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    The Suicide Squad
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    The Suicide Squad

    Bei Marvel undenkbar: Für solche Filme braucht man DC!

    Von Christoph Petersen

    Man braucht schon eine (un-)gesunde Portion Selbstbewusstsein, um ein Franchise, das vor gerade einmal fünf Jahren zwar nicht finanziellen, aber doch zumindest kreativen Schiffbruch erlitten hat, so bald noch mal neu aufzulegen. Aber James Gunn strotzt nach seinen Marvel-Megahits „Guardians Of The Galaxy“ und „Guardians Of The Galaxy Vol. 2” offensichtlich nur so vor Selbstbewusstsein – und benötigte dann auch nur ein einzelnes kleines Wort, um klarzumachen, dass seine eigene zugleich auch die ultimative Version des Stoffes sein wird: Auf „Suicide Squad“ folgt nun „The Suicide Squad“! Und tatsächlich: Schon nach den ersten 20 Minuten hat sich „The Suicide Squad“ seine drei zusätzlichen Buchstaben redlich verdient …

    … weil James Gunn direkt zu Beginn die legendäre D-Day-Szene aus Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ inklusive massenhaft zerfetzter und durchsiebter Körper ins Superhelden-Genre überführt: Dieser Auftakt zählt zum Kränksten, Wahnsinnigsten, Lustigsten, Brutalsten, Abgefahrensten, Überraschendsten, also rundherum Wunderbarsten, was man in einem Comic-Blockbuster jemals erleben durfte! Dabei haut „The Suicide Squad“ das Gros seiner überraschenden Twists und besten Szenen bereits in den ersten 20 Minuten raus – die Figuren halten sich an keine Regeln, warum sollten es dann James Gunn und sein Team tun? Deshalb aber auch der Tipp: Wer ein grundsätzliches Interesse an dieser Art von schwarzhumorigem, superbrutalem, anarchischem Meta-Comic-Kino hat, sollte besser von hier direkt zum Fazit springen, sich den Film ansehen und erst danach den Rest lesen.

    Neben alten Bekannten wie Harley Quinn oder Rick Flagg bietet dieses Suicide Squad auch Neuzugänge wie Bloodsport (Idris Elba) oder Peacemaker (John Cena).

    Im fiktiven Staat Corto Maltese herrscht nicht länger das von der US-Regierung gestützte Regime – und das ist vor allem deshalb ein Problem, weil dort eine Geheimwaffe intergalaktischen Ursprungs (sprich: der Godzilla-große Seestern aus dem Trailer) stationiert ist. Nun ist es an der von Amanda Waller (diesmal noch trockener: Viola Davis) geleiteten, mit überwiegend zu ihrem Glück gezwungenen Super-Verbrecher*innen bestückten Task Force X, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Dabei macht die Einheit ihrem in Geheimdienstkreisen gebräuchlichen Spitznamen alle Ehre – denn dort wird sie aufgrund der geringen Überlebenschancen der Mitglieder überall nur abfällig The Suicide Squad genannt…

    Angriff ist die beste Verteidigung

    Manchmal hat es auch seine Vorteile, wenn etwas nicht funktioniert. Das Marvel Cinematic Universe läuft beispielsweise derart rund, dass sich MCU-Mastermind Kevin Feige zwar inzwischen auch an eher ungewohnte Genres wie Superhelden-Horror („Doctor Strange 2“) herantraut – aber wirkliche Revolutionen sind dort wohl kaum noch zu erwarten. Disney tut sich ja schon extrem schwer, den bei der Übernahme von Fox mit eingekauften Deadpool in das MCU zu übernehmen – selbst wenn „Deadpool 3“ nach ziemlich viel Krampf inzwischen wohl doch sein R-Rating bekommen darf. Aber was würden die Verantwortlichen des Mäusestudios wohl sagen, wenn ihnen jemand allen Ernstes einen Film wie „The Suicide Squad“ vorgeschlagen hätte?

    Warner Bros. steht mit seinem DC Extended Universe (DCEU) hingegen auch acht Jahre nach „Man Of Steel“ noch immer mit dem Rücken zur Wand. Klar gab es zwischendrin auch Hits – aber am Ende bleibt das alles eben doch weiterhin mit Enttäuschungen wie „Batman v Superman“ oder „Justice League“ gespicktes Stückwerk. Und das wusste James Gunn, der bei Marvel schon vieles, aber längst nicht alles durfte, für sich auszunutzen: Nach seinem zwischenzeitigen Disney-Rauswurf wegen wieder aufgetauchter Uralt-Tweets heuerte er bei der Konkurrenz mit der Zusage an, dort absolute kreative Freiheit zu genießen. Wenn „Guardians Of The Galaxy“ zu 50% James Gunn war, ist es „The Suicide Squad“ nun zu 100%! Ein Albtraum für Wertebewahrer*innen und Jugendschützer*innen – eine diebische Freude für Fans von massenmordenden Wieseln!

    Sicher einer der neuen Fan-Favoriten: King Shark (im Original gesprochen von Sylvester Stallone).

    Denn während die meisten Anti-Helden-Blockbuster das „Anti“ auch gerne mal möglichst unbemerkt unter den Teppich kehren, macht James Gunn auch in dieser Hinsicht ernst. Oder wie viele Kinohelden kennt ihr, die wie Bloodsport (Idris Elba) und Peacemaker (viel besser als in „Fast & Furious 9“: John Cena) ein ganzes Rebellendorf im Schlaf niedermetzeln und sich dabei auch noch supercool fühlen? Und die typische Szene, in der der widerwillige Superheld seiner entfremdeten Tochter wieder nahekommt, endet hier nach einer Schrecksekunde, dass „The Suicide Squad“ womöglich doch noch einen ausgetretenen Pfad einschlagen könnte, in einem wilden Schreiduell voller nicht jugendfreier Beleidigungstiraden.

    Aber es geht nicht nur darum, dass einige der zentralen Figuren bis zum Schluss alles andere als sympathisch sind – auch bei der Auswahl der Heldenfähigkeiten geht James Gunn als Super-Comic-Nerd weiter als alle vor ihm: Neben dem bereits angesprochenen Psycho-Wiesel, der trotz seiner leichengesäumten Vergangenheit zum Instant-Fan-Favoriten mutiert, gibt es auch noch einen auf zwei Beinen gehenden, sein Fressverhalten nicht wirklich unter Kontrolle habenden Hai (Stimme im Original: Sylvester Stallone) sowie Polka-Dot Man (David Dastmalchian), der einmal am Tag haufenweise bunte Punkte auskotzen muss, weil sie ansonsten seinen ganzen Körper zerfressen würden. In „The Suicide Squad“ gibt es keine noch so kleinen Zugeständnisse an das sogenannte „Mainstream-Publikum“ – zumindest haben wir inmitten des anarchischen Wahnsinn-Blutrausches keine entdecken können…

    Die Attacke des hochhaushohen Seesterns!

    Eingeführt wird die Vielzahl an Figuren übrigens mit einem der genialsten, weil zynischsten Exposition Dumps überhaupt: In einer Szene studieren die Geheimdienst-Analyst*innen und Computer-Nerds aus Amanda Wallers Team die Akten der verschiedenen Task-Force-X-Mitglieder – allerdings nicht, um eine passende Truppe zusammenzustellen. Stattdessen setzen sie ein paar Kröten auf die Reihenfolge ihres Ablebens – ein klassischer Office-Wettpool eben, um den Job ein bisschen spannender zu machen, das kennen wir wohl alle von der letzten EM. Alle Szenen mit Waller und ihren Schreibtisch-Schergen wirken in „The Suicide Sqaud“ fast schon wie eine besonders bösartige Episode von „Stromberg“ – eine Büro-Farce der allerabgründigsten Sorte.

    In der Mitte kann „The Suicide Squad“ den anfangs etablierten Wahnsinnslevel und das dazugehörige Wahnsinnstempo nicht ganz halten – zumal wir auch gerne auf einige Szenen mit Harley Quinn (Margot Robbie) verzichtet hätten, um dafür mehr von den alles wegrockenden Neuzugängen zu sehen (zumindest Peacemaker kriegt ja glücklicherweise schon Anfang 2022 seine eigene achtteilige TV-Serie). Aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen – zumal das Finale wieder voll einschlägt: Der Kampf gegen den Kaiju-Seestern klingt wie ein schlechter Scherz, den man in einer geselligen Saufrunde abfeiert und dann am nächsten Morgen nach dem Ausnüchtern sofort wieder verwirft.

    James Gunn ist keine Idee zu verrückt - auch kein Held, der zerstörerische bunte Punkte verschießt (oder sie in einem dicken Schwall auskotzt).

    Aber James Gunn zieht die Nummer, die bei den allermeisten Regisseur*innen wohl nie im Leben über den Status eines Wegwerfgags am Rande hinausgekommen wäre, nicht nur gnadenlos durch – er schafft es auch, aus dem Seestern-Showdown eines der mitreißendsten, aufregendsten, bestinszenierten und -choreografierten Comic-Blockbuster-Finals seit Jahren zu machen. Während gerade der Showdown im Vorgänger noch totale Grütze war und zuletzt auch beim insgesamt gelungenen „Black Widow“ gerade dieser Aspekt wie häufiger im MCU enttäuscht hat, beginnt und endet „The Suicide Squad“ mit einem Knall, der das Publikum genauso wie die Genrekonventionen ordentlich durchrüttelt.

    Fazit: Aber das trauen die sich jetzt nicht wirklich, oder? Doch, das tun sie! „The Suicide Squad“ ist der ultimative WTF-Film und ein riesiger abgefuckter Anti-Helden-Spaß! Natürlich ist der finale Gegner da ein Alien-Seestern von der Größe Godzillas, alles andere hätte auch wirklich überhaupt keinen Sinn gemacht.

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