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    Pig
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Pig

    Nicolas Cage ist auf die Sau gekommen

    Von Pascal Reis

    In Filmen wie „Face/Off“, „Bad Lieutenant“ oder „Mandy“ hat Nicolas Cage in seiner Karriere mit irren Grimassen und exaltierten Gesten immer wieder metaphorisch die Sau rausgelassen. In „Pig“, der in Deutschland nur auf dem Fantasy Filmfest im Kino läuft, bevor er auf DVD & Blu-ray erscheint, begibt sich der inzwischen zum Allesdreher mutierte Oscar-Gewinner nun allerdings ganz buchstäblich auf die Suche nach seinem entführten Trüffelschwein. Das lässt jede Menge neues Meme-Potenzial vermuten, unterläuft aber nicht nur in dieser Hinsicht sehr konsequent alle Erwartungen des Publikums. Das Spielfilmdebüt von Michael Sarnoski zählt tatsächlich zu den einfühlsamsten und wärmsten Filmen des Jahres – nicht zuletzt auch dank einer herausragenden Performance von Nicolas Cage, der seine Zweiflern einmal mehr eines Besseren belehrt.

    Robin „Rob“ Feld (Nicolas Cage) lebt seit mehr als zehn Jahren in einem Wald im pazifischen Nordwesten der Vereinigten Staaten. Gesellschaft leistet ihm in der abgeschiedenen Wildnis von Oregon nur sein Trüffelschwein Apple, mit dem er sich sogar das Schlafzimmer teilt. Der menschliche Kontakt zur Außenwelt beschränkt sich hingegen auf den Trüffelhändler Amir (Alex Wolff), der die schwarzen Luxuspilze mit Rob einmal in der Woche gegen lebensnotwendige Waren eintauscht. Als eines nachts in Robs Hütte eingebrochen und das Schwein entführt wird, bleibt dem Einsiedler keine andere Wahl, als zurück in die Zivilisation zu kehren, um seinem geliebten vierbeinigen Gefährten nachzuspüren…

    Nicolas Cage und sein Trüffelschwein - eine ergreifende Freundschaft!

    Regisseur und Drehbuchautor Michael Sarnoski benötigt nur wenige Augenblicke, um die tiefe Innigkeit zwischen Rob und dem rothaarigen Schweinchen deutlich zu machen – und damit gleich jede Vermutung zu unterlaufen, „Pig“ sei nur wieder grell-irrer Nicolas-Cage-Trash. Als besonders intim erweist sich ein Moment gleich zu Anfang, wenn wird der Alltagsroutine des ungleichen Duos beiwohnen. Vor dem Schlafengehen nimmt sich Rob noch einmal die Zeit, um Apple den Kopf zu kraulen. Die Kamera verharrt dabei kurz auf dem Gesicht des menschlichen Stars, auf dem sich nach und nach ein leichtes, glückseliges Lächeln abzeichnet. Ein Anblick, der sich nicht so bald wiederholen wird.

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    Man spürt die unverwüstliche Verbundenheit, die Mensch und Tier hier eingegangen sind und kann als Zuschauer*in sehr wohl nachempfinden, dass es für Rob nichts Wichtigeres gibt, als sein Schwein schnellstmöglich wiederaufzufinden. Wer sich von „Pig“ allerdings einen Vergeltungsreißer im Stil von „John Wick“ oder „96 Hours“ erhofft, der wird gewaltig enttäuscht. Michael Sarnoski liefert stattdessen ein reifes, atmosphärisches, zutiefst meditatives Drama, das sich vielmehr als Antithese zu den genannten Action-Hits mit Keanu Reeves und Liam Nesson lesen lässt. Hier geht es nicht um die wutschnaubende Gier nach Rache, sondern um die ergreifende Suche nach Erlösung.

    Trauerbewältigung mit Nicolas Cage

    Robin Feld hat sich damals nicht freiwillig dazu entschieden, dieses Leben abseits der Zivilisation zu führen. Michael Sarnoski nutzt Robs Rückkehr in die Haute-Cuisine-Szene von Portland als eine Art mobile Therapiesitzung, die den zu Anfang so geheimnisvollen Waldschrat immer greifbarer macht. Durch die Konfrontation mit Menschen aus seiner Vergangenheit sieht sich Rob immer stärker dazu gezwungen, sich mit seinem eigenen Seelenleben auseinanderzusetzen. Das Schwein hat ihm Halt im Leben gegeben, nun aber muss er eine Möglichkeit finden, sich selbst zu akzeptieren und seine tiefe Trauer zuzulassen.

    Dass „Pig“ letztlich so bewegend und einnehmend ist, liegt ganz zentral auch an Hauptdarsteller Nicolas Cage. Während sich das Internet immer wieder über seine entfesselten Performances, seine Verschuldung und seine Alkoholeskapaden amüsiert, beweist er in der Rolle des Robin Feld, dass er nach wie vor zu den eindrucksvollsten Darstellern der Gegenwart zählt. Sein ungemein nuanciertes Spiel lässt eine Emotionalität in seinen Augen aufblitzen, die man neben dem zerzausten Bart und den fettigen Strähnen, die ihm ungepflegt ins Gesicht fallen, leicht übersehen könnte. Die Körperlichkeit, mit der Cage hier begeistert, drückt sich nicht durch nach außen gerichtete Gewalt aus, sondern verweist vielmehr in ein komplexes Inneres.

    Auf seiner Mission beweist Rob vor allem erstaunliche Nehmerqualitäten...

    Die Sichtung von „Pig“ kann auch frustrierend sein. Nicht nur, weil der Film die Erwartungen an ein klassisches Rachenarrativ konsequent unterläuft, sondern auch, weil wir hier einem Protagonisten folgen, der immerzu einsteckt, aber niemals austeilt. Geht man diesen Weg aber mit Rob gemeinsam, bekommt man am Ende eine tiefgreifende Katharsis geboten. Michael Sarnoski hält auf zurückgenommene, leise und melancholische Weise den Glauben an die Liebe in Ehren. Eine besondere Begabung, gerade in der heutigen Zeit.

    Fazit: Bei „Pig“ erwartet das Publikum kein „John Wick mit Schwein“, sondern ein meditatives Drama um Verlust, Trauer und Erlösung. Die elegische Inszenierung und das nuancierte Spiel von Nicolas Cage sorgen dafür, dass sich „Pig“ fraglos zu den ergreifendsten und schönsten Filmen des Jahres zählen darf.

    „Pig“ läuft in Deutschland nur beim Fantasy Filmfest im Kino. *Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.

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