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    Jason Bourne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Jason Bourne
    Von Frank Schnelle

    Erinnern wir uns. Dreimal schoss, jagte und prügelte sich der ominöse Jason Bourne im Lauf der Nuller Jahre durch labyrinthische Paranoiageschichten, immer auf der Suche nach seinem Gedächtnis und seiner Identität. Eher klassisch-detektivisch ging es im von Doug Liman inszenierten Erstling „Die Bourne Identität“ (2002) zu, doch dann übernahm Paul Greengrass das Kommando und erfand in „Die Bourne Verschwörung“ (2004) und „Das Bourne Ultimatum“ (2007) mal eben den Spionagethriller neu. Mit wackeliger Handkamera, wüstem Stakkatoschnitt und einer gehörigen Portion politischer Skepsis sorgte der dokumentarisch geschulte Brite für eine stilistische Modernisierung bei gleichzeitiger Verankerung im Hier und Jetzt. Dann war Schluss, zumindest für den Regisseur und seinen Star, den grandios wortkargen, mit subtiler Präzision agierenden Matt Damon. Und während das Duo sich in „Green Zone“ auf brenzliges Politthriller-Terrain vorwagte, versuchten die „Bourne“-Produzenten, ihr Franchise in Bond-Manier fortzusetzen: mit Jeremy Renner als neuem Ex-Agenten und einem Team, das weitgehend für Kontinuität sorgte. Die Story von „Das Bourne Vermächtnis“ allerdings geriet blutleer und Renner wurde zum George Lazenby unter den Bourne-Darstellern. So kehrt Damon nun zurück wie einst Sean Connery: als „Jason Bourne“ sucht er erneut nach Fakten aus seiner Vergangenheit und wird in ein Intrigenspiel verwickelt, das Greengrass  als atemlose transatlantische Hetzjagd arrangiert.

    Ex-CIA-Attentäter Jason Bourne (Matt Damon) lebt seit Jahren im europäischen Untergrund und hält sich mit illegalen Faustkämpfen über Wasser. Seine ehemalige Kollegin Nicky Parsons (Julia Stiles), inzwischen für eine Enthüllungsplattform tätig, hackt sich in das CIA-Computersystem und stiehlt hochbrisante Daten, die auch Bournes Vorgeschichte betreffen. Sofort sind ihr die CIA-Beamtin Heather Lee (Alicia Vikander) und ihr Vorgesetzter, der Agenturdirektor Robert Dewey (Tommy Lee Jones) auf der Spur. Als Bourne und Parsons sich während einer Demonstration in Athen treffen, warten bereits ein Agententeam und der Killer „The Asset“ (Vincent Cassel) auf die beiden. Parsons kann Bourne den Datenstick übergeben, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Bourne flieht nach Berlin, wo er Einsicht in die Files bekommt und wieder einige Puzzlestücke zu seiner eigenen Vergangenheit und der seines Vaters (Gregg Henry) findet ...

    Die erste Szene spielt an der griechisch-albanischen Grenze und weckt – gewollt oder ungewollt – Assoziationen zur Flüchtlingskrise. Das passt gleich doppelt, ist Bourne doch der Flüchtling par excellence, ein ewig Heimatloser, der immer bloß reagiert und allenfalls in die Offensive kommt, wenn er seinen Verfolgern ein Schnippchen schlagen muss. Auch nach fast zehn Jahren in der Versenkung hat er kein Zuhause gefunden, sondern prügelt finsteren Kontrahenten die Seele aus dem Leib wie einst Clint Eastwoods „Mann aus San Fernando“ oder Edward Norton im „Fight Club“. Ein politischer Brennpunkt ist auch der Schauplatz der ersten von drei epischen Verfolgungsjagden, die in Länge und Logistik, wenn auch nicht in Originalität, an Klassiker wie „The French Connection“ erinnern. Mitten in Athen (gedreht wurde allerdings auf Teneriffa) liefern sich Polizei und Demonstranten einen erbitterten Schlagabtausch und erinnern beiläufig an die schwere Wirtschaftskrise des Landes. So wie hier verwebt Paul Greengrass durchgehend aktuelle politische Sujets mit der furiosen Action seines ansonsten ziemlich eindimensionalen Plots.

    Obwohl es hier phasenweise sehr analog zugeht, avanciert das Internet mit seiner wachsenden Kontrollfunktion alsbald zum Hauptthema des Films: Edward Snowden wird immer wieder explizit genannt, Julia Stiles‘ Figur arbeitet für einen Julian Assange nachempfundenen Aktivisten und Riz Ahmed („Four Lions“) spielt einen Social Media-Entrepreneur, dessen „Deep Dream“-Netzwerk wie Mark Zuckerbergs Facebook funktioniert. Alle Datenströme laufen in der CIA-Zentrale zusammen, einer imposanten Cyberhölle, wo binnen Sekundenbruchteilen Gesichter erfasst, Laufwege nachgezeichnet und USB-Sticks geortet werden. Es gibt keine persönliche Freiheit mehr, lautet der wenig subtile Subtext fast jeder Szene und Greengrass’ Film ist entsprechend düster. Es gibt nichts zu lachen in „Jason Bourne“, es darf nicht mal gelächelt werden, so verbissen wird hier gefightet um – ja, um was eigentlich? Zu gewinnen jedenfalls hat niemand etwas, mal abgesehen vom reinen Überleben.  

    Jeder der Beteiligten – vom gewohnt lakonischen Tommy Lee Jones („Auf der Flucht“) über die emotionslose Alicia Vikander („The Danish Girl“) bis Vincent Cassel („Hass“) als stereotyper Auftragskiller - zieht hier zwei Stunden lang stoisch sein Ding durch. Für Bourne gilt das sowieso, dem bleibt wie üblich nichts anderes übrigb, als sich bis zur Spitze der gegnerischen Befehlskette vorzuarbeiten. Mit stets solidem Actionkino wird über die sehr elementare Handlung  (ein interner CIA-Machtkampf muss als vage Antriebsfeder ausreichen) bis zum Finale in Las Vegas hinweginszeniert. Das ist aufwändig, schnell, kraftstrotzend, aber Paul Greengrass belässt es leider bei der Variation des Immergleichen. Sein Stil wirkt heute längst nicht mehr so cool wie vor zehn Jahren, und seine Klaviatur beschränkt sich auf sehr wenige Töne, die so lange angeschlagen werden, bis eine gewisse Monotonie entsteht. Und so endet „Jason Bourne“ gewissermaßen im Leerlauf.

    Fazit: Für das fünfte „Bourne“-Abenteuer sind Matt Damon und Regisseur Paul Greengrass nach dem umstrittenen Zwischenspiel „Das Bourne Vermächtnis“ zurückgekehrt. Ihre neuerliche Jagd nach Erinnerungsbruchstücken kann in handwerklicher Hinsicht voll überzeugen, wirkt aber weder sonderlich inspiriert noch originell.

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