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    Scream 4
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Scream 4
    Von Björn Helbig

    „Was ist dein Lieblingshorrorfilm?" – Welcher Kinokundige erinnert sich nicht an diese fast schon legendäre Frage und den Film, mit dem Wes Craven ein ganzes Genre im Jahr 1996 auf ein neues Level hob und ihm einen ordentlichen Erfolgsschub verpasste. Mit „Scream" nahm der Regisseur die Regeln des Slasher-Horrors auf's Korn, die er selber mit Werken wie „Nightmare - Mörderische Träume" und „Hügel der blutigen Augen" wesentlich mitdefiniert hatte, und schuf ein blutig-augenzwinkerndes, selbstreferenzielles Genre-Manifest und eine Hommage an die Klassiker des Horror-Kinos gleichermaßen. Dieses originelle Spiel mit den bekannten Elementen erfreute vor allem die Fans, denen das immer gleiche Strickmuster der Slasher-Filme längst in Fleisch und Blut übergegangen war. Mit den Fortsetzungen „Scream 2" und „Scream 3" lieferte Craven weitere erfolgreiche Variationen, während unzählige Trittbrettfahrer für eine regelrechte Welle des Horrors zweiten Grades sorgten. Das hohe Niveau vor allem des ersten Teils erreicht der Altmeister mit der nunmehr dritten Fortsetzung „Scream 4" zwar nicht mehr, etliche „Nachahmungstäter" à la „Schrei, wenn du kannst" stellt er trotzdem locker in den Schatten.

    Vor Jahren erschütterten grausame Morde das kleine Örtchen Woodsboro. In Vergessenheit geraten ist der geheimnisvolle Ghostfacekiller seitdem zwar nicht, trotzdem ist wieder Ruhe eingekehrt und die Protagonisten von damals gehen wieder ihren Beschäftigungen nach: Dorfpolizist Dwight Riley (David Arquette) ist inzwischen mit der ehemaligen Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) verheiratet, die sich heute als Autorin versucht. Sidney Prescott (Neve Campbell), die Heldin von damals, ist ihrem Heimatort lange Zeit fern geblieben. Zum Jahrestag der Morde kehrt sie als erfolgreiche Buch-Autorin mit gemischten Gefühlen zurück, um ihre Tante Kate Roberts (Mary McDonnell) und ihre Cousine Jill (Emma Roberts) zu besuchen und ihren neuen Bestseller vorzustellen, mit dem sie ihre Erlebnisse verarbeitet. Dass das keine gute Idee sein kann, weiß jeder, der die Regeln des Slasher-Genres kennt.

    Wes Craven ist unberechenbar. Zumindest, was die Qualität seiner Filme angeht. Er hat uns in seiner mehr als 40-jährigen Karriere als Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler und Produzent so manchen Klassiker beschert und mit Freddy, dem narbengesichtigen Untoten aus „Nightmare – Mörderische Träume" schuf er nichts weniger als eine Horror-Ikone. Neben einem herausragenden Frühwerk wie „Das letzte Haus links" hat er immer wieder zumindest solide (Horror-)Kost geliefert wie die Comicverfilmung „Das Ding aus dem Sumpf", den Voodookrimi „Die Schlange im Regenbogen", „Shocker", einen Film über einen übernatürlichen Serienkiller, der nach seiner Hinrichtung als Elektrowesen weiter sein Unwesen treibt und den Thriller „Red Eye". Doch einige Filme des sehr produktiven Craven sind leider auch komplett misslungen: „Im Todestal der Wölfe" etwa, die Fortsetzung von „Hügel der blutigen Augen" ist beispielsweise derart inakzeptabel, dass man sich nur schwer vorstellen kann, dass es sich um denselben Regisseur handelt. Auch der lahme 3D-Grusel „My Soul To Take" wurde zu Recht von Presse und Publikum verschmäht. Dementsprechend groß war die Spannung, als 2009 bekannt wurde, dass eine neue „Scream"-Trilogie in Planung ist. Würde Craven eine lieblose 08/15-Fortsetzung drehen oder hatte er noch genügend kreative Energie, um die insgesamt hohe Qualität der Reihe zu halten? Beides war ihm zuzutrauen – glücklicherweise trifft Letzteres zu.

    Auch wenn Wes Craven das Rad nicht neu erfindet und aufgrund der durchwachsenen Einspielergebnisse in den USA zumindest das Projekt „neue Trilogie" noch kein grünes Licht bekommen hat, ist „Scream 4" ein kurzweiliges und passagenweise sehr spannendes Sequel. Und natürlich würde der Film seinem Titel nicht gerecht, wenn es dem Regisseur und seinem Autor Kevin Williamson („Dawson's Creek", „The Faculty)"), der auch die ersten beiden Teile geschrieben hatte und die Original-Charaktere schuf, nicht gelungen wäre, die besonderen Qualitäten der Reihe gebührend zur Geltung kommen zu lassen: So ist auch der neue Teil wieder ein süffisantes Spiel mit den impliziten Regeln und Strukturen des Slasher- und Horrorgenres. Dazu haben sich Craven und Williamson einiges einfallen lassen - das fängt schon mit dem Mehrfach-Prolog an, der den Zuschauer lange Zeit darüber im Unklaren lässt, wann der „eigentliche" Film losgeht. Danach wird die Identität des Killers wie gehabt bis zum letzten Moment geheim gehalten, was den Zuschauer natürlich zum launigen Mitraten einlädt. Ein bestimmt nicht unbeabsichtigter ironischer Aspekt: Der Kreis der Verdächtigen wird wesentlich schneller verkleinert als in den anderen Teilen – kaum hat der Zuschauer eine neue Theorie, wer der Killer sein könnte, hat es den Entsprechenden schon dahingerafft. Trotz der sich stetig ausdünnenden Zahl der möglichen Täter, dürfte der wirkliche Killer von kaum jemandem vorzeitig entdeckt werden, dafür haben Craven und Williamson ihn zu gut getarnt und zu viele falsche Fährten gelegt.

    Ist also in „Scream 4" alles beim Alten? Nicht ganz, denn Wes Craven schafft den schwierigen Spagat, das Erfolgsrezept der ersten drei Teile beizubehalten und trotzdem einige kleinere und größere Neuerungen einzuführen. Eine davon ist der zeitgemäß angehobene Härtegrad. Das Messer des Ghostfacekillers trennt Finger ab, schlitzt Hälse auf und legt das menschliche Innenleben frei – „Scream 4" tut mit anderen Worten also wieder richtig weh! Der Schock der brutalen Eruptionen wird meist von gekonnt inszeniertem Nervenkitzel vorbereitet. In einer der gelungensten Szenen telefonieren zwei junge Frauen mit ihrer Freundin, die sie gleichzeitig durchs Fenster beobachten können – auf der anderen Leitung der Killer. In solchen Momenten erreicht die Spannung ihren Höhepunkt. Überdies sorgen neben den solide aufspielenden alten Stars ein paar neue Gesichter wie Hayden Panettiere (auf deren „Heroes"-Rolle mehrmals angespielt wird), Rory Culkin („Signs", „Twelve"), Emma Roberts („Wild Child") sowie die Gaststars Mary McDonnell („Der mit dem Wolf tanzt") und Anna Paquin („True Blood") für zusätzliche Würze. Zum Glück übertreiben es Regisseur und Autor selten mit der Selbstbezüglichkeit und den Verweisen, so dass der Film trotz reichlich ausgereizter Metaebene(n) unterm Strich auch immer noch ein vergnüglicher, handfester Slasher ist.

    „Scream 4" stellt keine Revolution des Horrorfilms dar. Diese Ehre gebührt dem ersten Teil von 1996. Aber Wes Craven schafft es dennoch, weiterzuführen, was gut und stimmig war und dazu sorgt er noch für Überraschungen. Immerhin! Von den mittelmäßigen US-Einspielergebnissen sollte sich deswegen niemand abschrecken lassen. Wer die anderen drei Teile mochte, wird auch mit „Scream 4" seinen Spaß haben. Todsicher.

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