbruch bescherte. Aber anders als bei anderen Hollywood-Veteranen haben diese Gedanken nichts Nostalgisches oder gar Bedauerndes. Cruise mag inzwischen 55 Jahre alt sein, doch ihm sitzt immer noch der jugendliche Schalk im Nacken und so wirkt er letztlich fast alterslos. Mit ihm könnte sogar die immer wieder angedachte „Top Gun“-Fortsetzung (eigentlich eine ziemliche Schnapsidee) funktionieren, zumal er natürlich im Laufe seiner Karriere trotzdem auch an Reife gewonnen hat – und zu der gehört bei ihm auch eine gewisse Selbstironie.

    Spätestens seit seinem Auftritt als frauenfeindlicher Guru in Paul Thomas Andersons „Magnolia“ (1999) unterläuft Tom Cruise gerne hin und wieder das eigene Image. Dabei weiß er ganz genau, dass er ihm nie ganz entrinnen kann – eine Nummer wie sein bierbäuchiger und glatzköpfiger Auftritt in „Tropic Thunder“ wäre ohne das Wissen, dass wir da gerade Tom Cruise sehen, nicht einmal halb so witzig. Der Star spielt ganz bewusst mit seiner Tom-Cruise-Haftigkeit und dabei reicht das Spektrum immerhin vom Pop-Musical „Rock Of Ages“, in dem er sich nebenbei als versierter Sänger beweist, bis zum Action-Kracher „Edge Of Tomorrow“, wo er sich mit sichtlichem Vergnügen mit Co-Star Emily Blunt zankt. Dabei hat der Star über lange Zeit ein fast untrügliches Gespür für die richtigen Rollen an den Tag gelegt, was sich auch in der beeindruckenden Zahl von immerhin 17 Filmen zeigt, die in Nordamerika mehr als 100 Millionen Dollar eingespielt haben.

    Erst in den vergangenen Jahren hat sich Tom Cruise bei der Karriereplanung öfter ein wenig verkalkuliert. „Jack Reacher 2: Kein Weg zurück“ kam schon nicht besonders gut an und „Die Mumie“ erwies sich dann sogar als veritabler Flop. Beim Auftakt zum geplanten Dark Universe-Monster-Franchise erwies sich das drübergestülpte Reihen-Korsett selbst für den unerschütterlichen Tom Cruise als zu eng, zumal seine Figur ungewohnt uncharmant ist. Auch hatte er kaum Gelegenheit, sich als Actionstar in Szene zu setzen. Dabei ist Cruise‘ unermüdlicher Einsatz an der Actionfront ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Stars. Bei ihm ist das Kino wahrlich eine Bewegungskunst und mit der „Mission: Impossible“-Reihe schreibt er gleichsam eine Art filmischer Action-Enzyklopädie: Tom Cruise zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

    Keiner rennt so schön wie Tom Cruise

    Es sorgt immer wieder für Schlagzeilen, dass Tom Cruise so viele Stunts wie möglich selbst übernimmt. Und man mag es kaum glauben, dass beispielsweise beim irren Auftakt zu „Mission: Impossible – Rogue Nation“ tatsächlich der millionenschwere Superstar höchstpersönlich an der Tür eines startenden Airbus hängt. Dieser besondere Ehrgeiz, der wohl selbst nach dem Unfall beim Dreh des sechsten „Mission: Impossible“-Films nicht nachlassen werden wird, ist eines der Markenzeichen des Actionstars Tom Cruise. Und ganz egal, wie sehr am Ende vielleicht doch tricksend nachgeholfen wird, ist immer zu spüren, dass er sich körperlich und mental voll ins Zeug legt.

    Das demonstriert er nun auch in „Barry Seal“ wieder aufs Allerschönste und mit einem großen Augenzwinkern. Ein besonderer Höhepunkt ist Barrys Bruchlandung mitten in einem Wohngebiet, wenn er seine Flucht mit dem Gesicht voller Koks auf einem ausgeborgten Mädchenfahrrad fortsetzt. Selbst dabei macht Cruise eine gute Figur und überhaupt sind bei ihm die einfachen Szenen oft die wirkungsvollsten: Wenn er jemanden zu Fuß verfolgt, dann hat das Gerenne nicht nur eine erstaunliche Dynamik, sondern es paaren sich auf unvergleichliche Weise Anstrengung und Eleganz.

    Mit Tom Cruise wird eine Hochspannungsszene wie der legendäre Einbruch in Langley bei Ethan Hunts erstem Kinoeinsatz in Brian De Palmas „Mission: Impossible“ zusätzlich auch noch zu einem echten Drama. Denn Cruise gelingt immer wieder die Quadratur des Kreises für einen Filmstar: Er ist nicht nur ein überzeugender Jedermann (und erdet etwa den Außerirdischenangriff in „Krieg der Welten“), sondern glänzt auch als strahlender Action-Held (das kann bei ihm auch ein Anwalt sein wie in „Die Firma“) – und nicht selten sogar beides gleichzeitig. In „Barry Seal“ mag seine Figur nun durchaus doppelbödig und ambivalent sein, aber unsere Sympathien fliegen ihr trotzdem zu. Es ist schließlich Tom Cruise.

     

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