Goldene Palme 2025 in Cannes: Der absolute Topfavorit gewinnt - aber auch Deutschland geht nicht leer aus!
Christoph Petersen
Christoph Petersen
-Chefredakteur
Schaut 800+ Filme im Jahr – immer auf der Suche nach diesen wahrhaftigen Momenten, in denen man dem Rätsel des Menschseins ein Stück näherkommt.

Die meisten Expert*innen haben vorab auf zwei Filme als mögliche Favoriten getippt – und tatsächliche haben exakt diese beiden nun auch den ersten und zweiten Platz im Wettbewerb des wichtigsten Filmfestivals der Welt belegt.

Jafar Panahi

In den vergangenen zwölf Tagen fand an der französischen Côte d'Azur zum 78. Mal das weltweit wichtigste Filmfestival statt – und FILMSTARTS war auch dieses Mal wieder live für euch vor Ort. Neben der Blockbuster-Weltpremiere von „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ in Anwesenheit von Tom Cruise stand dabei natürlich vor allem der offizielle Wettbewerb im Zentrum des Interesses – und auch der war in diesem Jahr mit Stars wie Jennifer Lawrence, Robert Pattinson, Joaquin Phoenix, Pedro Pascal, Josh O’Connor, Tom Hanks und Scarlett Johansson stark besetzt.

In diesem Jahrgang konkurrierten insgesamt 22 Filme um die Goldene Palme. Ausgewählt wurden die Preisträger-Filme wie immer von einer Jury aus Filmschaffenden, in diesem Jahr u. a. besetzt mit der Oscarpreisträgerin Halle Berry, dem Meisterregisseur Hong Sang-soo und dem „Succession“-Star Jeremy Strong. Als Jurypräsidentin fungierte hingegen Oscargewinnerin Juliette Binoche, die bereits vor 40 Jahren erstmals mit „Rendez-Vous“ erstmals im Cannes-Wettbewerb vertreten war (es sollten noch viele weitere Male folgen).

Die Goldene Palme geht 2025 …

… wenig überraschend an den iranischen Dissidenten Jafar Panahi. Der für seine ebenso cleveren wie schmerzhaft-bissigen und intelligent-humorvollen Meta-Erzählungen berühmte Regisseur stand viele Jahre lang unter Hausarrest, wurde zudem mehrere Male in einen Folterknast gesteckt und mit einem Arbeitsverbot belegt. Trotzdem hat er immer weiter gemacht, mit „Taxi Teheran“ bereits den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Erst seit kurzem darf er wieder offiziell reisen und arbeiten – aber das heißt keinesfalls, dass er sich mit seiner Kritik am Regime zurückhält.

„It Was Just An Accident“zur FILMSTARTS-Kritik) handelt von einem Mann, der meint, seinen ehemaligen Folterer nur an seiner Stimme und am Quietschen seiner Beinprothese erkannt zu haben. Aber nachdem er ihn gekidnappt hat, um ihn in der Wüste lebendig zu begraben, kommen ihm aber plötzlich doch Zweifel. Es folgen eine Menge Irrungen und Wirrungen, manche davon urkomisch, andere tief verstörend…

Grand Prix (2. Platz)

Als einer der absoluten Top-Favoriten in die Verleihung gegangen, hat es für den Crowdpleaser mit der längsten Standing Ovation des Wettbewerbs (14,5 Minuten) dann doch „nur“ für Platz 2 gereicht: In „Sentimental Value“zur ausführlichen FILMSTARTS-Kritik) erzählt der norwegische Regisseur Joachim Trier von einem Regisseur (Stellan Skarsgård), der seiner entfremdeten Tochter (Renate Reinsve) die Hauptrolle in seinem neuen Film auf den Leib geschrieben hat. Aber sie weigert sich, den Part anzunehmen. Stattdessen lernt ihr Vater auf einem Festival durch Zufall einen Hollywood-Superstar (Elle Fanning) kennen, der stattdessen einspringt…

Preis der Jury (3. Platz)

Bei diesem Preis gibt es diesmal ein Unentschieden, er geht also an gleich zwei Filme, die beide durch ihre experimentellen Erzählweisen aus dem Wettbewerb herausstechen: Im deutschen Beitrag „In die Sonne schauen“zur FILMSTARTS-Kritik) der Berliner Regisseurin Mascha Schilinski fließen die Erlebnisse der Bewohner*innen eines Vierseitenhofes in der Altmark ineinander – und zwar über die Generationen hinweg, von Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Jetztzeit. Ein so grandios wie radikal inszenierter (Geister-)Film, der gleichermaßen verstört wie fasziniert, berührt wie niederschmettert – und zwischendrin sogar immer wieder mit makabrem Humor überrascht.

In „Sirat“ von Óliver Laxe wiederum besucht ein Vater (Sergi López) mit seinem dafür eigentlich viel zu jungen Sohn Techno-Festivals in der Marokkanischen Wüste – allerdings nicht wegen der Musik, sondern auf der Suche nach seiner Aussteiger-Tochter, die die beiden seit Jahren nicht gesehen haben. Als ein Krieg ausbricht, entwickelt sich der „Sirat“ zu einer surrealen Antwort auf „Lohn der Angst“ und „Mad Max“ – mit einem explosiven Finale, das man so schnell sicher nicht vergessen wird…

Bester Schauspieler / Beste Schauspielerin

Zum besten Schauspieler wurde in diesem Jahr der Brasilianer Wagner Moura für den Film „The Secret Agent“ gekürt. Der „Narcos“-Star spielt darin einen Wissenschaftler, der in den 1970er Jahren in der Hafenstadt Recife untertauchen muss. Dort trifft er unter falscher Identität auf viele andere, die eine ähnliche Geschichte haben und hier ein Untergrund-Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung gegen die Willkür des autokratischen Regimes aufgebaut haben.

Es wird sich wohl kaum eine Jury trauen, nicht zumindest einen Preis an einen französischen Film zu vergeben – aber die Auszeichnung der Newcomerin Nadia Melliti für die Titelrolle in „Die jüngste Tochter“ (» zur FILMSTARTS-Kritik) ist trotzdem absolut gerechtfertigt. Im Verlauf von fünf Jahreszeiten entdeckt die muslimische Teenagerin ihre lesbische Sexualität – und hat dabei vor allem mit inneren Problemen zu kämpfen, während die Auftritte der üblichen Verdächtigen in solchen Filmen (die Eltern, der Iman) auf ein Minimum reduziert werden. Ein überraschender, berührender Film.

Bester Regisseur / Bestes Drehbuch

Wenn die Jury gerne noch einem Film einen Hauptpreis geben würde, aber die alle schon weg sind, dann gibt man stattdessen gerne zwei „kleinere“ Preise an einen Film. So auch in diesem Jahr. Neben dem Besten Hauptdarsteller wurde „The Secret Agent“ zugleich auch für die Beste Regie ausgezeichnet. Kein Wunder: Schließlich entwirft Kleber Mendonça Filho nicht nur einen grandios aussehenden Stimmungsteppich der Siebzigerjahre (der nicht nur manchmal an den Retro-Look von Quentin Tarantino erinnert). Sondern wagt auch immer inszenatorische Ausbrüche, etwa mit einem von einem Hai abgerissenen Männerbein, das nachts im Park herumhüpft und in Slasher-Manier seine Opfer meuchelt…

Das beste Drehbuch stammt laut Jury von den belgischen Brüdern Luc und Jean-Pierre Dardenne, die für ihre frühere Filme „Rosetta“ und „Das Kind“ schon zwei Mal mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Ihr erneut sozialkritischer und mit einer fast schon dokumentarisch anmutenden Handkamera gefilmter Film „Young Mothers“zur FILMSTARTS-Kritik) erzähl von den Herausforderungen vier Teenagerinnen, die in einer Einrichtung für minderjährige Schwangere und Mütter untergekommen sind.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder einen Spezialpreis

Ein Spezialpreis der Jury, der nicht in jedem Jahr, sondern aus besonderem Anlass vergeben wird, geht in diesem Jahr an den chinesischen Regisseur Bi Gan für seinen Film „Resurrection“, der in fünf Episoden 100 Jahre Filmgeschichte auf bildgewaltige, aber auch abstrakte zweieinhalb Stunden kondensiert. Für FILMSTARTS und die Cinephilen-Crowd war „Resurrection“ der herausragende Film des Festivals, hat somit auch die vollen 5 Sterne in unserer Kritik erhalten. Genauso sind aber viele auch früher aus dem Film herausgegangen oder direkt eingeschlafen…

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