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    Wall Street: Geld schläft nicht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wall Street: Geld schläft nicht
    Von Carsten Baumgardt

    „Greed is good!" Gier ist gut! Dieses rücksichtslose Credo von Michael Douglas‘ Figur aus Oliver Stones Meisterwerk „Wall Street" (1987) ist zum Motto einer ganzen Generation von Börsenbrokern pervertiert, obwohl der Filmemacher das in keiner Weise beabsichtigt hatte. Viele wollten so sein wie dieser moralresistente, aalglatt gegelte Gordon Gekko, der seine Großmutter für den maximalen Profit verkauft hätte. Stone war mit seinem Vorgriff auf die Geschichte ein Visionär, doch seit Mitte der Neunzigerjahre und „Nixon" hat der Regisseur seine Relevanz als politischer Mainstream-Krawallmacher verloren. Die Finanzkrise macht es möglich, dass er mit „Wall Street – Geld schläft nicht" einen seiner einflussreichsten Filme fortsetzt. Doch das Sequel ist eine Enttäuschung – handwerklich solide, artet der Banken-Thriller in naive Kapitalismuskritik aus, die nur ein gut aufgelegter Michael Douglas noch ins Mittelmaß rettet.

    Acht Jahre hat Gordon Gekko wegen Insiderhandels und Betrugs im Gefängnis gesessen: 2001 wird er entlassen, aber kein Mensch wartet auf ihn. Seine Tochter Winnie (Carey Mulligan) hat ihm nicht verziehen, dass er nicht zur Stelle sein konnte, als ihr Bruder Rudy im Drogensumpf unterging. 2008 lässt sie sich dennoch mit einem Broker ein. Der junge aufstrebende Jacob Moore (Shia LaBeouf) scheffelt bei Keller Zabel Investments in New York seine erste Million Dollar, hat aber ehrenwerte Ziele und will auf dem Sektor der grünen Energien etwas bewegen. Er nimmt Kontakt zu seinem Schwiegervater in spe auf und plant, Gekko mit seiner Tochter zu versöhnen. Als Keller Zabel in die Pleite crasht und ein Börsenbeben auslöst, nimmt sich Jacobs Mentor Louis Zabel (Frank Langella) das Leben. Jacob macht den skrupellosen Börsenhai Bretton James (Josh Brolin) dafür verantwortlich und rächt sich an dessen Firma Churchill Schwartz. Als Dank erntet er einen Job in dem Unternehmen, dem er durch ein zwielichtiges Manöver 120 Millionen Dollar Verlust beschert hat. Das imponiert Bretton James. Gekko ist derweil unter die Buchautoren gegangen („Is Greed Good?") und hält Vorträge. Er scheint geläutert...

    Jahrelang geisterte das Sequel-Projekt zu „Basic Instinct" durch Hollywood – und als sich Sharon Stone dann dazu breitschlagen ließ, um ihre Karriere zu reanimieren, war dies nur der letzte Sargnagel für selbige. Michael Douglas bewies 2006 genug Weitsicht, die Finger von dem bitter missratenen „Basic Instinct 2" zu lassen. Selbst wenn er seit Anfang des Jahrtausends kaum noch Werke von Relevanz an den Start brachte (zuletzt: „Wonder Boys" und „Traffic" aus dem Jahr 2000), hatte es Douglas einfach nicht nötig, einen seiner großen Erfolg wiederzubeleben. Doch bei „Wall Street – Geld schläft nicht" ist der 1944 geborene Altstar schwach geworden. Er forcierte das Projekt zusammen mit Original-Produzent Ed Pressman sogar. Oliver Stone kam erst spät, Anfang 2009, hinzu, als ihm die weltweite Finanzkrise neue Perspektiven bot und ihm weitere Entfaltungsmöglichkeiten gegeben wurden, wie er auf der Pressekonferenz der 63. Filmfestspiele in Cannes bekannte, wo sein Film außer Konkurrenz läuft.

    Doch diese thematische Steilvorlage nutzt Stone („Platoon", "JFK") nicht energisch genug. Seit Jahren bemüht er sich nun mit ambitionierten Filmen um ein Comeback, hat dabei aber nie wieder den Biss der Achtziger- und Neunzigerjahre gezeigt. Der Mann, der einem George W. Bush früher filmisch den Hintern versohlt hätte, traute sich in „W." kaum mehr etwas zu und war auch nicht in der Lage, dem War On Terror in „World Trade Center" etwas Radikales hinzuzufügen oder in „Alexander" dem Mythos eine neue Dimension zu verleihen. Dieses sonderbare Phänomen der Harmlosigkeit setzt sich bei „Wall Street – Geld schläft nicht" fort. Stone und seine Drehbuchautoren Allan Loeb („21") und Stephen Schiff („Ein wahres Verbrechen") konzentrieren sich lediglich auf eine naive und brave Nacherzählung des Finanzcrashs – ein Thema, das seit Ende 2008 durch die Medien gezerrt wurde wie kein anderes. Unnötigerweise ergänzen sie diesen Finanzplot um eine halbgare Familiengeschichte um Gordon Gekko, seine enttäuschte Tochter und deren Broker-Freund, was sich in einem knallharten, analytischen Polit-Thriller über Macht und Moral, Machtmissbrauch und Amoral als Bremsklotz für die Handlung erweist.

    Die Karten für Gut und Böse sind allzu klar verteilt, auch wenn Stone erklärt, dass jeder der Charaktere den anderen an einer Stelle betrüge. Shia LaBeouf („Disturbia", „Transformers") übernimmt als Jacob Moore die Bud-Fox-Rolle von Charlie Sheen („Two And A Half Men"), der ein herrlich ironisches Cameo hat, kann aber nicht ansatzweise in dessen Fußstapfen treten. Der intelligente Börsenmakler-Hot-Shot ist LaBeouf nicht abzunehmen. Vielmehr wirkt er wie der „90210"-Brandon-Walsh der Wall Street – zu naiv, zu glatt, zu gut, um irgendwelche Widerhaken glaubhaft machen zu können. Selbst der eigentlich immer großartige Josh Brolin („No Country For Old Men", „Milk"), der in seiner Figur des Bretton James eins zu eins den Gordon Gekko des Originals nachspielt, ist kaum in der Lage, an das oscarprämierte Charisma Douglas‘ anzuknüpfen und liefert als Finanzjongleur nicht mehr als eine akzeptable Leistung ab. Nachwuchsstar Carey Mulligan (Oscarnominierung für „An Education") wiederum ist mit der undankbaren Aufgabe, die störende Familiengeschichte am Laufen zu halten, letztlich unterfordert.

    Es ist Michael Douglas, der die Kohlen aus dem Feuer holen muss. Er ist der einzige im gesamten Film, der undurchsichtig und somit als Charakter spannend bleibt. Dazu wird er mit den besten Onelinern versorgt, die voller selbstironischer Bezüge zum Original stecken. Sein Charakter ist einfach zu stark, um ihn zu demontieren, aber die Klasse der Vorlage erreicht er nicht mehr, selbst wenn er großartige Momente hat. Dazu fehlt der Erzählung insgesamt diesmal einfach die emotionale Resonanz. Im Original diente der zwischen den Extremen hin- und hergerissene Bud Fox noch als Identifikationsfigur, die in wirkungsvollem Kontrast zur überlebensgroßen Symbolfigur Gordon Gekko stand, an der sich Generationen von Zuschauern reiben konnten. In „Wall Street 2" funktioniert diese Balance nicht mehr, es bleibt nur die geschmälerte Freude daran, einen Starschauspieler noch einmal in seiner Paraderolle zu sehen.

    Natürlich ist Stone, der in seinem obligatorischen Cameo wieder selbst kurz zu sehen ist, immer noch ein hervorragender Handwerker, der auch diesen Film elegant und edel aussehen lässt, aber zu einem beißend-kritischen Kommentar zur Weltlage fehlt ihm offenbar derzeit die Kraft in der Stimme. Er präsentiert absolut nichts Neues, variiert nur die altbekannten Fakten und kommt zu dem Schluss, dass die Herren Banker sich doch bitteschön ein bisschen zusammenreißen sollen, damit die Finanzwelt nicht wieder aus den Fugen gerät. „Die Mutter allen Übels ist die Spekulation", sagt Gekko an einer Stelle. Das ist ebenso richtig wie banal und es ist nicht damit zu rechnen, dass die Finanzjongleure der Wall Street wegen dieser Erkenntnis innehalten und Besonnenheit zum neuen Börsencredo wird. Nein, der Betrieb wird nicht eingestellt und die nächste Spekulationsblase platzt garantiert irgendwann.

    Fazit: „Wall Street – Geld schläft nicht" ist wieder nicht das erhoffte Qualitäts-Comeback für Oliver Stone. Der Börsen-Thriller enttäuscht die hohen Erwartungen, die durch den kultigen Vorgänger geweckt wurden, denn Stones Abrechnung mit dem System ist nur eine zahme Zusammenfassung medial längst ausführlich diskutierter und analysierter Probleme. „Die Menschen haben sich nicht geändert, nur das Spiel", fasst Eli Wallach, der einen Börsenguru mimt, in Cannes zusammen. Wenigstens das zeigt Stone, aber unter dem Strich bleibt bedauerlicherweise sehr viel ungenutztes Talent und nicht ausgeschöpftes Potenzial. Oder in einem Wort zusammengefasst: Mittelmaß.

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