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    Suburbicon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Suburbicon
    Von Christoph Petersen

    Als George Clooney im Februar 2016 zur Premiere des Films „Hail, Caesar!“ nach Berlin kam, traf er sich auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, um mit ihr über die Flüchtlingspolitik zu diskutieren. Zudem setzt sich der zweifache Sexiest Man Alive (1997 & 2006) konsequent für eine Lösung des Darfur-Konflikts sowie für eine offizielle Anerkennung des Völkermords an den Armeniern ein. Neben Angelina Jolie ist der zweifache Oscargewinner der wohl politisch aktivste Hollywood-Megastar unserer Zeit – und das hat seinen bisherigen Regiearbeiten wie dem 5-Sterne-Meisterwerk „Good Night, And Good Luck“ oder der Establishment-Abrechnung „The Ides Of March – Tage des Verrats“ auch nur gutgetan. Von seinem neusten Film als Regisseur, dem schwarzhumorigen Thriller „Suburbicon“, lässt sich das aber leider nicht behaupten, ganz im Gegenteil: Clooney scheitert hier kläglich bei dem Versuch, einem 31 Jahre alten, bisher unverfilmten Skript der Coen-Brüder („Fargo“, „The Big Lebowski“) einen aktuellen politischen Kontext überzustülpen. So ist der Film letztendlich nur leidlich unterhaltsam – und die politische Ebene bleibt bis zum Schluss leblose Kulisse.

    Suburbicon ist ein Modell-Vorort, der 1959 im zwölften Jahr seines Bestehens bereits 60.000 Menschen angezogen hat, wobei die Werbeprospekte immer auch die große Vielfalt und Diversität der Siedlung betonen: Die ausschließlich weißen Bewohner stammen schließlich aus so unterschiedlichen Ecken wie New York, Ohio und sogar Mississippi. In Suburbicon lebt auch der Familienvater Gardner Lodge (Matt Damon), dessen nach einem von ihm verursachten Autounfall an den Rollstuhl gefesselte Ehefrau Rose (Julianne Moore) bei einem Einbruch von zwei Gangstern getötet wird. Allzu sehr scheint der Verlust Gardner aber nicht zu treffen, denn es gibt da ja auch noch Roses nicht behinderte Zwillingsschwester Margaret (ebenfalls Julianne Moore). Etwa zur selben Zeit zieht mit den Meyers die erste schwarze Familie nach Suburbicon. Der Postbote fällt beim Briefeausliefern vor Schreck fast in Ohnmacht – und schon kurze Zeit später hat sich ein Mob aus pöbelnden und lärmenden Weißen vor dem Haus der Meyers gebildet…

    Wir wissen natürlich nicht, wie die inzwischen mit vier Oscars gewürdigte Karriere von Joel und Ethan Coen verlaufen wäre, wenn sie nach ihrem Indie-Hit-Debüt „Blood Simple“ (1984) nicht mit „Arizona Junior“ (1987), sondern mit „Suburbicon“ (die erste Drehbuchfassung stammt von 1986) weitergemacht hätten. Aber es lässt sich nun ziemlich sicher sagen, dass sie damals die richtige Entscheidung getroffen haben. „Suburbicon“ besitzt zwar all die typischen Coen-Zutaten (pechschwarzer Humor, fiese Wendungen, plötzliche Gewaltausbrüche), aber der Noir-Krimi-Plot ist auch ziemlich generisch: Er braucht erst ziemlich lange, um in Fahrt zu kommen, ist dann aber trotzdem schnell durchschaut – sicherlich nicht die beste Kombination. Da hilft auch die durch Kostüme und Ausstattung stimmig heraufbeschworene 50er-Jahre-Atmosphäre nur wenig.

    Dass der Film zumindest stellenweise trotzdem Spaß macht, liegt vor allem daran, dass die Kombination Clooney/Coens selbstverständlich die ganz großen Namen anlockt: Matt Damon („Jason Bourne“, „Der Marsianer“) gibt den kleinbürgerlichen Möchtegern-Macker, der seine Sexgespielin im Keller mit einem Ping-Pong-Schläger verhaut, aber selbst dabei einfach nur lächerlich spießig aussieht, mit einer entlarvenden Portion Selbsthass. Währenddessen hat die doppelte Julianne Moore („Die Tribute von Panem 3“, „Wonderstruck“) kurze Zeit nach ihrer Antagonisten-Rolle in „Kingsman 2: The Golden Circle“ wieder sichtlich Spaß an einer augenzwinkernden Genrefarce – durch ihr Spiel verleiht sie dem klischeehaften 50er-Jahre-Hausfrau-Dummerchen eine gewisse Doppelbödigkeit. Alle anderen an die Wand spielt aber Oscar Isaac („Ex Machina“, „Star Wars 8“) als abgeklärt-verschlagener Versicherungsdetektiv Roger – wie er Gardner Lodge langsam aber sicher in die winzigste aller Ecken drängt, macht einfach diebisch Freude (und seine zehn Minuten zu den besten des Films).

    Soweit also der Coen-Anteil. Neu hinzugekommen ist mit Clooney hingegen die Geschichte der Meyers, die auf den wahren Erlebnissen einer schwarzen Familie in den 1950er Jahren in Levittown basiert und sich natürlich zugleich auch auf aktuelle politische Ereignisse wie die Tragödie in Charlottesville bezieht. Nur erleben wir die Meyers nie als lebendige Figuren aus Fleisch und Blut, vielmehr bleiben sie auf ihre Opferrolle reduziert und damit bloße Staffage, während der eigentliche Film nun mal im Haus nebenan stattfindet. Das wird der wahren Geschichte nicht gerecht – und es tut auch „Suburbicon“ als Film nicht gut: Im selben Moment eine möglichst zynisch-schwarzhumorige Noir-Räuberpistole und ein möglichst ernsthaftes Rassismus-Drama zu erzählen mag grundsätzlich möglich sein, aber in „Suburbicon“ geht der ambitionierte Mix in die Hose.

    Es geht bei den Erzählungen über die Lodges und die Meyers jeweils ganz offensichtlich darum, die vermeintlich unschuldige bürgerliche Idylle hinter den ach so weißen Gartenzäunen nicht einfach nur zu entzaubern, sondern sie direkt in Schutt und Asche zu legen. Auch deshalb erschien es Clooney und seinem Schreibpartner Grant Heslov („Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“) wohl als so naheliegende Idee, die beiden Geschichten einfach zusammenzuschmeißen. Aber so einfach ist das eben nicht. Statt sich zu ergänzen, sich zu kommentieren oder sich hochzuschaukeln, bremsen sich die Handlungsstränge vielmehr gegenseitig aus. Wirklich zusammen kommen die beiden Ebenen sogar erst ganz am Ende in einer zugleich absolut zynischen und doch auch durch und durch utopischen finalen Einstellung. Aber die zündende Schlusspointe allein ist kein ausreichender Ersatz dafür, dass die Parallelerzählung die eineinhalb Stunden davor einfach nicht funktioniert.

    Fazit: Trotz toller Darsteller ist „Suburbicon“ der erste wirklich enttäuschende Film des Regisseurs George Clooney.

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