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    The Marksman - Der Scharfschütze
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Marksman - Der Scharfschütze

    Der ruhigere Rambo

    Von Sidney Schering

    Als Produzent erhielt Robert Lorenz bereits drei Oscar-Nominierungen in der Kategorie Bester Film – und zwar für die Clint-Eastwood-Regiearbeiten „Mystic River“, „Letters From Iwo Jima“ und „American Sniper“. 2012 gab Lorenz dann mit „Back In The Game“ sein Regiedebüt – und natürlich übernahm Clint Eastwood eine der Hauptrollen. Neun Jahre, nachdem das von der Kritik durchwachsen aufgenommene Baseball-Familiendrama auch an den Kinokassen hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, meldet sich Lorenz nun auf dem Regiestuhl zurück. Sein Kumpel Clint ist dieses Mal zwar nicht involviert, dafür aber ein anderer rüstiger Hollywood-Haudegen: Liam Neeson spielt in „The Marksman – Der Scharfschütze“ einmal mehr den abgebrühten Senior, der seine speziellen Fähigkeiten und all seine Erfahrung nutzt, um eine jüngere Person zu beschützen. Der Geist von Clint Eastwood ist aber auch in „The Marksman“ stets spürbar.

    Eigentlich sind die Ziele des Ex-Marine-Scharfschützen Jim Hanson (Liam Neeson) klar abgesteckt: Er möchte einfach nur seinen Ruhestand auf einer abgelegenen Farm in Arizona genießen. Doch sein entspanntes Farmleben findet ein jähes Ende, als er mitbekommt, wie der elfjährige Miguel (Jacob Perez) und seine Mutter Rosa (Teresa Ruiz) vor einem mexikanischen Drogenkartell fliehen. Jim schreitet zwar ein, aber seine Bemühungen sind vergebens: Rosa wird getötet. Mit ihrem letzten Atemzug bittet sie Jim, ihren Sohn nach Chicago zu bringen, wo seine Familie wartet. Obwohl seine Polizisten-Tochter Sarah (Katheryn Winnick) strikt dagegen ist, beschließt Jim, Rosas Bitte nachzukommen. Aber die Kartell-Killer unter der Führung des skrupellosen Mauricio (Juan Pablo Raba) sind ihnen bereits dicht auf den Fersen…

    Jim Hanson (Liam Neeson) bringt seinem jungen Schützling zwar das Schießen bei ...

    Das liest sich doch direkt wie eine Kreuzung aus „Rambo 5: Last Blood“ und einem typischen Liam-Neeson-Vehikel nach dem Schema von „96 Hours – Taken“ & Co. – und dieser Verdacht ist keinesfalls unbegründet: Das Skript von Robert Lorenz, Chris Charles und Danny Kravitz geht strukturell konsequent auf Nummer sicher – und so lässt sich fast von Beginn an alles Weitere Schritt für Schritt vorhersagen: Jim Hanson wird als knurriger, aber gutherziger Mann eingeführt, dem die Aufgabe in den Schoß fällt, Miguel zu beschützen. Auf dem folgenden Roadtrip wechseln sich dann solange menschelnde Momente und bedrohliche Situationen ab, bis das vorhersehbare Ende erreicht ist.

    In Sachen Action liefert „The Marksman“ ebenfalls den gängigen Genre-Durchschnitt: Lorenz verzichtet zwar bei Schießereien und Schlägereien auf ein derart chaotisches Schnittgewitter wie es etwa noch in „96 Hours – Taken 3“ abgefeuert wurde, nur um den inzwischen eben doch schon 69-jährigen Neeson agiler aussehen zu lassen. Stattdessen wird auch bei den gewalttätigen Konflikten auf eine gewisse Entschleunigung gesetzt: Sie gewährt dem Publikum eine Übersicht des Schauplatzes – man kann also tatsächlich einschätzen, wie das ungleiche Duo aus der Situation entkommen oder sich noch mehr Ärger einhandeln könnte. Zudem liegt ein Schwerpunkt auf wiederholten Nahaufnahmen der Gesichter, deren sichtbare Anspannung eine gewisse situative Dramatik erzeugt. Dennoch mangelt es der Inszenierung an einer solch schwergewichtigen Atmosphäre, mit der etwa Scott Frank sein Liam-Neeson-Action-Noir „Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones“ aufgewertet hat.

    Ein dynamisches Duo

    Sonderlich einfallsreiche Momente gibt es mit Ausnahme einer unerwarteten Hundeattacke auch keine. So landet „The Marksman“ irgendwo im Niemandsland: Die Action fällt nie negativ auf – sie bleibt aber eben auch nicht länger im Gedächtnis haften. Ein Film zum zwischendurch Weggucken weben – und das, obwohl sich Komponist Sean Callery („Whitmans Rückkehr“) mit seinen wummernden Stücken redlich bemüht, die Action bombastischer wirken zu lassen als sie ist. Deutlich denkwürdiger ist da schon die Dynamik zwischen dem ehemaligen Marineoffizier und seinem aufgedrückten Schützling: Wie sich Jim und Miguel während ihres riskanten Trips gen Chicago annähern, wird sehr glaubwürdig und nuanciert gezeichnet – irgendwie erfrischend, obwohl es Filme mit dieser Konstellation ja eigentlich wie Sand am Meer gibt.

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    Lorenz versteht das melancholisch angehauchte Charisma seines Stars effektiv zu nutzen – und zeigt Jim als gewissenhaften Mann, der jedoch durch eine ganze Reihe von Rückschlägen ermattet ist. Zwar taut er ein Stück weit auf, wenn er die Möglichkeit erhält, Miguel zu helfen – zugleich ist ihm aber auch jederzeit anzumerken, wie mühselig diese unverhoffte und riskante Heldentat für ihn ist. Sein Gemoser und sein ermüdetes Lächeln wirken durchweg authentisch. Selbiges gilt für die Reaktionen des Jungdarstellers Jacob Perez, wenn er als Miguel von den Monologen seines Retters offensichtlich genug hat, aber im selben Moment auch nicht undankbar erscheinen will.

    ... aber die größten Stärken liegen eigentlich in den melancholischen Momenten.

    Umso enttäuschender ist, dass sich bei der Charakterisierung der Schurken deutlich weniger Mühe gegeben wurde: Die Mitglieder des mexikanischen Drogenkartells sind oberflächliche Abziehbilder. Weder haben sie nachvollziehbare Motive, obwohl das behutsame Erzähltempo dafür eigentlich genügend Raum lassen würden, noch sind sie derart überspitzt gezeichnet, dass man es lieben könnte, sie zu hassen. Ähnlich beiläufig behandelt Lopez korrupte Gesetzeshüter: Die Geschichte ist zwar gespickt mit Grenzwächtern und Polizisten, die mit den Verbrechern gemeinsame Sache machen – aber die bittere Ironie, dass die meisten von ihnen klar konservativ eingestellt sind, aber nichtsdestotrotz aus Profitgier mit den mexikanischen Kartellen kooperieren, wird nicht weiter verhandelt.

    Ebenso unreflektiert ist der Umgang mit Feuerwaffen: Schießübungen finden sentimental gefilmt vor patriotischen Wandmalereien statt – und in einer Welt voller Korruption und Doppelmoral wird ein Waffenverkäufer, der die eh schon laschen US-Gesetze verletzt, um einem nett wirkenden Kunden unter die Arme zu greifen, als Alltagsheld gezeichnet. In dieser Hinsicht scheint sein Mentor Clint Eastwood auf Regisseur Lorenz abgefärbt zu haben, wobei „The Marksman“ die reflektierte politische Doppelbödigkeit etwa eines „Gran Torino“ trotzdem nie erreicht. Stattdessen setzt er ganz auf einen grantelnden Einer-gegen-den-Rest-der-Welt-(Western-)Helden und hat dabei das große Glück, dass Liam Neesons raues Charisma einen solchen Film eben notfalls auch im Alleingang trägt.

    Fazit: „The Marksman – Der Scharfschütze“ ist ebenso schablonenhaft wie vorhersehbar. Die Actioneinlagen sind solide, aber auch nie mehr. Allein Liam Neeson und sein junger Co-Star Jacob Perez werten den wenig erinnerungswürdigen Film spürbar auf.

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