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    Mud - Kein Ausweg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mud - Kein Ausweg
    Von Carsten Baumgardt

    Genug ist genug. Nach einem verschenkten Jahrzehnt mit austauschbaren Romantik-Komödien vom Fließband, ambitionierten Flops wie „Die Herrschaft des Feuers" und dem durchwachsenen Abenteuerfilm „Sahara" hatte Matthew McConaughey die Reißleine gezogen, seinen Agenten gewechselt und fortan mehr Wert auf die Rollenauswahl als auf die Höhe des Gehaltsschecks gelegt. Der urige Texaner schuftet seit zwei Jahren im Akkord an seinem Comeback und hat derzeit einen echten Lauf von respektablen, teils brillanten Auftritten – angefangen bei „Der Mandant" über „Killer Joe" bis zu „The Paperboy". Und auch wenn die Filme als Ganzes unterschiedlich gelungen sind, entwickelt sich McConaughey in ihnen konsequent darstellerisch weiter und schuf dabei so manch denkwürdige Figur. In Jeff Nichols‘ superbem Südstaaten-Drama „Mud - Kein Ausweg" krönt McConaughey seine Rückbesinnung auf eine ernsthaftere Berufseinstellung mit einer überragenden Vorstellung – und in einem stimmungsvollen Jugend-Abenteuer trifft Mark-Twain-Prosa auf die Kameradschaft, das Geheimnis und den Zauber von „Stand By Me".

    Die besten Freunde Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) sind bei einem Besuch ihrer Lieblingsinsel im Mississippi auf der Suche nach Abenteuern. Die beiden 14-Jährigen wollen ein Boot erkunden, das bei der jüngsten Flut havariert ist und sich hoch oben in einem Baum verfangen hat. Sie merken aber schnell, dass sich bereits jemand auf dem Kahn eingenistet hat: Der mysteriöse Mud (Matthew McConaughey) versteckt sich dort offensichtlich vor Verfolgern. Zaghaft nähern sich Ellis und Neckbone dem undurchschaubaren Fremden an und bringen ihm Essen auf die Insel. Nach einer Weile bekommen die Jungen heraus, dass Mud wegen Mordes landesweit gesucht wird. Auch eine Horde Kopfgeldjäger ist ihm auf der Spur. Über Ellis und Neckbone versucht Mud Kontakt mit seiner Jugendliebe Juniper (Reese Witherspoon) aufzunehmen - sie scheint mit dem Mordfall in Verbindung zu stehen...

    Nach dem vielbeachteten Indie-Drama „Take Shelter - Ein Sturm zieht auf" setzt Regisseur Jeff Nichols seinen Weg nach oben mit „Mud" weiter fort. Der Mann aus Little Rock, Arkansas beschwört in seinem wundervoll fotografierten Coming-Of-Age-Abenteuer einen Hauch der guten alten Zeit. Der zwielichtige, braungebrannt-wirrhaarige Vagabund Mud ist dabei ein moderner Huckleberry Finn, der trotz aller charakterlichen Schwächen fast mythische Dimensionen erreicht – was Nichols und McConaughey aber selbstverständlich mit einem großen ironischen Augenzwinkern garnieren. Wie ein Westernheld aus der Fremde wirbelt Mud das Leben in der Kleinstadt am Mississippi allein durch seine Präsenz gehörig durcheinander und nebenbei begradigt er die kleinen Unebenheiten der lokalen Welt. Dass der faszinierende Fremdling ein Mörder auf der Flucht ist, schreckt die beiden Jungen Ellis und Neckbone dann auch kaum ab. Die Abenteuerlust ist allemal größer als die Angst vor dem Unbekannten. Diese sympathische Neugier überträgt sich dank der tollen Darsteller, dem sehr stimmigen Setting und die geradezu schwebende Filmmusik auf die Zuschauer. „Mud" strotzt nur so vor Südstaaten-Charme und die Freundschaft zwischen Mud und Ellis ist sein Herz.

    Während der gut zwei Stunden Spielzeit findet Jeff Nichols auch Zeit für die kleinen Geschichten am Rande, mit denen er die spezielle Südstaaten-Atmosphäre seines Films weiter verdichtet. Auf den scheinbaren Umwegen gibt er seiner Handlung Tiefe, etwa wenn er von Ellis‘ Problemen mit der bevorstehenden Trennung seiner liebevollen, aber zerstrittenen Eltern (Ray McKinnon, Sarah Paulson) erzählt oder von den tapsigen Versuchen des Jungen, bei einer älteren Schülerin (Kristy Barrington) zu landen. Mud indes bleibt bei all dem bis zum Ende undurchdringlich. Auch wenn er durch die Beziehungen zu seiner großen Liebe Juniper und zu seinem väterlichen Freund Tom Blankenship (Sam Shepard) einiges an Profil gewinnt, bleibt seine vermeintliche verbrecherische Vergangenheit bis zum Ende im Vagen – und die Spannung hoch.

    Matthew McConaughey („Die Jury") spielt in „Mud" groß auf – er ist der lässige ältere Bruder, den wir uns alle immer gewünscht haben. Kontrollierte Bewegungen, sparsame Gesten und einige archetypische Westernposen genügen ihm, um dem Film seinen Stempel aufzudrücken – spätestens mit dieser charismatischen Glanzleistung empfiehlt er sich für die Zusammenarbeit mit den ganz großen Autorenfilmern. Der junge Tye Sheridan („The Tree of Life") erweist sich indes als ebenbürtiger Partner und die Nebendarsteller Reese Witherspoon („Walk the Line"), Sam Shepard („Der Stoff, aus dem die Helden sind") sowie Michael Shannon („Zeiten des Aufruhrs") runden die großartige Arbeit der beiden Protagonisten bestens ab. Da fällt es dann auch nicht weiter ins Gewicht, dass Jeff Nichols am Ende den perfekten Ausstieg verpasst und dass zwischendurch das wilde Geballere ausufert.

    Fazit: Jeff Nichols schuf mit „Mud - Kein Ausweg" ein charmantes Jungen-Abenteuer, das von seiner tollen Südstaaten-Atmosphäre und einem schauspielerisch gereiften Matthew McConaughey als modernisierte Version von Huckleberry Finn lebt.

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