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    The King
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The King

    Robert Pattinson ist der pure Wahnsinn!

    Von Christoph Petersen

    Wenn in „The King“ nach 75 von (zu langen) 133 Minuten das erste Mal der zukünftige Batman Robert Pattinson für einen seiner drei Mini-Auftritte auftaucht, ist man als Zuschauer erst mal baff. In Anbetracht seines gequält–psychopathischen Blicks und einem der lächerlichsten Akzente der Geschichte kann man sich einfach nicht sicher sein, ob der „Twilight“-Star diese Punk-Performance als französischer Thronfolger tatsächlich ernst meint. Nicht mal als Karikatur geht seine Darstellung noch durch, selbst dafür ist sie einfach zu mies. Da werden kurzzeitig sogar Erinnerungen an Nicolas Cage in „Wicker Man“ und andere legendär schlechte Schauspielauftritte wach – und trotzdem freut man sich über sein Auftauchen. Schließlich bringt er so endlich mal ein wenig Schwung und Wahnsinn in das bis dahin so dröge Historien-Drama. So jedenfalls liefert „The Rover“-Regisseur David Michôd mit „The King“ nach der wenig bissigen Kriegssatire „War Machine“ nun schon seine zweite enttäuschende Arbeit für Netflix und Brad Pitts Produktionsfirma Plan B in Folge ab.

    Beginn des 15. Jahrhunderts: Hal (Timothée Chalamet), der älteste Sohn des englischen Königs Henry IV. (Ben Mendelsohn), hat die Schnauze voll von den paranoiden Kriegstreibereien seines Vaters. Statt am Königshof lebt er mit seinem besten Freund und Beschützer, dem hochdekorierten, aber mittlerweile kriegsmüden Falstaff (Joel Edgerton), in einem Gasthaus, wo sie gemeinsam die Abende hindurch saufen und feiern. Der todkranke Henry IV. beschließt deshalb sogar entgegen der Gepflogenheiten, Hals jüngeren Bruder Thomas (Dean-Charles Chapman) zu seinem Nachfolger auf dem Thron zu erklären. Doch der kommt bei einer Schlacht in Wales ums Leben und so muss nach dem Tod von Henry IV. eben doch Hal als König Henry V. selbst ran. Natürlich schwört er sich, alles ganz anders zu machen als sein verhasster Vater. Aber die harsche Realität der Staatsführung führt ihn schnell in Versuchung, mit seinen einstigen Idealen zu brechen…

    Von Hal zu König Henry V.

    Timothée Chalamet ist seit seiner oscarnominierten Rolle in „Call Me By Your Name“ einer der am heißesten gehandelten Nachwuchsstars Hollywoods – und dieses Image machen sich David Michôd und sein Co-Autor Joel Edgerton zumindest zu Beginn auch zunutze: In seiner ersten Einstellung liegt Chalamet quer über einem Bett – mit seinem hageren Oberkörper und den schwarz gelockten Haaren erinnert er dabei eher an ein Emo-Modell oder an den Protagonisten aus einem Film von Larry Clark („Kids“, „Ken Park“) als an einen zukünftigen König. Wenig später beobachten wir Falstaff dabei, wie er höflich, aber bestimmt eine junge Frau (= historischer Groupie?) aus dem Bett des Playboy-Prinzens entfernt, während dieser daneben weiter seinen Rausch ausschläft. Das hätte interessant werden können: ein Anti-Kriegs-Hippie mit instagram-tauglicher Optik als König im mittelalterlichen England …

    Aber spätestens mit der Krönung von Hal zu Henry V. wandelt sich „The King“ schnell zu einem sehr klassischen, aber selten mitreißenden Historien-Drama – mit Dialogen, die zwar entfernt an Shakespeare erinnern, aber nicht mal ansatzweise den Biss, die Raffinesse und den Punch des Meisters erreichen. Der berühmte Bühnenautor hat die Geschichte von Henry V. und der auch hier eine zentrale Rolle einnehmenden Schlacht von Azincourt selbst deutlich gelungener fürs Theater adaptiert. Das übliche intrigante Geschacher um Krieg und Frieden fällt in „The King“ dagegen ungemein langweilig aus – trotz eines gelungenen Verweises auf das übergroße Vorbild: Die historisch nicht verbürgte, sondern von dem britischen Dramatiker erfundene Figur Falstaff, hat sich der australische Schauspieler Joel Edgerton hier so gut selbst auf den Leib geschrieben, dass der ebenso schroffe wie weise Berater das Beste am ganzen Film ist.

    Meint Robert Pattinson das ernst?

    So plätschert „The King“ lange Zeit weitestgehend vor sich hin – unterbrochen nur von ein paar wenigen sehenswerten Momenten wie einem Duell in schwerer Rüstung, das schnell in einen Faustkampf ausartet, bei dem vor allem die Soundleute beim Schellen von Metall auf Metall ganze Arbeit geleistet haben. Doch dann ist er plötzlich da: Robert Pattinson als Dauphin von Frankreich, der seinem Widersacher zur Einschüchterung auch schon mal abgeschlagene Kinderköpfe bringen lässt. Nun haben wir Pattinson wirklich an jeder möglichen Stelle verteidigt, ihn nach Auftritten in Filmen wie „Cosmopolis“, „Good Time“, „High Life“ oder „The Lighthouse“ gar zu einem der besten Schauspieler seiner Generation erklärt - und deshalb gehen wir auch davon aus, dass er sich hier als psychopathischer Punk-Prinz einfach einen riesen Spaß erlaubt hat, schließlich legt er sich in einer späteren Szene dann ja auch noch in bester Slapstick-Manier in voller Rüstungsmontur auf die Fresse. Aber wie dem auch sei, seinen Auftritt muss man einfach gesehen haben - genauso wie die wirklich sehenswert und authentisch inszenierte Schlacht von Azincourt.

    Falstaff entwickelt einen genialen Plan, um die französische Armee trotz überlegener Mannstärke und strategisch besserer Position zu besiegen, Chalamet anschließende Kriegsrede, die vornehmlich aus einfach nur möglichst laut geschrienen Phrasen besteht, kann das zwar dem Mel-Gibson-Moment aus „Braveheart“ nicht ansatzweise das Wasser reichen, aber dafür kann sich die Schlacht selbst sehr wohl sehen lassen. Rau und brutal, taktisch gut nachvollziehbar, zumindest wenn sich die enggedrängten Kämpfer nicht gerade einfach nur auf dem matschigen Boden hin und her schieben. Die Anleihen bei „Game Of Thrones“ und vor allem an die berühmte „Schlacht der Bastarde“ sind zwar offensichtlich, doch die übertrumpft Michôd sogar mit einer langen Sequenz ohne Schnitt, in der sich Chalamets Hal durch Gegner metzelt, dass Jon Snow vor Neid erblassen würde.

    Die Vorteile von Netflix

    Das wirkt authentischer (und oft auch aufregender) als das übliche Hollywood-Kampfgetümmel – und deshalb sollte man sich ruhig mal überlegen, ob man im Fall von „The King“ mal von den speziellen Möglichkeiten eines Netflix-Abos Gebrauch machen möchte. Da man ja nichts extra für einzelne Filme zahlt, wenn man eh schon seine acht bis 16 Euro im Monat abdrückt und dafür abgesehen von solchen grandiosen Ausreißern wie „Roma“ oder „Marriage Story“ meist nur mäßig Original-Filme bekommt, kann man schließlich auch einfach vorspulen, um zumindest die sehenswerten Stellen mitzunehmen: Den Must-See-Auftritt von Robert Pattinson (unbedingt im englischen Original angucken!) gibt es nach etwa 75 Minuten, die Schlacht von Azincourt beginnt etwa bei Minute 100.

    Fazit: Ein ermüdend dröges Historien-Drama, das erst durch die unfreiwillig (?) komischen Kurzauftritte von Robert Pattinson und die Schlacht im Matsch von Azincourt zumindest ein wenig an Fahrt aufnimmt.

    Wir haben „The King“ bei den Filmfestspielen in Venedig gesehen, wo er außer Konkurrenz im Wettbewerb gezeigt wurde.

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