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    Michael Sheen als Android am Set von "Passengers": "Ich wollte natürlich keine typischen 'Mr. Roboto‘-Bewegungen hinlegen“

    Bei den Dreharbeiten zu Morten Tyldums Sci-Fi-Thriller „Passengers“ in Atlanta trafen wir nicht nur die Hauptdarsteller Jennifer Lawrence und Chris Pratt, sondern auch Michael Sheen, Drehbuchautor Jon Spaihts und Produzent Neal H. Moritz.

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    Neal H. Moritz zählt zu den ganz Großen der Branche. Seine Vita als Produzent reicht von der „Fast And Furios“-Reihe über „21 Jump Street“ und „I Am Legend“ bis zu „Total Recall“ und der Hit-Serie „Prison Break“. Zum Interview treffen wir Moritz direkt im Set des japanischen Raumschiff-Edel-Restaurants Nagasu.

    FILMSTARTS: Wie geht man einen Science-Fiction-Film wie „Passengers“ an, ohne sich von all den Genre-Klassikern zu sehr beeinflussen zu lassen?

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    Neal H. Moritz: Das ist eine sehr gute Frage. Um ehrlich zu sein, wirst du tatsächlich beeinflusst, das kannst du gar nicht verhindern. Du bedienst dich bei den Besten. Ganz oben auf dieser Topliste steht natürlich „2001 - Odyssee im Weltraum“ – aber trotzdem ist „Passengers“ absolut nicht wie „2001“. Ich darf zwar nicht über die Wendepunkte sprechen, aber es ist ein Charakterdrama, es geht um Beziehungen. Dank des Plots hatten wir die Chance, etwas ganz, ganz anderes zu machen, als viele von uns erwarten. Wir wollen keinen dieser generischen Science-Fiction-Filme drehen. Wir wollten realistisch sein, deshalb sieht das Set, in dem wir hier sitzen, auch gar nicht so realitätsfern aus, es ist eben ein normales japanisches Restaurant, nur eben ein bisschen weiter in die Zukunft gedacht.

    FILMSTARTS: Was war der Ausgangspunkt von „Passengers“? Wo hat die Idee begonnen?

    Neal H. Moritz: Der Ausgangspunkt war das Raumschiff. Die Idee war für mich, das ist ein Kreuzfahrtschiff im Weltraum, mit all diesen Leuten im Dauerschlaf. Dabei sollte man dann aber nicht an Filme wie „Das fünfte Element“ denken, das trifft es nicht. Alles hing vom Design des Schiffes ab. Das begann mit der Gravitation und all diesen Donut-Ringen, die im Weltraum rotieren, das sollte alles nachvollziehbar sein.

    FILMSTARTS: Wie bringt ihr den futuristischen Look mit der Liebesgeschichte zusammen?

    Neal H. Moritz: Das war fantastisch, weil das Drehbuch so vielfältig ist. Ich bin hier, weil 1) Morten Tyldum ein herausragender Regisseur ist und 2) das Drehbuch phänomenal ist – ich konnte gar nicht abwarten, an Bord zu kommen. Das ist so anders – ein Weltraumfilm ohne Waffen und ohne Monster ist buchstäblich so selten, dass man alles dafür geben würde, bei so einem Film dabei zu sein. Die Liebesbeziehung hat viele Höhen und Tiefen, es eine richtige Achterbahnfahrt. Zugleich ist der Maßstab gigantisch: Wenn man tatsächlich so ein Schiff bauen würde, würde es wohl etwa 80 bis 90 Jahre, um es fertigzustellen.

    FILMSTARTS: Wie viele Sets musstet ihr denn überhaupt bauen?

    Neal H. Moritz: Das sind gar nicht so viele. Ungefähr 45, für einen Film dieser Machart ist das sehr wenig, es ist aber die Dimension der Sets, die so gewaltig ist.

    FILMSTARTS: Welcher Set war logistisch am schwierigsten zu realisieren?

    Neal H. Moritz: Ich denke, es war mehr der eng gesteckte Zeitrahmen, der die meisten Probleme gemacht hat. Wir haben im April 2015 angefangen. Normalerweise hat man bei einem Film dieser Größe ein halbes Jahr Vorlauf für Designentwicklungen – wir hatten nur acht Wochen, bevor wir begonnen haben, die Sets zu bauen.

    FILMSTARTS: In euren Raumschiff-Designs gibt es eine Menge Art-Deco-Referenzen? Steht das für etwas Spezielles?

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    Neal H. Moritz: Ja, tatsächlich, die Deco-Bar ist etwas Einzigartiges. Ich habe mit Morten Tyldum darüber bereits bei unserem ersten Treffen gesprochen. Es ging um die Beziehung unserer Hauptfigur zu dem androiden Barmann – das ist definitiv eine Referenz an Stanley Kubricks „Shining“. Die Bar sieht zwar ein bisschen anders aus, aber das Muster der Teppiche ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Die gesamte Einrichtung ist von „Shining“ inspiriert.

    FILMSTARTS: Warum wolltet ihr auf „Shining“ verweisen?

    Neal H. Moritz: Weil wir das Gefühl hatten, dass diese Beziehung in „Shining“ zwischen Jack Nicholsons Charakter und dem Barmann etwas ganz Besonderes war – und ganz dezent überirdisch. Das ist eine Parallele zu unserer Geschichte. Außerdem sind Morten und ich mit diesem Film aufgewachsen, das ist unsere Generation. Das war unglaublich inspirierend für uns. Wir haben uns einfach gesagt: Yeah, lass‘ uns das machen! Es ist ein bisschen Fanboytum, aber es passt gleichzeitig auch so hervorragend zur Geschichte.

    FILMSTARTS: Glaubst du eigentlich, dass es beim Filmemachen generell wieder zurück zu handgemachten Sets geht und weg von diesen Green-Screen-Orgien?

    Neal H. Moritz: Ich begann meine Karriere tatsächlich bei ILM als Art Director für Spezialeffekte. Und aus genau diesem Grund habe ich mein Tätigkeitsfeld verlagert. Mitte der 90er Jahre habe ich Spezialeffekte für Filme wie „Twister“ entworfen, das war in der Hochzeit dieser seltsamen Manie: Oh, lass‘ uns ein einfach irgendwas Verrücktes auf den Green Screen werfen - alles kann dort passieren. Glücklicherweise haben Morten Tyldum und andere jüngere Regisseure, die jetzt nach vorne kommen, ein besseres Verständnis von der Welt der Spezialeffekte, um effektiver mit diesen Werkzeugen umzugehen.

    In den 90ern gab es eine Phase, wo Regisseure Probleme auf der Leinwand nicht lösen konnten und sagten: „Wir regeln das später in der Post-Produktion.“ Das war einfach furchtbar und gefährlich. Ich nenne hier keine Namen, aber jeder hat so seine Beispiele von klobigen Spezialeffekten, die einen aus dem Film reißen. Also, Morten und Christopher Nolan und all die anderen Regisseure dieser Generation haben ein starkes Verständnis davon, wie man Spezialeffekte und handgemachte Sets richtig einsetzt – im Vergleich zu CGI.

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    FILMSTARTS: Du erwähntest, dass einer der entscheidenden Gründe für dich das Mitwirken von Regisseur Morten Tyldum war: Kannst du das näher erläutern?

    Neal H. Moritz: Ich hatte bisher schon oft Glück und durfte mit einigen meiner All Time Heroes der Filmindustrie zusammenarbeiten. Aber jetzt will ich auch mit den besten meiner Generation arbeiten - und dazu gehört Morten. Natürlich habe ich „The Imitation Game“ gesehen, aber viel wichtiger war mir „Headhunters“. Ich erinnere mich daran, dass er mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Das war großartig, der Film hat alles, was man braucht, um unterhalten zu werden - mit Wendungen, die man einfach nicht erwartet. Eines Tages wollte ich mit Morten Tyldum arbeiten, sagte ich damals zu mir. Er ist ein brillanter Typ. Und darüber bin ich sehr glücklich, manchmal kneife ich mich, wenn ich zur Arbeit komme. Aber es ist auch hart, er ist ein Zuchtmeister – und das ist gut, weil er uns alle voranpeitscht, um einen besseren Film zu machen. Ich denke, dass sein großes Talent bisher noch nicht voll entdeckt ist, deshalb bekomme ich ihn jetzt auf dem Weg nach oben noch zu fassen und darf mit ihm bei einem so originellen Film zusammenarbeiten.

    FILMSTARTS: Offensichtlich existieren in unserer Welt (noch) keine gigantischen Raumschiffe wie das in „Passengers“. Dienten als Inspiration für das Design deshalb also eher Kreuzfahrtschiffe oder Luxushotels?

    Neal H. Moritz: Ich habe da tatsächlich recherchiert, aber erzähl‘ es nicht Morten, er wird dann richtig sauer, wenn ich sage, dass das Raumschiff aussieht wie ein gigantisches Hotel. Aber ja, ich habe mir alles angeschaut: Kreuzfahrtschiffe, Hotels, moderne und klassische, aber auch Technologien und Concept Arts der NASA – eben einfach alles, was ich in die Finger bekommen konnte.

    FILMSTARTS: Hast du dir auch Space Shuttles angeschaut?

    Neal H. Moritz: Ja, tatsächlich. Wir sind dort ständig, meine Frau und die Kinder sind aus irgendeinem Grund fasziniert davon.

    FILMSTARTS: Das Design der Space Shuttle ist im Gegensatz zu eurem Raumschiff aber sehr minimalistisch…

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    Neal H. Moritz: … ja, in der Tat. Aber das muss es auch sein. In der richtigen Weltraumfahrt dreht sich alles um die Ökonomie der Größe und Nutzung des vorhandenen Raumes. Um auf unsere Geschichte zurückzukommen: Es geht immer um das Illustrieren von Einsamkeit im Weltraum. Man kann es auch auf engstem Raum machen, wie sie es wundervoll in „Gravity“ geschafft haben. Das ist nur ein Weg, das zu zeigen, wir wählten den anderen und setzen Größe dagegen. Wir wollen auch zeigen, dass hier eine Menge Leute zu einem Ziel aufbrechen.

    Bevor sie auf dem neuen Planeten angekommen, gibt es eine Transitperiode von zwei bis drei Monaten… wie auf einem Flughafen, dort warten dann die Menschen, bis sie endlich ihr neues Leben beginnen können. Die Firma, die diese Raumflüge durchführt, hat eine sehr verführerische Umgebung konstruiert, um den Leuten ihr Geld aus der Tasche zu ziehen, bevor sie auf den Planeten heruntergelassen werden. Es ist eine sehr kommerzielle Unternehmung. Die Idee ist: Die Kunden zahlen ihre Gebühr und drei, vier Monate bevor sie ihr Ziel erreichen, landen sie sozusagen in einem Einkaufsparadies – das war das Konzept. Die Hauptfigur Jim läuft wie in einem riesigen Einkaufszentrum herum.

    Passengers“ startet am 5. Januar 2017 in den deutschen Kinos!

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