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    Contraband
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Contraband
    Von Christoph Petersen

    Hollywood sucht sich seine Kreativen gerne auch im Ausland, das war schon vor 100 Jahren so, als die Traumfabrik vorwiegend von Immigranten aufgebaut wurde. Dabei gibt es immer wieder Phasen, in denen Filmemacher aus bestimmten Regionen besonders hoch im Kurs stehen. Waren in den 1990ern zum Beispiel noch asiatische Regisseure wie John Woo („Im Körper des Feindes") oder Ang Lee („Der Eissturm") besonders „in", schwemmt aktuell eine kleine Welle nordischer Filmemacher über den Atlantik: Neben dem schwedischen Shootingstar Daniel Espinosa („Safe House)" und dem Norweger Tommy Wirkola („Hänsel und Gretel: Hexenjäger") zählt dazu auch der Isländer Baltasar Kormakur („101 Reykjavik"). Der Regisseur und Schauspieler übernahm in Óskar Jónassons gefeiertem Schmuggler-Thriller „Reykjavik-Rotterdam" noch die Hauptrolle, im US-Remake „Contraband" überlässt er diesen Part nun Mark Wahlberg, während er selbst auf dem Regiestuhl Platz nimmt. Dabei beweist er genau jene Qualitäten, die man sich von einem nordischen Regisseur erwartet: Kormakurs Hollywood-Debüt ist die meiste Zeit über düster und unterkühlt, wartet zwischendurch aber auch mit einigen überraschend absurden Passagen (Stichwort: Kunstraub) auf.

    Chris Farraday (Mark Wahlberg) hat seine Karriere als Schmuggler schon vor langer Zeit beendet, seitdem verdient der Familienvater seinen Lebensunterhalt mit der Installation von Sicherheitsanlagen. Doch dann versaut Chris‘ Schwager Andy (Caleb Landry Jones) einen Drogendeal und wird fortan von dem Gangsterboss Briggs (Giovanni Ribisi) unter Druck gesetzt. Um dem Bruder seiner Ehefrau (Kate Beckinsale) aus der Patsche zu helfen, bleibt Chris nichts anderes übrig, als doch noch einmal für einen allerletzten Coup ins Schmuggelgeschäft zurückzukehren. Gemeinsam mit seinem Partner und besten Freund Abney (Ben Foster) entwickelt er einen Plan, um mehrere Millionen Dollar Falschgeld aus Panama nach New Orleans zu schaffen. Aber nicht nur gibt es in Südamerika Probleme mit dem durchgeknallten Drogenboss Gonzalo (Diego Luna), auch in der Heimat spitzt sich die Lage immer mehr zu, weil Briggs nicht länger nur Andy, sondern auch Chris‘ Familie direkt bedroht...

    Regisseur Kormakur lässt sich ein paar Minuten Zeit, um die Figuren einzuführen, aber dann zieht er das Tempo schnell gehörig an und hält dieses bis zum Rollen des Abspanns auch konsequent durch. Dabei variiert er immer wieder den Ton des Films, wodurch dieser mitunter zwar nicht ganz wie aus einem Guss wirkt, was den Unterhaltungswert aber trotzdem gehörig steigert: Die Szenen an Bord des Frachters, auf dem Chris anheuert, um die Blüten in die Vereinigten Staaten zu bringen, funktionieren als typischer Heist-Film, bei dem es einfach Spaß macht, den Schmugglern dabei zuzusehen, wie sie ihren gewieften Plan mit aller Präzision ausführen. Im Gegensatz dazu sind die Passagen um Kate und ihre beiden Söhne, die in der Heimat von dem psychopathischen Gangster Briggs tyrannisiert werden, brutal und eiskalt. Geradezu absurde Züge nimmt die Handlung unterdessen in Peru an, wenn Chris mit dem vollkommen übergeschnappten Drogenbaron Gonzalo aneinandergerät. Wenn dieser seinen amerikanischen Gast kurzerhand zu einem „Heat"-Gedächtnis-Überfall auf einen Geldtransporter mitschleppt, offenbart „Contraband" jenen kalkulierten Wahnsinn, den die Fans des schwarzhumorigen nordischen Films so sehr lieben. Da spielt es dann auch kaum eine Rolle, dass nicht nur Kenner des isländischen Originals den Ausgang des Films inklusive des obligatorischen Schlusstwists bereits nach wenigen Szenen vorausahnen werden.

    Dass man über eventuelle Löcher in der Story nicht groß weiter nachdenkt, liegt neben dem schieren Tempo der Erzählung auch an der überzeugenden Besetzung. An vorderster Front steht Mark Wahlberg, der in dem von ihm selbst angestoßenen Boxer-Biopic „The Fighter" zuletzt zwar ein wenig von dem für diesen Film oscarprämierten Christian Bale überschattet wurde, aber in „Contraband" einmal mehr beweist, dass er – Hip-Hop-Vergangenheit hin oder her – die nötige Leinwandpräsenz besitzt, um eine Hollywoodproduktion im Alleingang zu tragen: In dieser Form ist er auch genau der richtige Mann für die Titelrolle in der heißerwarteten Videospielverfilmung „Uncharted: Drake's Fortune". Im Gegensatz zu Wahlbergs kontrollierter Performance drehen zwei der Nebendarsteller in „Contraband" richtig auf: Giovanni Ribisi („Avatar - Aufbruch nach Pandora") als seine Drohungen herauszischender Sadist und Diego Luna („Casa de mi padre") als peruanischer Pate lassen dem Wahnsinn freien Lauf und tragen so ihren Teil zum erstaunlichen Unterhaltungswert des Films bei. Nur der Auftritt von Kate Beckinsale enttäuscht. Nachdem sie ihren Widersachern in „Underworld: Awakening" erst vor einigen Wochen wieder einmal gehörig den Hintern versohlt hat, ist es schon ein bisschen schade, sie in „Contraband" im Klischeepart der rettungsbedürftigen Ehefrau zu sehen.

    Fazit: „Contraband" ist ein Widerspruch in sich – obwohl absolut vorhersehbar, ist das Thriller-Remake dank seiner starken Darsteller und seiner zügigen Erzählweise spannend bis zur letzten Minute.

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