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    Geostorm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Geostorm
    Von Carsten Baumgardt

    Im Blockbuster-Kino dockt Hollywood mit Vorliebe am Zeitgeist an, mischt den in der Luft liegenden Themen und Trends einige spekulative Zuspitzungen bei und überhöht die Realität zum Spektakel. Dann retten Superhelden eine vom Terror bedrohte Welt oder geniale Wissenschaftler lösen die vom Klimawandel hervorgerufenen Probleme, so wie bei „Geostorm“, mit dem Roland Emmerichs Produktionsstammpartner Dean Devlin („Independence Day“, „Godzilla“) sein Regiedebüt gibt. Die Technologie des Geoengineering, also der Wettermanipulation, sorgt in diesem optisch eindrucksvollen Katastrophen-Thriller erst für die Rettung der Erde und dann für eine globale Megakrise, die die Existenz der gesamten Menschheit bedroht. Und zumindest die Ausgangsidee ist nicht allzu abwegig: Versuchte nicht schon die chinesische Regierung, Regengott zu spielen, als sie während der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Dorfbewohner anstellte, um mit Flaks Silberjodid in den Himmel zu schießen? So konnten die attackierten Wolken rechtzeitig zum Abregnen gezwungen werden, um die Zuschauer und Athleten im Olympiastation trockenzuhalten. Aber das Katastrophenszenario reichte Devlin offenbar nicht und so fügte er ihm auch noch Elemente des Verschwörungs-, Weltraum- und Agentenfilms hinzu. Herausgekommen ist ein grob zusammengeschusterter Genremix, bei dem schließlich auch noch die Hauptattraktion eines Katastrophenblockbusters ins Hintertreffen gerät, nämlich die Zerstörungsorgie.

    In der nahen Zukunft nehmen die Extremklimaereignisse immer verheerendere Ausmaße an. Zwei Millionen Menschen sterben bei einer Hitzewelle in Madrid, Paris steht unter Wasser, das Wetter spielt permanent verrückt: Die Weltgemeinschaft braucht eine technische Lösung des Problems. Der geniale Konstrukteur Jake Lawson (Gerard Butler) entwirft ein Satellitennetzwerk namens Dutch Boy, das im All aufgespannt wird und die Wetterkapriolen neutralisiert. Weil sich der aufbrausende Lawson bei einer Senatsanhörung zu undiplomatisch verhält, wird ihm die Leitung des Projekts entzogen, dessen Kontrolle die federführende USA in drei Jahren an die internationale Staatengemeinschaft übergeben soll. Für ihn übernimmt sein jüngerer, politisch ambitionierter Bruder Max (Jim Sturgess) das Kommando. Wenige Wochen vor der offiziellen Übergabe von Dutch Boy entwickelt das System desaströse Fehlfunktionen: In Afghanistan werden Hunderte Menschen in einem Dorf zu Eis gefroren und der Untergrund von Hongkong wird so sehr erhitzt, dass die Gasleitungen aus dem Boden platzen. Nur einer kann das fehlerhafte Netzwerk wieder in den Griff bekommen: Jake Lawson. Max holt seinen Bruder aus dem Ruhestand und schickt ihn zur Raumstation ISS IV, um von dort aus die Welt zu retten.

    „Geostorm“ hat eine lange und bewegte Produktionsgeschichte hinter sich: Das bereits Ende 2014 unter anderem in New Orleans, Hongkong und Dubai gedrehte Projekt wanderte zunächst von Paramount zu Warner Bros. Dann wurde der Start des 120 Millionen Dollar teuren Katastrophen-Reißers ganze vier Mal verschoben, um anderen Warner-Großproduktionen wie „Batman V Superman“ oder „The Jungle Book“ zu weichen. Nach wenig erfolgreichen Testvorführungen übernahm Hollywood-Urgestein Jerry Bruckheimer („Fluch der Karibik“) als Produzent für Nachdrehs im Dezember 2016 das Kommando und brachte mit Drehbuchautorin Laeta Kalogridis („Shutter Island“) und Regisseur Danny Cannon („Judge Dredd“) frische Kräfte mit, um dem Film seinen Blockbuster-Stempel aufzudrücken, was auch spürbar ist. Man hat „Vikings“-Star Katheryn Winnick ersetzt sowie einige neue Figuren eingeführt. Diese Unruhe bei der Produktion ist dem fertigen, unausgeglichen und unrund wirkenden Film deutlich anzumerken.

    Auf der Habenseite stehen die ordentlichen CGI-Effekte von spektakulären Zerstörungsorgien, wenn Hongkong in Schutt und Asche gelegt, Rio de Janeiro eingefroren oder Dubai überflutet wird. Das ist nichts, was Dean Devlins langjähriger Partner Roland Emmerich nicht schon früher („The Day After Tomorrow“, „2012“) so ähnlich gemacht hätte, aber diese Szenen haben ordentlich Wumms und bieten solides, unterhaltsames Katastrophenspektakel. Allerdings nehmen die Effektsequenzen insgesamt nicht allzu viel Raum ein, stattdessen wird der an Verschwörungsserien wie „24“ angelehnte Plot breiter ausgewalzt als dem Film guttut - denn das Drehbuch ist die größte Schwäche von „Geostorm“. Ein Katastrophen-Spektakel muss natürlich kein ausgefeiltes Charakterdrama sein, aber etwas mehr als holzschnittartige und unglaubwürdige Reißbrett-Figuren, hätte es doch sein dürfen. Nicht nur, dass man sich mit Actionstar Gerald Butler („London Has Fallen“) als hemdsärmeligem Daniel Düsentrieb, der mal eben ein weltrettendes Satellitensystem entwirft, schwer tut - die Motivationen und Beziehungen der Figuren untereinander ergeben selten Sinn.

    Millionen Menschen lassen auf der Erde ihr Leben, aber dies wird hier in keiner Weise reflektiert und emotional genutzt. Stattdessen versteifen sich die Filmemacher auf den Brudertwist zwischen Jake und Max, der in aller Ausführlichkeit ausgetragen wird, aber trotzdem nie glaubhaft wirkt. Neben diesem ermüdend öden 08/15-Hahnenkampf hat Max auch noch Zeit, Heiratspläne mit der FBI-Agentin Sarah Wilson (Abbie Cornish) zu schmieden, obwohl die Welt unmittelbar vor dem Untergang steht. Wie soll da ein Gefühl von Gefahr und Bedrohung aufkommen? Die im Laufe des Films immer hanebüchener und kruder werdenden Subplots um eine bis in höchste Regierungskreise reichende Verschwörung und diverse Abenteuer im Weltraum machen es auch nicht besser und gipfeln schließlich in einem kuriosen Countdown zum (fiktiven) Geostorm – das sind Tausende Extremwetterereignisse weltweit zur selben Zeit. Spannung kommt trotz höchster Dramatik keine auf, nicht zuletzt weil es bei Devlins uninspirierter Erzählweise immer klar ist, dass er den obligatorischen Hund am Ende retten wird und dieser Berechenbarkeit setzt er auch mit seiner rein funktionalen Inszenierung keine Überraschungsmomente entgegen.

    Fazit: „Independence Day“-Produzent Dean Devlin liefert mit seinem Regiedebüt „Geostorm“ einen optisch ansprechenden Katastrophen-Thriller, der sonst allerdings auf keiner Ebene überzeugt.

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