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    The Experiment
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Experiment
    Von Christoph Petersen

    Er ist neben „Lola rennt" und „Das Leben der Anderen" einer der ganz wenigen deutschen Filme, die in den vergangenen 15 Jahren auch international für Furore gesorgt haben. Waren bei all diesen Filmen zum einen oder anderen Zeitpunkt amerikanische Neuauflagen im Gespräch, hat Oliver HirschbiegelsDas Experiment" aus dem Jahr 2001 nun mit einiger Verspätung tatsächlich ein US-Remake bekommen. Doch ist das wirklich ein Grund zur Freude? Schließlich wird man beim Schauen das Gefühl nicht los, dass Regisseur und „Prison Break"-Autor Paul Scheuring gar nicht verstanden hat, worum es in dem zugrundeliegenden, 1971 real durchgeführten „Stanford-Prison-Experiment" eigentlich geht. Statt psychologisches Drama ist „The Experiment" deshalb ein seines Anspruchs beraubter Gefängnis-Film, der zwar mit zwei Oscarpreisträgern in den Hauptrollen stark besetzt, aber letztendlich ziemlich überflüssig ist.

    Aktivist Travis (Adrien Brody) würde mit seiner neuen Bekanntschaft Kelly (Maggie Grace, „96 Hours") gerne durch Indien touren, aber das Geld ist knapp, seitdem er seinen Job als Pfleger in einem Altersheim verloren hat. Um sich den Trip trotzdem leisten zu können, meldet sich Travis auf eine Zeitungsanzeige, in der Versuchskaninchen für ein zweiwöchiges psychologisches Experiment gesucht werden. Der überzeugte Pazifist bekommt den Job und findet sich wenig später in einem nachgebauten Gefängnistrakt wieder, wo die Teilnehmer in Wärter und Häftlinge eingeteilt werden. Die Aufgabe der Wärter besteht darin, die Häftlinge zur Einhaltung der von den Forschern aufgestellten Regeln zu bewegen, allerdings ohne dabei Gewalt als Mittel einzusetzen. Doch schon am zweiten Tag beginnt die Situation zu eskalieren. Besonders auf den aufständischen Travis haben es die Wärter abgesehen...

    Im Originalexperiment und auch in der Version von Oliver Hirschbiegel haben die Wissenschaftler genau darauf geachtet, möglichst durchschnittliche Menschen als Teilnehmer für ihre Forschung zu gewinnen. Dass das Experiment dann trotzdem aus dem Ruder gelaufen ist, sagt Erschreckendes über die menschliche Natur an sich aus. Regiedebütant Paul Scheuring bricht die Psychologie seines Films hingegen auf das Niveau von küchenpsychologischen Stammtischsprüchen herunter. War Moritz Bleibtreu in „Das Experiment" noch ein einfacher Taxifahrer sieht man Adrien Brody nun gleich in der ersten Szene auf einer Friedens-Demonstration gegen das Establishment wettern.

    Noch schlimmer sieht es auf Seiten der Wärter aus. Barris (Forest Whitaker) ist ein impotenter, von seiner Mutter unter der Fuchtel gehaltener Loser, der in seiner autoritären Rolle gleich einen Ständer bekommt, als die Gefangenen ihn zum ersten Mal mit „Sir" anreden. So wird Barris bereits in seiner ersten Szene als Wahnsinniger etabliert, während es einem bei den Auftritten von Justus Von Dohnanyi als Rädelsführer in „Das Experiment" doch gerade deshalb so eiskalt den Rücken runterlief, weil er zu Beginn noch so dermaßen normal gewirkt hatte. Ähnliches wie für Barris gilt auch für Chase (Cam Gigandet, „Twilight - Biss zum Morgengrauen"), einen sexsüchtigen Sadisten, der seine Frauenbekanntschaften am liebsten auf Discotoiletten von hinten nimmt und während des Experiments dann notgedrungen auf einen unwilligen homosexuellen Häftling ausweicht. Das hat mit dem Bloßlegen abgründiger menschlicher Natur nichts mehr zu tun. Hier verhalten sich Psychopathen im Rahmen eines Experiments genauso, wie sie es zuvor auch schon in der realen Welt getan haben. Die Aussagekraft reduziert sich so zwangläufig auf Null.

    Dazu passt auch der Umgang mit den Forschern, die man in „The Experiment" nur während des Auswahlprozesses zu Gesicht bekommt. Natürlich ist es langweilig, tatsächlich beim ersten Anzeichen von Gewalt abzubrechen, wie es im wahren Experiment der Fall war. Doch wo „Das Experiment" noch sinnvoll trickste, indem die Wächter die wachhabende Forscherin einfach überwältigten und so ungestört mit ihren sadistischen Spielchen fortführen konnten, macht es sich „The Experiment" nun doch zu einfach. Selbst nach übelsten Gewaltausbrüchen, einer Vergewaltigung und sogar einem Todesfall brechen die Wissenschaftler nicht ab - und zwar ohne dass dem Zuschauer dafür je eine Erklärung geliefert würde. Damit ist die Glaubwürdigkeit dann endgültig dahin.

    Trotzdem ist der Film kein Totalausfall. Wenn man das Originalexperiment und die erste Verfilmung mal beiseite lässt, geht er dank seiner überzeugenden Hauptdarsteller zumindest als guckbarer Genrestreifen durch. Adrien Brody (Oscar für „Der Pianist") macht zwar kaum eine echte Entwicklung durch, aber mit seinem gestählten „Predators"-Körper liefert er dennoch eine intensive Performance. Und auch Forest Whitaker (Oscar für „Der letzte König von Schottland") als machtrunkenes Muttersöhnchen gibt dem Affen ordentlich Zucker – selbst wenn zumindest zu Beginn ein Tacken mehr Subtilität sicherlich nicht geschadet hätte.

    Fazit: „The Experiment" ist ein weiteres glattgebügeltes Hollywood-Remake, das dem Original nicht im Ansatz das Wasser reichen kann.

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