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    Willy’s Wonderland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Willy’s Wonderland

    Nicolas Cage verprügelt Plüschpuppen

    Von Oliver Kube

    Nicolas Cage („Die Farbe aus dem All“) ist längst berüchtigt für sein überzogenes Schauspiel – speziell in den letzten Jahren, in denen er fast ausschließlich trashige B- und C-Filme drehte, legte er regelmäßig ein paar Schippen mehr drauf, als es die Rolle eigentlich verlangt. Cages darstellerischer Enthusiasmus mündet dabei regelmäßig in überzogene Leinwand-Wutausbrüche gepaart mit markigen Wortkanonaden. „Willy’s Wonderland“ passt dabei zwar perfekt in den sich in der Filmographie des Oscargewinners anhäufenden Over-the-Top-Wahnsinn, aber zumindest auf seine verbalen Ausraster müssen wir diesmal verzichten.

    Der mit dem unerreichten Action-Triple „Face/Off“, „The Rock“ und „Con Air“ zum Superstar aufgestiegene Cage spricht in den 88 Minuten der schwarzhumorigen Horror-Farce von Kevin Lewis („The Third Nail“) nämlich kein einziges Wort! Cages namenloser Protagonist, der im Abspann nur als „Janitor“ (= „Hausmeister“) aufgeführt wird, ist einfach viel zu cool, um seine Gedanken zu verbalisieren, wenn er sie doch genauso gut mit einem herablassenden Blick oder einem verächtlichen Grunzen rüberbringen kann. Trotzdem (oder gerade deshalb?) ist der zuletzt ausgerechnet in der Netflix-Doku-Serie „Die Geschichte der Schimpfwörter“ zu erlebende Schauspieler in der surrealen Gore-Komödie einmal mehr ausgesprochen unterhaltsam.

    Wie Clint Eastwood in "Pale Rider" hat auch Nicolas Cage in "Willy's Wonderland" weder einen Namen noch eine Geschichte...

    Weil er die Reparatur seiner Autopanne nicht bar zahlen kann und es in dem abgelegenen Kaff keinen Geldautomaten oder Internet gibt, muss der namenlose Sportwagenfahrer (Nicolas Cage) seine Schulden abarbeiten – und zwar bei dem Geschäftsmann Tex (Ric Reitz): Eine Nacht lang soll der Fremde das seit Jahren verrammelte Kinder-Vergnügungszentrum „Willy’s Wonderland“ wieder auf Vordermann bringen.

    Der Gestrandete nimmt den Job als Hausmeister zwar an, stellt dabei allerdings schon bald fest, dass die animatronischen Puppen – vom quietschbunten Plüschmarder bis zum schwertschwingenden Ritter – offenbar ein mörderisches Eigenleben führen. Eine Gruppe einheimischer Teenager, angeführt von Liv (Emily Tosta), der Adoptivtochter der Polizeichefin (Beth Grant), versucht dem Eingesperrten zu helfen, bringt sich dabei allerdings selbst in höchste Lebensgefahr…

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    Der Titel „Willy‘s Wonderland“ klingt nach einem Kinderfilm. Zudem suggeriert das Poster zumindest auf den ersten flüchtigen Blick einen familienfreundlichen Puppenspaß á la „Die Muppets“. Man muss allerdings nur ein klein wenig genauer hinschauen, um zu erkennen, dass die darauf abgebildeten, zunächst so bunt und fröhlich wirkenden Viecher mit Blut vollgeschmiert sind und auf den zweiten Blick zudem auch verdammt creepy daherkommen.

    Kevin Lewis verbreitet schon zum Einstieg, wenn die Eröffnungs-Credits aussehen, als stammten sie aus einem frühen Computer, einen pulpigen Achtziger-Retro-Vibe. Kein Wunder, immerhin bezeichnet der Regisseur selbst sein Werk als Melange aus dem Clint-Eastwood-Western „Pale Rider“ (1985) und der überdrehten Gruselkomödie „Space Invaders“ aks „Killer Clowns From Outer Space“ (1988). Außerdem sei er stark durch „Beyond The Black Rainbow“ von Panos Cosmatos, dem Mastermind hinter dem Nicolas-Cage-Pulp-Meisterwerk „Mandy“, inspiriert worden.

    One Night At Willy‘s

    Und tatsächlich sind die genannten Einflüsse in „Willy‘s Wonderland“ allesamt erkennbar. Noch auffälliger sind aber, zumindest was die Prämisse angeht, die Ähnlichkeiten zu den Videospielen der „Five Nights At Freddy’s“-Reihe (die aktuell von „Harry Potter“-Regisseur Chris Columbus adaptiert und verfilmt wird). Auf die diesbezüglich von Fans der Games zum US-Start geäußerte Kritik reagierten Lewis und sein Drehbuchautor G.O. Parsons allerdings abwehrend und bezeichneten die Parallelen puren Zufall.

    Aber egal, ob die Idee nun geklaut ist oder nicht: Der Film macht über weite Strecken einfach mächtig Laune – und zwar trotz eines löchrigen Skripts. Obwohl wir so gut wie nichts Substanzielles über die Hauptfigur erfahren, die Hintergrundgeschichte des titelgebenden Vergnügungsladens ziemlich lustlos nebenher mitgeliefert wird und die Jugendlichen – sehr durchsichtig – nur als austauschbare Opfer für die animatronischen Bösewichte fungieren, wird die schiere Absurdität des Ganzen niemals langweilig. Sie macht „Willy‘s Wonderland“ sogar richtiggehend sympathisch.

    Nach jeder getöteten animatronischen Puppe streift sich Nicolas Cage erst mal ein frisches "Willy's Wonderland"-T-Shirt über.

    In einem solchen Umfeld würde man erwarten, dass Nicolas Cage wie verrückt grimassiert, herumschreit und generell voll aufdreht. Doch das Gegenteil ist der Fall. Er spielt wunderbar lässig und verzieht kaum mal eine Miene. Dabei rockt er aber eine (von ihm improvisierte) Tanz-Einlage und ist auf herrlich trockene Art witzig – selbst ohne Dialoge! So piept inmitten eines Kampfes mit einem flauschigen Roboter-Monster plötzlich seine Armbanduhr und er realisiert: Es ist Zeit, seinen gefühlt 20. Energy-Drink seit Beginn der Story zu kippen. Also reicht er einfach sein Messer an eine ihn verdattert anschauende Teenagerin weiter, dreht sich um und marschiert schnurstracks in Richtung Kühlschrank. Er nimmt sich sein Getränk, um anschließend erst einmal seelenruhig eine Runde zu flippern.

    Dass man – in bester Western-Manier – absolut nichts über den Hintergrund des Helden erfährt, kann man cool finden. Oder auch frustrierend. Tatsächlich ziemlich mies sind hingegen einige der Nahkampfszenen choreografiert – da war nach der Gage für Cage und das Design der Puppen wohl einfach nicht mehr genug Budget über. Das ist schade, denn mittendrin gibt es einige wirklich ansehnlich gemachte Sequenzen mit detaillierten Close-ups und ungewöhnlichen Blickwinkeln von Chef-Kameramann Dave Newbert („Beyond The Law“). Zum Beispiel, wenn Cages Figur einen verstaubten Spielautomaten auf Hochglanz wienert oder in einer Zeitraffer-Szene das total versiffte Klo wieder auf Vordermann bringt.

    Her mit den T-Shirts!

    Begleitet wird das alles vom effektiven Sounddesign des dreifachen Oscar-Gewinners Paul N.J. Ottosson („Zero Dark Thirty“) sowie einem passenden Retro-Electro-Score von Émoi. Letzterer gibt hier nach einigen Kurzfilmen sein gelungenes Debüt als Soundtrack-Komponist und liefert dabei auch einige wunderbar nervig Ohrwurm-Jingles, die von den Tierpuppen etwa zum Geburtstag der kleinen Gäste gesungen werden.

    Wenn der hiesige Verleih clever ist, bietet er rechtzeitig zum deutschen Heimkino-Start Replikate der babyblauen „Willy‘s Wonderland“-Mitarbeiterhemden zum Verkauf an. Von denen saut Nicolas Cage im Laufe der knapp eineinhalb Stunden mindestens ein halbes Dutzend komplett mit Blut und allen möglichen anderen Substanzen ein – woraufhin man ihn nach knackigen Jumpcuts jedes Mal wieder dabei zusieht, wie er sich ein neues überstreift. Auf Genre-Festivals oder Video-Börsen darf sich jeder, der ein solches T-Shirt trägt, zukünftig des wohlwollenden Grinsens anderer Eingeweihter sicher sein.

    Fazit: Eine herrlich absurde Horror-Komödie mit Kultpotenzial – nicht zuletzt dank eines augenzwinkernd gegen sein Image anspielenden Nicolas Cage.

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